Ehemaliges Verwaltungsgebäude der Kabelwerke Brugg
Denkmalgerechte Fassadenerneuerung mit Vakuumdämmung
Die Architektur der 1950er-Jahre erfährt immer mehr Wertschätzung und zählt mittlerweile für viele Menschen zum baukulturellen Erbe. Das zeigt unter anderem der Umgang mit dem ehemaligen Verwaltungsbau der Kabelwerke Brugg AG im Schweizer Kanton Aargau. Um seine Instandsetzung und Transformation zum beruflichen Integrationszentrum kümmerte sich das ortsansässige Büro Tschudin Urech Bolt Architekten.
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An der Grenze der 8.000-Seelen-Gemeinde Windisch zur nördlich benachbarten Kleinstadt Brugg liegt das Areal der Kabelwerke. In den Jahren 1956 und 1957 war hier, an städtebaulich prädestinierter Stelle, das Verwaltungsgebäude nach Plänen von Carl Froelich und Hans Kündig entstanden. Das durchkomponierte, neungeschossige Punkthochhaus zeugt von der Konjunktur der Nachkriegszeit – wie auch die benachbarte, wenig später von Fritz Haller entworfene ehemalige Höhere Technische Lehranstalt Windisch-Brugg.
Den kompakten Grundriss bilden zwei spiegelbildlich angeordnete Bürotrakte mit einer eingerückten, leicht trapezförmigen Treppenhaushalle. Über dem abgesetzten Erdgeschoss entwickeln sich sieben Hauptebenen zuzüglich einer verglasten Staffel mit Flugdach zu einer einprägsamen, achsensymmetrischen Gebäudefigur. Der Haupteingang befindet sich an der Südwestseite, in einem aus dem Volumen wachsenden, pavillonartigen Windfang. Darüber, wie auch an der gegenüberliegenden, etwas schmaleren Nordostseite, ist die Glasfront der Treppenhalle zu sehen, beidseitig eingefasst von den grauen, leicht pfeilartig abgeknickten Stirnseiten der länglichen Bürotrakte. Deren Längsfassaden sind dagegen nach Südosten und Nordwesten gerichtet und geprägt von der horizontalen Schichtung übereinander liegender Fensterbänder.
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Abriss verboten
Gut 50 Jahre nach der Erbauung suchten die Kabelwerke Brugg, die immer noch Eigentümer des Verwaltungsgebäudes sind, nach neuen Mietern. Es war nicht nur das erste Hochhaus vor Ort, sondern gilt inzwischen auch als eines der schönsten im Kanton Aargau. Seit 2020 ist es als Baudenkmal von kommunaler Bedeutung geschützt und somit ein Abriss ausgeschlossen. Brandschutzanforderungen verlangten, den Bau nur im Ganzen, sprich an eine einzige Partei zu vermieten.
Mit dem Lernwerk hatte sich schließlich ein geeigneter „Pioniermieter“ gefunden. Der gemeinnützige Verein ist im Bereich der Arbeitsmarkt- und Berufsintegration tätig und bietet Lehrstellenvermittlung und Bewerbungscoaching an. Dazu war das Lernwerk auf der Suche nach Büro- und Schulungsräumen und nach Platz für eine Fahrrad-, eine Textil- und eine Holzwerkstatt sowie eine Wäscherei. Diese Einrichtungen konnten in einer nahegelegenen Halle untergebracht werden.
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Anpassung mit Augenmaß
Die Eingriffe am Hochhaus erfolgten mit Augenmaß hinsichtlich der geschützten Substanz. Das Stahlbetonskelett wurde erhalten und gegen Erdbeben ertüchtigt. In den Büroetagen kamen in den Fensterachsen einzelne Trennwände hinzu. Geländer im Staffelgeschoss und im Treppenhaus mussten erhöht werden und erhielten zusätzliche Querstäbe sowie feine Seilnetze. Notwendig war außerdem ein Austausch der haustechnischen Installationen sowie sämtlicher der vielfach asbesthaltigen Oberflächen.
Neue Farbfassungen und Materialien wie Linoleum oder Stäbchenparkett wählte man in Anlehnung an den bauzeitlichen Zustand aus. Im Erdgeschoss wurden eine öffentliche Kantine sowie eine Küche und ein zusätzlicher Eingang ergänzt. Gegenüber dem vorherigen Zustand soll der Gebäudebetrieb 70 Prozent weniger Energie bedürfen und 75 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen.
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Fassade: Unsichtbare Erneuerung
Die bauzeitliche Hülle musste leider weitgehend erneuert werden. Gemäß den vorliegenden Plänen aus den 1950er-Jahren waren die Außenwände und Brüstungen raumseitig isoliert, mit einer 3 bis 5 cm starken Schicht aus Kork. Außenseitig wurden jeweils stoßfrei verlegte Natursteinplatten angebracht, mit einer minimalen Hinterlüftung.
An den Schmalseiten der Bürotrakte waren sie bereits 2021 durch Streckmetallpaneele ersetzt worden, nachdem sich einige Platten abgefallen waren. Das zunächst auf zehn Jahre angelegte Provisorium wurde beibehalten. Die Breitseiten hingegen sind geprägt von Fensterbändern und dunkelgrünen, weiß gesprenkelten Brüstungen aus italienischem Verde Alpi. Die vorgehängten Marmorplatten wurden demontiert und durch neue aus demselben Steinbruch ersetzt. Sie reichen nach unten etwas über die Rohbaubrüstung hinaus, sodass beim Einfahren die Lamellen der Raffstore hinter den Platten verschwinden.
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Um den schlanken Fensterprofilen des Bestands möglichst nahezukommen und zugleich die gängigen Normen bezüglich Windlasten und Wärmedämmung einzuhalten, wurden speziell angefertigte, neue Aluminiumfenster eingebaut. Auf eine äußere Aufdopplung durch zusätzliche Wärmedämmung verzichtete man zugunsten der historischen Proportionen und entschied sich stattdessen für eine innenliegende Schicht aus 135 bis 180 Millimeter starken Schaumglas-Vakuumdämmplatten. Der effiziente und kompakte Dämmstoff kam im Außenwandbereich auch an den Decken zum Einsatz, wodurch Versprünge vermieden wurden und die bauzeitlich elegante Gebäudeanmutung erhalten geblieben ist.
Bautafel
Architektur Bestand: Carl Froelich, Brugg; Hans Kündig, Zürich
Architektur Umbau: Tschudin Urech Bolt Architekten, Brugg
Projektbeteiligte: vzp ingenieure, Leuggern (Bauingenieure); Jost Elektro, Brugg (Elektroplaner); RMB Engineering, Zürich (HLKS-Planer); Kopitsis Bauphysik, Wohlen (Bauphysik); Bussmann Lichtarchitektur, Baden (Licht)
Bauherr: Brugg Immobilien
Fertigstellung: 2023
Standort: Klosterzelgstrasse 28, 5210 Windisch, Aargau, Schweiz
Bildnachweis: Kuster Frey, Zürich (Fotos); Tschudin Urech Bolt Architekten, Brugg (Pläne)
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