Museum M9 in Venedig
Virtuelle Dauerausstellung
Nordöstlich von Venedig auf dem Festland gelegen, ist Mestre für die meisten Gäste, die die Lagunenstadt besuchen, nicht mehr als eine Durchgangsstation. Dabei zählt die Industriestadt, die in den 1920er-Jahren zu Venedig eingemeindet wurde, heute deutlich mehr Einwohner als die serenissima. Entgegen dem Ruf, allein ein Vorort zu sein, wurden in den vergangenen Jahren Versuche unternommen, Mestre auch als Kulturstandort zu stärken. Sichtbaren Ausdruck finden diese Bemühungen in einem neuen Ausstellungsbau, der unter dem Namen M9 nach Plänen des Berliner Büros Sauerbruch Hutton im Stadtzentrum entstanden ist.
Gallerie
In diesem Zuge wurden vier Bestandsbauten, zu denen ein Konvent aus dem 16. Jahrhundert ebenso gehört wie ein Bürogebäude, das in den 1970er-Jahren entstanden ist, um drei neue Baukörper ergänzt. Rings einer kleinen Piazza angeordnet, folgt die Anlage der Zielsetzung, zu einer Belebung der Innenstadt beizutragen; so ist neben den Trassen, die durch den motorisierten Verkehr genutzt werden, eine Wegeverbindung geschaffen worden, die längs des neuen Hauptgebäudes durch den Innenhof des einstigen Klosters auf die nördlich gelegene Piazza Feretta, den Hauptplatz von Mestre, führt.
Bunte Keramikziegel
Wie viele Bauten des Berliner Büros fallen die Fassaden der
neuen Baukörper durch ihre Farbgebung auf. In Mestre kamen dabei –
nicht anders als im Münchner Museum Brandhorst (siehe Objekte zum
Thema) – Keramikelemente zum Einsatz, die in gleich dreizehn Farben
leuchten. Weitaus zurückhaltender nehmen sich die Innenräume aus,
in denen eine breite Sichtbetontreppe in die Ausstellungsräume
führt. Anders als die Museen im nahen Venedig, die ob der dort
versammelten Kunstschätze zu bersten scheinen, erwarten die
Besucher im M9 keine Originale. Die Geschichte des 20.
Jahrhunderts, das in Italien auch als novecento bezeichnet
wird, findet sich hier allein digital erzählt. Damit aber stellte
sich insbesondere den Ausstellunsgestalterinnen und -gestaltern des
venezianischen Büros Grisdainese die Frage, wie sich physische und
digitale Architektur miteinander verbinden lassen.
Digitale Realitäten in der Black Box
Entsprechend der Prämisse, die multimedialen Installationen nicht zu übertrumpfen, zeichnen sich die Planungen von Grisdainese daher durch Zurückhaltung aus: Für die über zwei Geschosse reichende multimediale Dauerausstellung wurde ein unaufdringliches Mobiliar entwickelt. Gefertigt aus Stahlblechen und schwarzem MDF, ist in enger Absprache mit den Studios, die den digitalen Content entwickelt haben, ein Interieur entstanden, das in den durch das Architekturbüro gestalteten Dunkelräumen den Blicken weitgehend verborgen bleibt. Vor diesem Hintergrund erwachen Hologramme zum Leben und Spiele, die sich der virtuellen Realität bedienen, laden zur Interaktion ein. Ausgestattet mit Bewegungssensoren, kann der Besuch in den Ausstellungsräumen zudem mittels einer eigenen App durch Augmented Reality überhöht werden.
Allein künstlich beleuchtet, galt es, die sichere Bewegung der
Gäste, die nicht auf einem vordefinierten Pfad durch den
Ausstellungsbau geleitet werden, sicherzustellen, ohne dabei jedoch
die Lesbarkeit der Projektionen und Monitore einzuschränken. Neben
einem Lichtsystem, das zu Wartungs- und Reiningungszwecken wie auch
im Gefahrenfall aktiviert werden kann, kommen während der
Öffnungszeiten allein Scheinwerfer zum Einsatz. Individuell
gesteuert, können sie die erforderliche Helligkeit liefern, ohne in
Konkurrenz zu den digitalen Exponaten zu treten. –ar
Bautafel
Architektur: Sauerbruch Hutton, Berlin
Projektbeteiligte: SCE Project, Mailand (Kontaktbüro und Tragwerksplanung); Tomaselli Engineering, Fontanafredda; Hospital Engineering Group, Pordenone; Studio Tecnico Giorgio Destefani, Sesto San Giovanni (Gebäudetechnik); Ambiente Italia, Mailand (Energiekonzept); GAE Engineering, Turin (Brandschutz); Grisdainese, Venedig (Ausstellungsgestaltung)
Bauherrschaft: Fondazione di Venezia
Standort: Via Giovanni Pascoli, 11, 30171 Venedig, Italien
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Jan Bitter, Berlin
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