Pfahlbaumuseum in Uhldingen-Mühlhofen
Sonderleuchten für eine virtuelle Unterwasserwelt
Wie haben Menschen vor 6.000 Jahren am Bodensee gelebt? Das
erfahren Besucher*innen des Pfahlbaumuseums in Uhldingen-Mühlhofen
am Bodensee – das älteste archäologische Freilichtmuseum in
Deutschland. Neben den 23 der Stein- und Bronzezeit
nachempfundenen, betretbaren Pfahlbauten, befinden sich außerdem
prähistorische Reste der originalen Pfahlbauten rund 500 Meter vom
Ufer entfernt unter Wasser – seit 2011 Unesco-Weltkulturerbe.
Darauf nimmt der kürzlich eröffnete Erweiterungsbau Bezug, in der
sich eine neue Ausstellung über die Pfahlbauten besichtigen
lässt.
Gallerie
Der rund 1.300 m² große Neubau ist als Holzkonstruktion ausgeführt. Die Fassade besteht aus vorgegrauten Kanthölzern aus langlebiger Lärche und ist an die bis zu 100 Jahre alten Pfahlbauten angelehnt. Darin integriert sind bronzefarbene Fenster- und Türrahmen. Die Entwerfer*innen von a+r Architekten ließen sich bei der Form Baukörpers mit Satteldach von Einbaum-Booten aus der Bronzezeit inspirieren: Diese wurden im Winter auf den Kopf gedreht und an Land gezogen, um darunter Objekte witterungsgeschützt zu lagern. Analog dazu schützt das Langhaus die Exponate der Ausstellung symbolisch: In den Vitrinen im Erdgeschoss zu sehen sind originale, prähistorische Objekte, die Aufschluss über das Leben der Menschen in der Stein- und Bronzezeit geben – darunter Bauteile historischer Pfahlbauten.
Gallerie
Expressive Dachkonstruktion
Der Grundriss weist eine asymmetrische Form auf: Er schließt zum Westen hin an den Bestand an – der die gesamte Haustechnik und die Sanitärräume aufnimmt – und weist zum Osten hin einen Knick nach außen auf. Der Raum weitet sich somit in der Mitte beim Besucherbereich auf und verjüngt sich zu den beiden verglasten Giebelseiten hin. Über die gesamte Länge sichtbar ist der offene Dachstuhl mit einer aufwendigen Brettschichtholz-Rahmenkonstruktion aus unbehandelter heimischer Fichte. Der Rahmenabstand liegt bei 1,60 Meter, gekreuzte Unterspannung verstärken die Rahmenkonstruktion zusätzlich. Durch den asymmetrischen Grundriss verdreht sich die Dachkonstruktion sukzessive und erhält dadurch einen besonderen geometrischen Ausdruck. Zusätzlich zu den großen Glasfassaden an den Giebelseiten fällt außerdem reichlich Tagslicht durch die Oberlichter in die Ausstellungshalle.
Gallerie
Das Obergeschoss ist als umlaufende Galerieebene ausgeführt, die mittels Zugstangen aus Stahl von der Dachkonstruktion abhängt. Besucher*innen erreichen die Galerie mit zusätzlicher Ausstellungsfläche über eine offene Treppe im Freiraum. Präsentiert werden hier Fotos und kleinere Exponate mit informativen Texten. Während im Erdgeschoss ein geschliffener Estrichboden mit Zuschlägen aus dem Seeboden eingesetzt wurde, besteht der Bodenbelag der Galerie aus dunklerem Industrieparkett.
Virtuelle Unterwasserwelt
Gemeinsam mit dem
Lichtkünstler Joachim Fleischer entwickelte das Stuttgarter Büro
jangled nerves ein außergewöhnliches Beleuchtungskonzept. Die
Lichtinstallation trennt die Vermittlungsebenen des Museums
vertikal in zwei Bereiche: über und unter dem Wasser. Die
Lichteffekte im Erdgeschoss imitieren die typische Brechung des
Sonnenlichts in den Wellen und vermitteln so den Eindruck, sich
unter Wasser zu bewegen. Die Position der Wasseroberfläche markiert
das Einbaum-Boot, das auf dem virtuellen Wasser zu schwimmen
scheint.
Gallerie
Zu diesem Zweck wurden fünf skulpturale Leuchten mit einem
Durchmesser von fast drei Metern entworfen, die rund sieben Meter
unter der Deckenkonstruktion hängen. Ebenso wie die Galerieebene,
hängen auch die Leuchten an weißen Pendelstanden, in denen die
Kabel zur Stromversorgung unsichtbar geführt werden. Daran
schließen je ein Zylinder und neun freigeformte Schollen aus
satiniertem Plexiglas an. Am unteren Ende des Zylinders sind
jeweils mundgeblasene Kristallglasbirnen, die von je drei
LED-Strahlern durchleuchtet werden und sich stetig drehen. Durch
die unregelmäßigen Oberflächen und Wandstärken der
Kristallglasbirnen und deren Drehung, entsteht auf dem Fußboden des
Museums der gewünschte, sich stetig verändernde Welleneffekt. Für
den bewegten Lichteffekt mussten die LED-Strahler außerdem eine
sehr enge Linse und eine möglichst kleine, punktförmige und
zugleich starke Lichtquelle haben. Zum Einsatz kamen daher
High-Power-LED-Chips. Dank der neuen Photovoltaikanlage auf dem
Bestandsdach konnte insgesamt die Energiebilanz des Museums
verbessert werden.
Bautafel
Architektur: a+r Architekten, Stuttgart/Tübingen
Bauherr: Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde
Projektbeteiligte: Planstatt Senner, Stuttgart (Außenanlagen); merz kley partner, Dornbirn (Tragwerksplanung); jn jangled nerves, Stuttgart (Ausstellungsgestaltung und Entwurf Lichtinstallation); luxwerk, Malterdingen (Technische Umsetzung Lichtinstallation); Ingenieurbüro Werner Schwarz, Ravensburg (Elektroplanung)
Fertigstellung: 2024
Standort: 88690 Uhldingen-Mühlhofen
Bildnachweis: Luxwerk/ Werner Huthmacher
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