Sanierung der Neuen Nationalgalerie in Berlin
Alter Look, bautechnisch rundum ertüchtigt
Die Neue Nationalgalerie ist als Architekturikone des 20. Jahrhunderts und Hauptwerk der internationalen Moderne wohl allen Architekturschaffenden ein Begriff. 1968 eröffnet, bildet das Gebäude einen Höhepunkt im Schaffenswerk von Ludwig Mies van der Rohe. Nach fast fünfzig Jahren der intensiven Nutzung musste der denkmalgeschützte Museumsbau aufgrund erheblicher Mängel und Sicherheitseinbußen einer umfassenden Grundinstandsetzung unterzogen werden. Den Auftrag übernahm das Architekturbüro David Chipperfield Architects, das die Sanierung unter dem Leitbild des „unsichtbaren Architekten“ vornahm, mit dem Ziel, das charakteristische Erscheinungsbild möglichst unverändert zu erhalten. Im Mittelpunkt der Baumaßnahmen stand die bautechnische Instandsetzung zum Teil extrem maroder Bauteile einschließlich der Beseitigung von Schadstoffen. Zugleich sollte der Bau technisch und energetisch an den heutigen Standard eines modernen Museums angepasst werden. Die Schlüsselübergabe fand Ende April 2021 statt.
Gallerie
Bauvorbereitung und -phasen
Das Projekt gliederte sich in drei große Phasen, denen eine mehr
als einjährige Archivrecherche vorausging. Unzählige Dokumente
wurden gesammelt, systematisiert und analysiert, um ein lückenloses
Bild der Planungs- und Baugeschichte der Neuen Nationalgalerie zu
erhalten. Diese grundlegende Recherche bildete die Grundlage für
die anfallenden planerischen Entscheidungen. Beteiligt war dabei
neben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Bauherrin sowie dem
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung zudem als Projektleitung und
als Berater der Architekt und Enkel Mies van der Rohes, Dirk Lohan.
Dieser hatte bereits beim Bau ab 1965 die Projektleitung inne und
konnte daher seine Erfahrungen aus erster Hand in die Sanierung
einfließen lassen. Sehenswert ist seine Rede zur Schlüsselübergabe
(s. Surftipps).
Bauvorbereitend folgten die Demontage und Einlagerung von rund 35.000 originalen Bauteilen wie Leuchten, Holzeinbauten sowie Natursteinplatten, die nach ihrer Restaurierung wieder an ihre ursprüngliche Position zurückgeführt wurden. Nicht schützenswerte Bauteile wurden abgebrochen, Schadstoffe wie Asbest und künstliche Mineralfaser entfernt. Anschließend fand die Rohbausanierung mit Instandsetzungsmaßnahmen am extrem schadhaften Stahlbeton sowie die Sanierung des Stahlbaus der Stahl-Glas-Fassaden statt. In der letzten großen Bauphase erfolgte der Innenausbau, bei dem die technische Gebäudeausstattung erneuert und die demontierten Originalbauteile wieder an ihre Ursprungsposition gebracht wurden.
Restrukturierung und Nutzungsverbesserung
Im Zuge der Vor- und Entwurfsplanung wurde eruiert, inwiefern
Raumprogramm und -struktur angepasst werden mussten, um die
Anforderungen an einen modernen Museumsbetrieb erfüllen zu können.
Mit der Restrukturierung wurde das Ziel verfolgt, das Gebäude
wieder seiner ursprünglichen Raumstruktur zum Zeitpunkt der
Eröffnung anzugleichen. Dafür wurde im Untergeschoss der
bauzeitliche Idealplan durch Verlagerung der Garderobe und des
Buchladens in die bisherigen Gemälde- und Skulpturendepots
wiederhergestellt. Für die Depots wurde ein unterirdischer Neubau
errichtet, der sich unter der Podiumsterrasse befindet. Hier ist
nun außerdem die Gebäudetechnik untergebracht. Durch den Umbau der
ehemaligen Technikräume konnte eine zeitgemäße
Ausstellungsvorbereitung sowie zusätzliche Lagerräume geschaffen
werden. Der Frage „Wie viel Mies soll’s sein?“ geht übrigens die
BaunetzWoche #578 nach.
Um der Barrierefreiheit Rechnung zu tragen, erschließt eine neue Rampe an der Südosttreppe des Podiums die große Terrasse und den Haupteingang. Durch offen gehaltene Türen sind die Ausstellungsräume und Service-Bereiche schwellenlos zu betreten. Ein Aufzug verbindet außerdem die Ausstellungshalle mit dem Untergeschoss.
Verbesserter Innenausbau mit ursprünglichem
Erscheinungsbild
Die Unterdecke der Ausstellungsräume im Untergeschoss wurden
hinsichtlich Brandschutz und Bedienbarkeit verbessert. Die
bauzeitliche Holzunterkonstruktion wurde durch ein flexibles
Deckensystem mit Metallkassetten ersetzt, auf denen neue
Holzmodulplatten montiert sind.
Vorhänge und Blendschutz im Untergeschoss wurden anhand lichttechnischer und konservatorischer Anforderungen ausgewählt. Da der bauzeitliche Teppich hier nicht mehr erhalten war, wurde eine Nachbildung auf der Grundlage historischer Fotos und Berichte angefertigt. Die Ausstellungshalle hat dem historischen Zustand entsprechend wieder einen Vorhang erhalten. Alte Motoren und Seilführungen konnten dabei erhalten und instandgesetzt werden.
Elektro und Haustechnik
Bei der Haustechnik mussten viele Verbesserungen vorgenommen
werden, um den technischen Anforderungen an ein modernes Museum
gerecht zu werden. Dabei bestand die Herausforderung darin,
sichtbare Elemente der technischen Gebäudeausrüstung zu erhalten
und die neue Technik darin zu integrieren. Dafür wurden sämtliche
Schalter, Taster und Steckdosen rekonstruiert. Erhaltenswerte
Elemente, die nicht auf den neuesten Stand der Technik umgebaut
werden konnten, wurden exemplarisch – teilweise auch funktionslos –
remontiert. So haben etwa zwei elektrische Uhren wieder ihren
angestammten Platz im Bereich der Pforte eingenommen. Im gleichen
Bereich wurde außerdem eine Rettungswegleuchte ohne Funktion
zusätzlich zu der modernen LED-betriebenen Rettungswegleuchte
remontiert.
Die Raumlufttechnischen Anlagen wurden komplett erneuert. An den Glasfassaden wurden die bauzeitlichen Zuluftgitter wiederverwendet. Der ursprüngliche Raumeindruck der Waschräume ist durch die Rekonstruktion der Waschtische und durch den Rückbau der Vorwandinstallation wiederhergestellt.
Die bauzeitliche Fußbodenheizung unter dem Natursteinbelag der Ausstellungshalle wurde frühzeitig außer Betrieb genommen, da ihre Stahlrohre korrodiert und undicht geworden waren. Diese wurde im Zuge der Sanierung erneuert und mit zusätzlich mit einer Fußbodenkühlung ausgerüstet. Da der Fußboden eine große Speichermasse aufweist, war diese Maßnahme unverzichtbar für ein stabiles Raumklima. Dadurch konnten außerdem nachträglich montierte Heizkörper in den Nebenräumen entfernt werden.
Lichtkonzept
Das von Mies van der Rohe umgesetzte Lichtkonzept galt zu jener
Zeit als sehr fortschrittlich und war vom amerikanischen
Lichtdesigner Richard Kelly inspiriert. Im Erdgeschoss wurden 768
entblendete Downlights in den 196 Kassettenfeldern der
Dachkonstruktion integriert, die für die allgemeine Ausleuchtung
sorgten. Der Vordachbereich enthält nochmals 40 Leuchten für die
Beleuchtung des Bereiches um die Ausstellungshalle. Im
Untergeschoss werden rund 1.350 deckenintegrierte Wandfluter
(Wallwasher) eingesetzt, die die weißen Ausstellungswände in nahezu
gleichmäßiges Licht tauchen und den Charakter des fließenden Raums
betonen.
Im Zuge der Sanierung wurden die rund 2.400 Bestandsleuchten behutsam restauriert und wieder an ihre ursprüngliche Position gebracht. Die Herausforderung bestand darin, die Leuchtengehäuse unter Verwendung neuester Lichttechnik so umzurüsten, dass die bauzeitliche Lichtverteilung erhalten bleibt. Während die alten Leuchten eine Lichtfarbe von ca. 2.700 Kelvin aufweisen, wurden sie durch Leuchten mit einer etwas frischeren Lichtfarbe mit einer Farbtemperatur von 3.000 Kelvin ersetzt. Da für sämtliche Leuchten LEDs eingesetzt werden, kann trotz eines höheren Beleuchtungsniveaus eine Energieeinsparung von mehr als 80% erreicht werden.
Beleuchtungssteuerung als Feldbussystem
Das ursprüngliche Lichtkonzept wurde erhalten und mit moderner
Steuerungstechnik ausgestattet. So kommt für die Ausstellungsräume
und die öffentlichen Bereiche eine Beleuchtungssteuerung als
Feldbussystem zum Einsatz, um einerseits den Verkabelungsaufwand zu
minimieren und andererseits die Bedienung zu erleichtern. Aufgrund
der Vielzahl der zu steuernden Leuchten und den großen räumlichen
Entfernungen ist das System sowohl mit zentralen Komponenten als
auch mit dezentralen Aktoren aufgebaut.
Die Wandfluter im Untergeschoss und die Downlights im Erdgeschoss sind über das Feldbussystem einzeln dimmbar und werden dezentral ebenfalls über das System geschaltet. Die Dimmung wird durch den Einsatz dimmbarer Vorschaltgeräte über das Feldbussystem gewährleistet. Alle LED-Wandfluter und LED-Downlights sind in Schaltgruppen zusammengefasst.
Über das Feldbussystem können außerdem voreingestellte Lichtszenen ausgewählt werden. Raum- bzw. gruppenweise können für die Ausstellungsbereiche u. a, die Lichtszenen Ausstellungsbeleuchtung Tag/Abend und Eventbeleuchtung eingestellt werden. Die Steuerung und Überwachung der Beleuchtungsanlage für den gesamten öffentlichen Bereich erfolgt über ein Touchpanel und einen TFT-Monitor. Die Schaltzustände der jeweiligen dezentralen Tableaus werden in Grundrissen im TFT-Monitor optisch angezeigt.
Neue Kabeltrassen für höhere Verkabelungsdichte
In der Ausstellungshalle im Erdgeschoss war durch die technische
Ertüchtigung eine höhere Verkabelungsdichte nötig, da Brandmelde-
und Alarmierungsanlagen, neue raumlufttechnische Anlagen sowie die
beschriebene moderne Beleuchtungstechnik integriert werden mussten.
Diese Verkabelungen sind in zusätzlichen, von unten nicht
sichtbaren Kabeltrassen im Deckenbereich montiert. Alle
Installationen im Deckenbereich der Ausstellungshalle sind, ebenso
wie die Stahl-Deckenkonstruktion in einer Sonderlackierung der
Farbe RAL 9004, signalschwarz matt ausgeführt.
Auch im Boden der Ausstellungshalle wurde die Installation erneuert. Die bauzeitlichen Edelstahlabdeckungen wurden gereinigt und wiedereingesetzt.
Kombinierte Mittelspannungs-/Niederspannungsstation in
unterirdischem Neubau
Die beiden bauzeitlichen Öltrafos mit 1.750 Kilovoltampere (kVA)
sowie die zugehörigen MS- und NS-Schaltanlagen wurden durch zwei
Trockentrafos mit je 800 kVA und einer kombinierten
Mittelspannungs- /Niederspannungsstation ersetzt, die in einen
MS-Doppelkabelring eingeschliffen ist. Der ehemalige Traforaum
beherbergt heute die Ausstellungsvorbereitung; in Erinnerung an die
bauzeitliche Niederspannungshauptverteilung, ist hier die alte,
funktionslose Schaltanlagenfront mit analogen Zeigerinstrumenten
sowie den entsprechenden Leistungsschaltern weiterhin zu sehen.
Erschwerte Installation
In klassifizierten Wänden mussten Brandschutzschotten eingebaut
werden, wobei möglichst die vorhandenen Durchbrüche in den
Bestandswänden verwendet werden sollten und zusätzlich Durchbrüche
nur in Ausnahmefällen unter Bewertung des Statikers genehmigt
wurden. Zusätzlich erschwerte die Verlegung der Trassen in fünf
Metern Höhe die kabeltechnische Erschließung samt Erstellung der
Brandschutzumhüllungen erheblich.
Da der Baukörper ursprünglich für deutlich geringere technische Installationsdichten ausgelegt war und die Bausubstanz nicht beliebig verändert werden konnte, bestanden große Herausforderungen in der fachgerechten Erschließung aller notwendigen Leitungen sowie Elektrozentralen. So musste in den Elektrozentralen das knappe Raumangebot durch eine optimale Aufstellung und der Auswahl einer neuen raumsparenden Technik genutzt werden. Am Ende der Planungsphase hatte sich außerdem durch eine Normänderung das Einplanen von Brandschutzschaltern als Vorgabe ergeben. Da zu diesem Zeitpunkt die Elektrozentralen nicht mehr vergrößert werden konnten, musste das Problem planerisch gelöst werden.
Vom Großen zum Kleinen – Querschnitt
Ausgehend von den Elektrozentralen erfolgte die Verkabelung auf
hunderten Metern Trasse, unzähligen Sammelhaltern sowie
Profilschienen. Der größte Teil der Endstromkreise war der
Verkabelung der Beleuchtung gewidmet, den Rest bildeten örtliche
Elektroanschlüsse, Schalter und Steckdosen. Auch wenn die
Ausstellungsräume nur mit der bauzeitlichen Anzahl an Steckdosen
ausgestattet sind, war der Verkabelungsaufwand auch hier sehr hoch,
was auch auf die großen Abmessungen des Baus zurückzuführen
ist.
Außenanlagen mit Strom- und Lichtversorgung
Um auch die Außenbereiche für den Museumsbetrieb nutzen zu können,
wurde die Bestandsinstallation in diesem Bereich ebenfalls ergänzt.
Dafür wurden drei Elektranten vorgesehen. Diese sind mit
Schuko-Steckdosen sowie CEE-Steckdosen 125 A bzw. 63 A
ausgestattet; zwei der Elektranten verfügen zusätzlich über
Brauchwasseranschlüsse. Die Deckel der Elektranten sind als
Aufpflaster vorgesehen, sodass sie sich in das Gesamtbild
einfügen.
Auch die Beleuchtung des Außenraums wurde erneuert. So werden die Skulpturen im Skulpturengarten nun durch integrierte LED-Bodenstrahler inszeniert. Hier wurden zusätzlich neue Bodenstrahler für die Baumbeleuchtung (Treewasher) verbaut sowie die Brunnenbeleuchtung erneuert. Um den Normen für die Beleuchtung von Flucht- und Rettungswegen gerecht zu werden, kommen Wandstrahler zum Einsatz, die mit Piktogrammleuchten gekennzeichnet sind.
Außerdem wurden die bauzeitlichen Gehäuse der beiden Hausnummernpfosten instandgesetzt und mit neuer LED-Lichttechnik ausgestattet. Gleiches gilt für die Terrassenzugänge sowie den Anlieferungsbereich. Lediglich an der Treppe in Richtung Ufer wurden komplett neue Wandleuchten verbaut. Die Straße hinter dem Skulpturengarten wird durch 32 LED-Mastleuchten mit einer Höhe von vier Metern beleuchtet, die beidseitig der Straße liegen.
Sicherheitstechnische Anlagen
Es wurden alle gängigen Sicherheitssysteme wie eine Einbruch-,
Überfall- sowie eine Brandmeldeanlage, ein elektroakustisches
Notfallwarnsystem, Fluchttürsteuerungen sowie eine
Videoüberwachungsanlage installiert. Die Kameras sind mit
verschiedenen Eigenschaften der Bilderfassung, Bewegungserkennung,
Bildspeicherung und -auswertung ausgestattet. Zusätzlich wurden für
die Sicherung und Überwachung der Kunstwerke ebenfalls modernste
sicherheitstechnische Maßnahmen ergriffen. -si
Bautafel
Architektur: David Chipperfield Architects, Berlin
Projektbeteiligte: Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin (Nutzer/in); KVL Bauconsult, Berlin (Projektsteuerung); BAL, Berlin (Bauleitung LP 6 - 8); Pro Denkmal, Berlin (Restaurierungsplanung); GSE Ingenieurgesellschaft Saar, Enseleit und Partner, Berlin (Tragwerksplanung); DS-Plan, Stuttgart (Fassadenplanung); Müller-BBM, Berlin (Bauphysik); Akustik-Ingenieurbüro Moll, Berlin (Akustik); HHP West Beratende Ingenieure, Bielefeld (Brandschutzgutachter); Topos Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung, Berlin (Landschaftsarchitektur); Création Baumann, Langenthal (Vorhänge); Gira, Radevormwald (Schalter); Ingenieurgesellschaft W33, Berlin und Domann Beratende Ingenieure, Berlin (Gebäudetechnik); Arup Deutschland, Berlin (Lichtplanung); Selux, Berlin und Mawa, Hamburg (LED-Lichttechnik)
Bauherr/in: Stiftung Preußischer Kulturbesitz vertreten durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR, Berlin
Standort: Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: Simon Menges, Berlin; Christian Martin; Ute Zscharnt und Thomas Bruns for David Chipperfield Architects
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