Besucherzentrum am Edersee
Rund 48 Meter hoch und 400 Meter lang ist das beeindruckende Ingenieurbauwerk von 1914, das das Wasser des drittgrößten Stausees Deutschlands an Ort und Stelle hält: Die Edertalsperre. Mit seinem Bruchsteinmauerwerk und den zwei aufragenden Türmchen hat es ein Gesamtvolumen von rund 30.000 Kubikmetern und einen Querschnitt zwischen 6 und 36 Metern. Seit 2014 wird das Sperrbauwerk am Abend mit 39 LED-Scheinwerfen in verschiedenfarbiges Licht getaucht – und hält damit den Weltrekord des längsten mit Farbwechslern illuminierten Bauwerks. Neu hinzugekommen ist das Besucherzentrum von Christoph Hesse Architekten.
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Entwicklung zum Erholungsgebiet
Der Edersee hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die ehemals landwirtschaftlich geprägte Gegend zu einem attraktiven Erholungsgebiet entwickelt hat: In nächster Nähe finden sich Campingplätze, Ferienwohnungen und ein höherpreisiges Hotel. Der See selbst bietet neben verschiedenen Badestellen außerdem einige Wassersportaktivitäten wie Segeln, Rudern oder Angeln. Der den See umgebende Naturpark Kellerwald-Edersee ist gut angeschlossen und über verschiedene Wander- und Fahrradwege erreichbar.
Der Erholungsfaktor, der durch das Stauwerk und den See entstand, ist jedoch eher zweitrangig. Der eigentliche Zweck des Stausees liegt darin, die Bundeswasserstraßen Oberweser und Mittellandkanal mit Wasser zu versorgen, die Unterlieger vor Hochwasser zu schützen und dient nicht zuletzt der Stromgewinnung. An die Mauersohle schließt das Speicherwasserkraftwerk Hemfurth aus den 1920er-Jahren an, das rund 20 Megawatt Strom erzeugt.
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Besucherzentrum als Treff- und Anhaltspunkt
Der Ort hat also aus vielerlei Hinsicht eine besondere Bedeutung; daher entschied sich die Gemeinde Edertal, ein neues Besucherzentrum nach Plänen von Christoph Hesse Architekten errichten zu lassen. Das Zentrum soll einerseits den anliegenden Gemeinden als Treffpunkt dienen und andererseits Reisenden einen Anhaltspunkt bieten. Das Raumprogramm umfasst eine Touristeninformation, Veranstaltungs- und Ausstellungsräume sowie verschiedene geschützte Außenräume. Das turmartige Bauwerk fungiert außerdem als Aussichtsplattform, von der aus die beeindruckende Talsperre in voller Größe und Länge betrachtet werden kann.
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Monolithischer, skulpturaler Baukörper
Der Baukörper wirkt archaisch und erinnert in seiner Struktur an Tempelarchitekturen: Die Komposition besteht aus einem zentralen Hochpunkt, flankiert von zwei Treppenläufen, die zur Aussichtsplattform führen. Die einseitig konische Form des Turms leiteten die Beteiligten vom Querschnitt der Sperrmauer ab. Auch bei der Materialität nahmen die Planer*innen Bezug auf die Edertalsperre und nutzten passend zum Bruchsteinmauerwerk graubraun nuancierte Handformklinker für die Fassade – in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Der Innenraum ist über eine zentrale Cortenstahl-Tür im Erdgeschoss des Turms betretbar – auf die ein genauerer Blick lohnt: Eine gusseiserne Skulptur von „Mutter Natur“ ersetzt einen konventionellen Türgriff und soll an das Naturwelterbe Nationalpark erinnern.
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Im Foyer angekommen, zeigt sich die volle Höhe des Turms. Ein Oberlicht lässt Licht bis nach unten einstrahlen und verleiht dem Raum eine stimmungsvolle Atmosphäre. Diese unterstützen außerdem die gewählten Oberflächenmaterialien: Der graue Edelstrukturputz ergibt eine Textur, die an Naturstein erinnert, während der dunkelgraue, glatte Spachtelboden teilweise das Licht reflektiert. Dazu korrespondieren Einbauten aus Eichenholz – darunter die Holzbänke, die dazu einladen, zu verweilen und die Dimensionen des Raums auf sich wirken zu lassen. An das Foyer angeschlossen ist ein offener, multifunktionaler Bereich, der Touristeninformation, Souvenirshop sowie die Kasse für die Ausstellung im Untergeschoss aufnimmt. Darüber hinaus findet sich für die Angestellten ein abgeschlossener Personalbereich. Durch die großformatigen Panoramafenster können Besucher*innen die Talsperre studieren und die bewachsenen Hügel des Nationalparks bewundern.
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Stromversorgung
Das Speicherwasserkraftwerk Hemfurth II liegt an der Mauersole
der Sperrmauer und erzeugt rund 20 Megawatt Strom. Unterstützend
wurde 1932 das größere Kraftwerk Waldeck I in Betrieb genommen. Die
Anlage verfügt über vier Maschinensätze mit Francis-Spiralturbinen
und Drehstrom-Synchrongeneratoren, die jeweils 36.000 kVA
leisten.
Neben der Stromerzeugung dient das Sperrbauwerk außerdem dem
Hochwasserschutz und sichert zudem bis heute die Wasserversorgung
der Weser und des Mittellandkanals in den Sommermonaten. Zum
100-jährigen Jubiläum 2014 wurden 39 über Datenkabel verbundene
LED-Scheinwerfer in den oberen Auslässen angebracht, die das
Bauwerk jeden Abend mit farbigen Lichtern inszenieren. Es hält
damit den Weltrekord des „längsten, dauerhaft mit Farbwechsel
illuminierten Bauwerks“.
Der Strombedarf des Besucherzentrums wird durch das
Speicherwasserkraftwerk Hemfurt II gedeckt: Darunter die
Multimedia-Ausstellung und die Beleuchtung. Die gewählten Schalter
und Steckdosen sind optisch reduziert und nehmen sich innerhalb der
Gestaltung zurück.
Bautafel
Architektur: Christoph Hesse Architekten, Korbach / Berlin
Projektbeteiligte: Dipl.-Ing. Martin Gernandt, Korbach (Tragwerksplanung); Götte Heizungs- und Sanitärbau, Bad Arolsen (TGA-Planung); Klinkerbau Göllner, Altenbeken (Fassadentechnik); Bechter Licht, Hittisau/Österreich (Lichtplanung innen); BEGA Gantenbrink-Leuchten, Menden (Lichtplanung außen); Rössner Akustik- und Trockenbau, Waldeck (Akustikplanung); Rainer Stolle Garten- und Landschaftsbau, Lichtenfels (Landschaftsarchitektur); GOTech Gebäudeoptimierung, Waldeck (Energieplanung und -beratung); Neumann Krex & Partner, Kassel (Brandschutz); URBANSCREEN, Bremen (Ausstellung); Wanzl, Leipheim (Technische Ausstattung); Fisseler, Korbach (Vermessung); buck Vermessung, Kassel (Vermessung); Erde + Boden Mitteldeutschland, Schwalmstadt (Bodengutachter); Jung, Schalksmühle (Schalter und Steckdosen)
Bauherr*in: Gemeinde Edertal
Standort: Zur Sperrmauer 66, 34549 Edertal
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Christoph Hesse Architekten, Korbach/Berlin; Laurian Ghinitoiu; Michael Meschede / mm-fotowerbung; Vandersanden
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