Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen in Salez
Konstruktiver Rhythmus und lichte hohe Räume
Wo der Rhein die Grenze zu Liechtenstein bildet, liegt das kleine Dorf Salez im Schweizer Kanton St. Gallen. Die Landschaft ist dünn besiedelt. Einzelne Höfe und verstreute Ortschaften wechseln sich ab, umgeben von Feldern und den umliegenden Bergketten der Alpen. Etwas außerhalb des Dorfes erstreckt sich ein langer Gebäuderiegel in Holzbauweise: das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen.
Gallerie
Gemeinsam mit einer bestehenden Werkshalle im Norden und einem Verwaltungsgebäude im Westen fasst der Baukörper mit L-förmigem Grundriss einen großzügigen Hof. Er beherbergt Unterrichtsräume für die landwirtschaftliche Berufsbildung und ein Seminarzentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste. Die beiden Nutzungen verteilte der in St. Gallen ansässige Architekt Andy Senn geschickt auf einen dreigeschossigen Trakt mit Gästezimmern und den deutlich längeren zweigeschossigen Gebäudeteil mit Unterrichtsräumen. Aufgrund einer gleichbleibenden Traufhöhe und dem regelmäßigen konstruktiven Raster erhält das Landwirtschaftlichen Zentrum ein ruhiges und doch lebendiges Erscheinungsbild.
Imposante Raumhöhen von 4,40 Metern
Der dreigeschossige Gebäudeschenkel schließt in nordwestliche
Richtung an und beinhaltet 28 Doppelzimmer. Am Anfang und am Ende
des langen Riegels liegen Eingänge, dem Hof zugewandt und zum
Schutz vor Witterung etwas zurückversetzt. Wer das Gebäude betritt,
blickt durch große Fenster in südliche Richtung auf weitläufige
Rheintal. Im Foyer am südöstlichen Kopf ist eine hölzerne Skulptur
der Künstlerin Elisabeth Nembrini von der Decke abgehängt.
Von dort werden der lichtdurchflutete Speisesaal der Mensa, die Aula mit überdachter Terrasse, Seminar- und Unterrichtsräume erschlossen. Diese orientieren sich zu den Feldern, während die Schulküche, der Hauswirtschaftsraum, die Metall- und Holzbearbeitungswerkstätten, ein Melktechnikraum, die Schlachtanlage und die Schulkäserei zum Hof angeordnet sind. Die Deckenhöhe beträgt hier 4,40 Meter. Eine frei auskragende Holztreppe führt vom Foyer zu weiteren Schulungsräumen im Obergeschoss, die beidseitig belichtet sind.
Gründung mit Stahlbetonpfählen
Der Baugrund ist geprägt durch wenig tragfähige Schichten aus Schwemmsand und Seeablagerungen sowie einen Grundwasserspiegel, der im Extremfall die Geländeoberfläche erreicht. Das Gebäude ist daher auf insgesamt 260, rund 15 bis 20 Meter lange vorfabrizierte Stahlbetonpfähle gegründet. Das Untergeschoss und die Bodenplatte des Erdgeschosses sind in Stahlbeton ausgeführt. Die Tragstruktur der Obergeschosse ist – mit Ausnahme der Holz-Beton-Verbunddecken – eine reine Holzkonstruktion. Künftige Anpassungen an geänderte Raumanforderungen lassen sich dadurch gut realisieren.
Holzskelettbauweise für große Spannweiten
Der zweigeschossige Gebäudeteil mit den Lehrräumen ist ein Holzskelettbau. Insgesamt vier Stützenreihen, jeweils eine entlang der Fassade und zwei in der Mitte des Gebäudes, übertragen die Lasten auf die Bodenplatte. Ein Stützenabstand von 2,14 Metern rhythmisiert und bestimmt die Tragstruktur. Die im Raster der Stützen angeordneten Deckenbalken spannen über 8,50 Meter; mit der darüber angeordneten dünnen Ortbetonplatte wirken sie als Holz-Beton-Verbunddecke. So werden die Tragfähigkeit und Steifigkeit der Holzträger erhöht, der Beton sorgt für guten Schallschutz. Laubengänge vor den Fassaden im Süden und Westen dienen als Sonnenschutz. Ihr Stützenraster orientiert sich an der Fassadengestaltung. Das Dach ist ausschließlich in Holzbauweise ausgeführt.
Der dreigeschossige Trakt hingegen ist in Elementbauweise errichtet. Bedingt durch die Größe der Gästezimmer waren relativ kleine Spannweiten erforderlich – so wurden vorgefertigte Brettsperrholzplatten aus gekreuzt angeordneten, verklebten Brettern eingesetzt. Die Decken sind ebenfalls im Holz-Beton-Verbund ausgeführt, jedoch als Flach- und nicht als Balkendecken.
Eichenholz, Fichtenholz und natürliche Belüftung
Die umlaufenden Laubengänge sind am Vordach aufgehängt. Sie sind teilweise der Witterung ausgesetzt und deshalb aus Eichenholz gefertigt. Für alle anderen Teile der Tragkonstruktion kam Fichtenholz zum Einsatz. Größtenteils wurde Holz aus den Wäldern des Kantons St. Gallen verarbeitet. Die bauliche Struktur ist im Innern ebenfalls wahrnehmbar.
Das Gebäude wird über eine Holzschnitzelanlage mit Holz aus der Region beheizt. Auf dem Flachdach des Neubaus ist eine Photovoltaikanlage installiert; sie deckt rund 60 Prozent des Strombedarfs. Gute Tageslichtverhältnisse innerhalb des Gebäudes, schadstoffarme Werkstoffe und Baumaterialien sowie ein guter Schallschutz sorgen für ein gesundes Raumklima.
Bewusst verzichtet wurde auf eine Gebäudeautomation, auf Lüftungsanlage oder Klimaanlage, um Energie und Unterhaltskosten zu sparen. Zum Vorbild wurde das Lüftungsprinzip alter Ställe. Für die Querlüftung des Erdgeschosses wurden Lüftungsschächte eingesetzt; die Klassenzimmer haben jeweils zwei Schächte. Bei einer großzügigen Raumhöhe von 4,40 Metern soll auch auf längere Zeit frische Luft in den Räumen erhalten bleiben.
Bautafel
Architektur: Andy Senn Architekt, St. Gallen
Projektbeteiligte: Merz Kley Partner, Dornbirn (Tragwerksplanung); Mettler Landschaftsarchitektur, Berlin (Landschaftsarchitektur); Elisabeth Nembrini, Rappen (Kunst am Bau)
Bauherr: Hochbauamt Kanton St.Gallen
Fertigstellung: 2019
Standort: Rheinhofstrasse 11, 9465 Salez
Bildnachweis: Seraina Wirz, Zürich
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