Kantine École Voltaire in Berlin
Statisch und akustisch wirksame Massivholzdecken
Voltaire, der einflussreiche Philosoph und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, ist Namenspatron der traditionsreichen französischen Grundschule in Berlin. Zuvor im Bezirk Reinickendorf gelegen, zog die Lernstätte nach Tiergarten an die zentral gelegene Kurfürstenstraße um, in einen Altbau in Blockinnenlage mit Nähe zum Französischen Gymnasium. Die Kantine École Voltaire wurde als Ergänzung zum Bestand neu errichtet. Hier können die Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal unter dem Motto „Picknick mit Voltaire“ ihre Mittagspause verbringen. Der Neubau ist das Ergebnis eines Wettbewerbs aus dem Jahr 2012, bei dem das Büro Martin Schmitt Architektur den ersten Platz belegte.
Gallerie
Ursprünglich schirmte eine geschlossene Blockrandbebauung das
historische Schulgebäude von der Kurfürstenstraße ab. Diese wurde
jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg in großen Teilen beschädigt. In
der daraus resultierenden Baulücke entstand eine Grünfläche mit
dichtem Baumbestand, Schulhof und Sportplatz, in deren Kontext sich
nun die frei stehende Mensa einfügt. Das Gebäude grenzt mit seiner
Schmalseite an die Straße und ist leicht hinter die Bauflucht
zurückgesetzt, sodass die Bäume stehen bleiben konnten. Der Eingang
liegt der Kurfürstenstraße ab- und dem Schulgebäude im Blockinneren
zugewandt.
Aus vier Gebäudeteilen zusammengesetzt
Auf dem 28 m langen und 14,35 m breiten Baufeld sind vier
unterschiedlich hohe, ein- bis zweigeschossige Gebäudevolumen
zusammengefügt. In Kombination mit Pultdächern und leicht
geknickten Fassaden, die mit einer filigranen Holzverkleidung
versehen sind, entsteht ein lebendiger Gesamteindruck.
Die besondere Gebäudeform ergibt sich vor allem aus der Binnenorganisation. Sämtliche Funktionsräume wie Küche, Spülküche, Lager-, Kühl- und Personalräume sind entlang der Westseite der Kantine angeordnet. Ihre Lage lässt sich anhand der Fassadenform erahnen. Vom überdachten Eingang an der nordöstlichen Gebäudeecke leitet ein großzügiges Foyer mit angegliedertem Sanitärbereich in den Speisesaal über, der sich im Erdgeschoss auf 200 Quadratmetern über drei Gebäudeteile erstreckt und Platz für mehr als 120 Kinder bietet. Der Raum kann zusätzlich auch für andere Veranstaltungen genutzt werden.
Sichtbare Leimholzträger
Bodentiefe Verglasungen geben den Blick aus dem Speisesaal zum
Schulhof frei. Im mit 7,20 m höchsten Gebäudeteil befindet sich
eine Galerieebene, die den Essbereich der Lehrenden von dem der
Kinder separiert, aber zugleich die Sichtverbindung zwischen ihnen
aufrechterhält. Insgesamt hat die Kantine eine Bruttogrundfläche
von 490 Quadratmetern. Die Innenräume werden durch die
unterschiedlich hohen Dächer gegliedert und zusätzlich über
Oberlichter mit viel Tageslicht versorgt. Wände und Decken sind
überwiegend weiß gehalten. Auch alle Holzelemente wie die
sichtbaren Leimholzträger, Deckenbekleidungen und Fensterrahmen
sind weiß lasiert. Dazu kontrastieren einige farbig akzentuierte
Wände, die zum Teil mit Kreide bemalt werden können. Getreu dem
Gestaltungsmotto wurden einige Wände mit Illustrationen versehen,
die einen Bezug zum Philosophen Voltaire herstellen.
Wände in Holzrahmenbau mit Pappelholzfassade
Sämtliche
Wände der Mensa sind in Holzrahmenbauweise errichtet. Diese eignet
sich gut für das kleinteilige Raumprogramm und eine gleichermaßen
kostengünstige wie hochwertige Umsetzung des Bauvorhabens. Die
Zwischenräume des 24 cm tiefen Ständerwerks der Außenwände sind mit
einer Zellulosewärmedämmung ausgefacht und an der Innenseite mit
OSB-Platten und einer Lage Gipskarton verkleidet. An die Außenseite
sind diffusionsoffene feuchtebeständige Holzfaserplatten
angebracht, darauf die Holzunterkonstruktion (25 x 25 mm) mit einer
Fassadenbekleidung aus vertikalen Pappelholzlamellen (40 x 60
mm).
Die Lamellen aus Pappelholz sind mit variierenden Abständen von 20 bzw. 40 mm montiert. Durch eine Hitzebehandlung sind sie besonders langlebig. Für die Fenster wurden Holz-Aluminiumprofile und Laibungsverkleidungen gewählt, die außen anthrazitfarben und innen weiß lasiert sind. Hinter die Fassadenbekleidung ist ein außen liegender Sonnenschutz integriert.
Statisch und akustisch wirksame Massivholzdecken
Im
Bereich des Speisesaals, der Galerie und des Foyers wurden die
Dächer aus tragenden Massivholzfertigteilen gefertigt. Sie bestehen
aus Brettsperrholz-Rippenelementen mit einer statischen Höhe von
222 mm. Die Unterseite besitzt eine Holzoberfläche aus hochwertiger
Weißtanne, die durch einen integrierten Schallabsorber auch
akustisch wirksam ist. Oberseitig besteht der Aufbau aus einer
Dampfsperre und 200 mm wärmedämmendem Polystyrol-Partikelschaum mit
darüberliegender Bitumendachbahn und 130 mm Gründachaufbau.
In den Funktionsbereichen wählten die Planer für das Dach eine Pfettenkonstruktion mit Abhangdecken aus Gipskarton. Diese sind an die Dachbalken (60 x 200 mm) montiert. OSB-Platten auf den Trägern dienen zugleich als Dampfsperre und Aussteifung. Der übrige Aufbau setzt sich ebenfalls aus 200 mm Wärmedämmung mit Bitumenabdichtung und Gründachaufbau zusammen. An die 160 mm starke Massivholzdecke der Galerieebene wurden mit 150 mm Abstand holzsichtige Akustikelemente montiert. An der Oberseite befindet sich ein Fußbodenaufbau aus 30 bzw. 33 mm Trittschalldämmung, 65 mm Heizestrich und einem Linoleumbelag. Dieser wurde auch als Bodenbelag im Erdgeschoss verwendet.
Die Kantine École Voltaire der französischen Schule wurde 2015 mit dem Iconic Award für innovative Architektur ausgezeichnet. -ik
Bautafel
Architektur: Martin Schmitt Architektur / Kommunikation im Raum, Berlin
Projektbeteiligte: Kastor Holzbauwerk, Wiebelsheim (Generalunternehmen); Bernhard Güth, Rennerod (Statik); Peter Stanek. Berlin (Brandschutz); Ingenieurgesellschaft Hartmann mbH, Bell (TGA); Ute Mang, Berlin (Kunst am Bau, Wandgestaltung); Re-elko, Hofheim im Taunus (Thermoholz Pappel); Lignotrend, Weilheim-Bannholz (Holzedecken mit Akustikprofil)
Bauherrschaft: Agence pour l'enseignement français à l'étranger (AEFE), Paris
Standort: Kurfürstenstraße 53, 10785 Berlin
Fertigstellung: 2014
Bildnachweis: Axel Hartmann, Köln
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