Kindergarten in Algund
Leimfreier Massivholzbau mit Wärmepumpe und Photovoltaik
In Algund, eine Nachbargemeinde von Meran in Südtirol, spricht man zwar mehrheitlich Deutsch, es gibt jedoch auch einen nicht unerheblichen Anteil an Italienisch sprechenden Menschen. Der dort in den 1970er-Jahren von dem Architekten Willy Gutweniger geplante, ursprünglich nur für deutschsprachige Kinder eingerichtete Kindergarten wurde im Laufe der Jahre mehrmals erweitert, wodurch unter anderem Platz auch für italienische Gruppen geschaffen wurde. Jüngst wurde das Ensemble erneut vergrößert. Das Wiener Architekturbüro feld72 entwarf einen zeitgemäßen Anbau in ökologischer Bauweise, der über eine Geothermie-Wärmepumpe beheizt und gekühlt wird.
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Der originale Entwurf von 1976 orientiert sich bereits in seiner Maßstäblichkeit an den Kindern. Er zeichnet sich durch mehrere eingeschossige Baukörper mit flachen, asymmetrischen Satteldächern aus, umgeben von einem weitläufigen Garten mit altem Baumbestand, unweit des Dorfzentrums in einer beruhigten Wohnzone. Beim jüngsten, nordöstlich anschließenden Erweiterungsbau haben die Architekt*innen im Dialog mit der Gemeinde und den Nutzer*innen das Prinzip der ökologischen Bauweise konsequent weitergedacht und geschärft: Er wurde als leimfreier Massivholzbau ohne zusätzliche Dämmung umgesetzt. In der Außenansicht setzt sich der Anbau aus mehreren leicht zueinander versetzten Volumen mit Schrägdach sowie einem Baukörper mit Flachdach zusammen.
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Die Außenwände bestehen aus kreuz- und lagenweise, flach angeordneten und miteinander vernagelten Nadelholzbrettern. Luftpolster, die durch die eingefrästen Nuten entstehen, verbessern den Dämmwert der Wand erheblich. Eine vorgehängte Holzschalung aus Lärchenbrettern, die vor Ort mit einem mit dunklen Farbpigmenten versetzten, schadstofffreien Leinöl gestrichen wurde, bildet die äußere Hülle. Der Flachdachbaukörper ist mit einer hellen, unbehandelten Lärchenbretterschalung bekleidet und setzt sich damit auch farblich ab. Leimfreie Massivholzdecken mit einer ökologischen Holzfaserdämmung schließen die Räume nach oben ab.
Verbindende Raumkonfiguration
Durch den Um- und Anbau verfügt das Kindergartengebäude nun über zwei gleichwertige Zugänge im Westen und im Norden. Ein kleiner Mehrzwecksaal, der auch als Speiseraum genutzt wird, bildet dabei die Schnittstelle zwischen Bestand und Neubau. Im oberen Stockwerk befindet sich analog zum Erdgeschoss ein weiterer flexibel nutzbarer Saal, außerdem weitere Gruppenräume, Besprechungsräume für die Pädagog*innen sowie ein Ruheraum und eine Holzwerkstatt. Funktionsüberlappungen sollen als Begegnungszonen bewusst die Kommunikation fördern, insbesondere zwischen den unterschiedlichen sprachlichen Gruppen.
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Natürliche Innenraumatmosphäre
Auch im Inneren dominiert Holz: Die Böden bestehen – bis auf die höher beanspruchten Erschließungsbereiche aus geschliffenem Betonestrich – aus unbehandelten, massiven Lärchenbrettern mit einem Unterboden aus einem ökologischen Trockenbausystem. Die Wandverkleidungen sind aus Weißtanne gefertigt, die Gipsoberflächen mit Kalkfarbe behandelt. An den Decken kommen Akustikpaneele aus unbehandelter Weißtanne zum Einsatz. In den Erschließungsbereichen sind aus Brandschutzgründen Gipskarton-Akustikdecken verbaut. „Diese ökologische Konsequenz und das prozesshafte Entwickeln“, betonen die Planer*innen von feld72, „sind noch weit von einem allgemein replizierbaren Standard entfernt und verlangen ein abgestimmtes Zusammenspiel von Politik, Architekt*innen, Nutze*rinnen, Fachplaner*innen bis zu den ausführenden Betrieben vor Ort.“
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Umweltfreundliche Wärme und Kälte
Auch bei der gebäudetechnischen Ausstattung spielte die ökologische Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle. Das Bozener Planungsbüro Energytech entwickelte ein Konzept, mit dem das gesamte Ensemble beheizt und gekühlt wird und das in Bezug auf den Neubau den Anforderungen der Klasse KlimaHaus A (CasaClima) entspricht. Ein Gebäude dieser Klasse ist ein NZEB-Gebäude (Nearly Zero Energy Building) mit einem Heizenergiebedarf unter 30 kWh/m²a. In der Provinz Bozen ist dies seit 2017 als Mindeststandard definiert. Dafür wurde die bestehende Heizzentrale durch eine reversible Sole/Wasser-Wärmepumpe ersetzt, die das gesamte Ensemble versorgt. Trotz der beengten Verhältnisse auf dem Bestandsareal wurden dafür 16 Geothermiebohrungen mit einer Tiefe von jeweils 100 m vorgenommen. Die Wärmepumpe hat eine thermische Nennleistung von 85 kW im Winter. Die Heizwärme wird über Fußbodenheizungen an die Räume übergeben. Warmwasser wird mittels einer Frischwasserstation bereitet, wobei ein 2.000 l großer Pufferspeicher die Spitzenlastabdeckung sicherstellt.
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Mit dem System ist im Sommer auch ein Kühlbetrieb möglich, der in den Übergangsmonaten passiv im Free-Cooling-Modus und im Sommer aktiv über die Wärmepumpe erfolgt. Die Kälte wird allerdings nicht wie üblich über die Fußbodenheizung an den Raum übergeben – da die Kinder auf dem Boden spielen, wurde dies als nicht komfortabel eingestuft. Stattdessen hat man zur Kühlung Umluftkonvektoren installiert, die in die Einbauten integriert sind. Ein 1.000 l fassender Pufferspeicher unterstützt die Heizung und die Kühlung. Der Strombedarf für die Wärmepumpe wird größtenteils durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach mit einer installierten Leistung von rund 40 kWp abgedeckt. -tg
Bautafel
Architektur: feld72 Architekten, Wien
Projektbeteiligte: Baubüro Ingenieurgemeinschaft, Bozen (Bauleitung); Pfeifer Partners, Eppan (Statik); Energytech, Bozen (Bauphysik, Haustechnik, Brandschutzplanung und Elektro); Archiviva, Meran (Lichtplanung); Archacustica (Akustik)
Bauherr*in: Gemeinde Algund
Fertigstellung: 2022
Standort: Hermann von Stenizer Str. 4, 39022 Algund, Italien
Bildnachweis: David Schreyer, Wörgl
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