Bibliothèque du Boisé in Montreal
Nachhaltigste Bücherei Kanadas mit Wärmepumpe und Sonnenheizung
Zwar dominieren Hochhäuser die Skyline von Montreal, doch mitten in der kanadischen Millionenstadt finden sich auch zahlreiche Grünflächen und ökologisch wertvolle Naturschutzgebiete. Im Stadtteil Saint-Laurent – der größten Industriezone des Landes – liegt als grüne Lunge der Park Marcel-Laurin mit seinem bedeutenden Baumbestand. An seinem südöstlichen Rand entstand entlang einer verkehrsreichen Straße ein Bibliotheksneubau mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen nach Plänen der Architektengemeinschaft Cardinal Hardy - Labonté Marcil - Eric Pelletier.
Gallerie
Für den Entwurf der 5.000 Quadratmeter großen Bibliothèque du Boisé gab das angrenzende Naturschutzgebiet entscheidende Impulse. Bereits deren Namensgebung ist vom Wald inspiriert: „boisé“ bedeutet „mit Bäumen bewachsen, bewaldet“. Ziel war es, den Baukörper als eine Art Brücke zwischen Stadt und Natur harmonisch in die Umgebung zu integrieren und ihm gleichzeitig ein unverwechselbares Erscheinungsbild zu geben. Die Architekten realisierten die Gebäudehülle in Form eines gläsernen Prismas, das mit einer dunklen, holzverkleideten „Kappe“ bedeckt ist, die analog zur Landschaft in Wellen verläuft. Die großen Glasfronten lassen die öffentlichen Räume auf der von der Straße abgewandten Seite scheinbar nahtlos in das angrenzende Wäldchen übergehen und eröffnen abwechslungsreiche Ausblicke auf das Grün. Zu Straßenseite wechseln sich gläserne und mit hellem Naturstein verkleidete Flächen ab.
Der Neubau gliedert sich in zwei Teile, einen südwestlich
gelegenen mit zwei oberirdischen Geschossen sowie einen nordöstlich
gelegenen mit einem Erd- und einem Untergeschoss, das als Depot für
Exponate des kunsthandwerklichen Museums der Provinz Quebec dient,
die im eigentlichen Museum keinen Platz mehr fanden. Darüber liegen
der Servicebereich sowie eine Galerie. Im erstgenannten Abschnitt
gruppieren sich auf beiden Ebenen rund um das Foyer offene Flächen
mit Bücherregalen und Computerarbeitsplätzen sowie
Veranstaltungsräume. Ein Café im Parterre mit vorgelagerter
Terrasse bildet einen Übergang zur Natur; eine breite Freitreppe
mit sehr tiefen, holzverkleideten Stufen und Sitzgelegenheiten
führt von der Straße aus Südosten kommend auf das Dach der
eingeschossigen Gebäudemitte. Von dort gelangen Spaziergänger über
eine rückwärtige Passerelle direkt bis in den Park hinein. Somit
stellt der Bau nicht nur symbolisch, sondern auch baulich eine
Brücke zwischen Kultur und Natur dar.
Das Dach ist mit dunkel gebeizten Hölzern verschalt. Die
Unterseite der Dachüberstände wurde hingegen mit einer hellen,
markanten Holzlattung bekleidet, die sich im Inneren fortsetzt. Das
Holz stammt aus nachhaltiger Forstwirtschaft und fand auch für das
Mobiliar der Bücherei Verwendung. Weitere Materialien sind
Sichtbeton, beispielsweise an den Treppenwangen, heller Naturstein
und dunkelgraue, schallschluckende Teppichfliesen in den
Lesebereichen. Durch die großen Fenster erhalten 75 Prozent der
Gebäudefläche Tageslicht, wozu ein zentral ins Dach eingebettetes
Oberlicht noch beiträgt.
Heizung
Die Bibliothek wurde 2015 mit dem kanadischen
Nachhaltigkeitszertifikat LEED (Leadership in Energy and
Environmental Design) in der höchsten Kategorie Platinum
ausgezeichnet und gilt als nachhaltigstes Gebäude dieser Baugattung
Kanadas. Für Raumwärme und warmes Trinkwasser sorgt eine
Sole/Wasser-Wärmepumpe, die über Erdsonden im Erdreich gespeicherte
Wärme anzapft und auf ein höheres Temperaturniveau bringt.
Ergänzend kommt eine passive Sonnenheizung hinzu. Warme Luft, die
im Glasanbau des Atriums auf natürlichem Weg durch die
Solareinstrahlung entsteht, wird der Wärmepumpenanlage zugeführt,
was ihre Effizienz erhöht. Betrieben wird die Heizungsanlage durch
zugekauften Ökostrom.
Auch die restliche Gebäudetechnik setzt auf Nachhaltigkeit. Wo künstliche Beleuchtung nötig ist, sind LED-Leuchten im Einsatz. Bewegungsmelder steuern die Leuchten und sparen so Strom. Niederschlagswasser vom Dach wird gesammelt und in ein naheliegendes Feuchtgebiet geleitet. Im Rahmen der Gestaltung der Außenanlagen wurden hundert Bäume und rund 5.000 Sträucher neu gesetzt.
Bautafel
Architekten: Cardinal Hardy* - Labonté Marcil - Eric Pelletier* Architectes (*heute Lemay), Montreal
Projektbeteiligte: SDK et Associés, Montreal (Tragwerksplanung), Leroux Beaudoin Hurens et Associés, Montreal (Fachplaner TGA Elektro), Davidson & Associés, St. Sauveur (Fachplaner Akustik), Pomerleau, Montreal (Bauunternehmer)
Bauherr: City of Montreal, Borough of St-Laurent
Fertigstellung: 2013
Standort: 2727 Boulevard Thimens, Saint-Laurent, QC H4R 1T4, Kanada
Bildnachweis: Yien Chao, Doublespace photography, Montreal
Fachwissen zum Thema
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