Integrierte Gesamtschule in Rinteln
Klimaneutrale Wärmeversorgung für Holzbau
Südlich des historischen Stadtkerns der niedersächsischen Stadt Rinteln hat der Landkreis Schaumburg einen Neubau für eine Integrierte Gesamtschule (IGS) errichtet, mit dem mehrere Schulstandorte der Stadt zusammengeführt werden. Das Gebäude nach Plänen von Bez+Kock Architekten besitzt eine klar strukturierte Grundrissorganisation, dessen ruhige Atmosphäre außen wie innen vom Material Holz bestimmt wird. Wichtig für das Thema Nachhaltigkeit war auch das Energiekonzept, bei dem für die Heizung ein Primärenergiefaktor von 0,00 für die 9.315 Quadratmeter große Geschossfläche veranschlagt ist.
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Der Schulneubau befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Gymnasium Ernestinum, ein zweigeschossiger und für seine Entstehungszeit im Jahr 1975 typischer Schulkomplex mit Waschbetonfassade, und ist so platziert, dass zwischen beiden Gebäuden ein gemeinsamer, geschützter Schulhof entsteht, der baulich wie organisatorisch zu vermitteln sucht. Dem 112 Meter langen Neubau gelingt dies durch eine großzügige, transparente Eingangszone an der Südseite – Schulstraße genannt – die über die gesamte Gebäudelänge verläuft und als Pausenbereich und Kommunikationsfläche fungiert. Davor dient eine Art Kolonnadengang aus Holzstützen als niederschwelliges Entrée in das helle und einladende Schulhaus.
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Pädagogisches Raumkonzept
Die Gestalt des Baukörpers ergibt sich im Grunde aus der schulischen bzw. pädagogischen Organisation in sogenannte Lernhäuser. Dabei werden alle Klassen eines Schuljahrgangs so zusammengefasst, dass jeder Jahrgangsbereich für sich wie eine eigenständige, kleine Schule in einem Gesamtsystem funktioniert. Daraus ergibt sich die bauliche Basis einer U-Form mit jeweils fünf Klassenzimmern, einem Gruppenraum, einem Lehrerzimmer sowie einer Mitte, in der sich Schüler und Lehrer informell treffen können. Durch Addition dieser U-Form und der gleichzeitigen Verknüpfung der Bereiche untereinander werden nun verschiedene Cluster in einem räumlichen Netzwerk gebildet. So besteht im Erdgeschoss der zentrale Block aus zwei U-Formen für die Fachklassen und einem Konferenzbereich. Um das Doppel-U legt sich um 180 Grad gedreht ein drittes, langgestrecktes U mit den weiteren Fachbereichen und der Verwaltung. Verbunden sind alle Bereiche über die Schulstraße.
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Reduzierter Materialkanon
Das gesamte Gebäude ist als nachhaltiger, demontierbarer Massivholzbau aus Lärche mit Holz-Beton-Verbunddecken in Holzrahmenbauweise errichtet, wodurch ein hoher Vorfertigungsgrad möglich war. Nahezu alle wesentlichen Bauteile aus Holz bleiben außen wie innen sichtbar. Der Rohstoff ist also initialer Bestandteil des Gestaltungskonzepts, was durchaus als Reaktion auf den benachbarten Waschbetonbau gesehen werden kann. So wird auch die Raumatmosphäre im Wesentlichen von dem Naturmaterial bestimmt. Als Bodenbelag kommt in fast allen Klassenzimmern, den Gemeinschaftsbereichen und den Fluren der Obergeschosse dunkelgrüner Kautschuk-Noppenboden zur Ausführung, alle anderen Bereiche sind mit quadratischen und polierten Betonwerksteinplatten belegt. Der grob gewebte, ziegelfarbene Stoff der textilen Sonnenschutzrollos schließt den Materialkanon ab.
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Nachhaltiger Bau und Betrieb
Für den Bau des Gebäudes mit einer Geschossfläche von 9.315 m² verteilt auf zwei Stockwerke und einem Raumvolumen von 35.000 m³ wurden 2.815 m³ Holz eingesetzt, demgegenüber jedoch nur 2.650 m³ Beton, vornehmlich für die Gründung und die Erdgeschoss-Bodenplatte sowie die HVB-Decken. Geplant und gebaut wurde die Schule nach KfW-55-Standard – wobei für die Beheizung ein Primärenergiefaktor von 0,00 erreicht wird. Ermöglicht wird das durch den Anschluss an ein Nahwärmenetz im Verbund mit dem Gymnasium Ernestinum, dem städtischen Hallenbad, der Kreissporthalle sowie der Berufsschule in der Nähe. Gespeist wird das Nahwärmenetz von einem benachbarten, landwirtschaftlichen Betrieb, bei dem eine mit Biogas betriebene Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage steht. Dort liegt ein Zertifikat vor, in dem der Primärenergiefaktor fp = 0,00 sowie die Einhaltung der Anforderungen an das EEWärmeG ausgewiesen ist. Die Übergabe der Wärme an die Räume erfolgt im Bereich der Verkehrsflächen über eine Fußbodenheizung. Die anderen Räume werden über Konvektorheizungen erwärmt, die den Vorteil mit sich bringen, dass die Luft sich über Konvektion schneller erwärmt.
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Die Lüftungsanlage für das Atrium, die Toiletten, die Küche und teilweise auch für die Technikräume ist mit einer effizienten Wärmerückgewinnung ausgestattet und zusätzlich ebenfalls an die Wärmeversorgung angeschlossen. Die meisten Räume werden jedoch natürlich be- und entlüftet, im Sommer sogar über eine natürliche Nachtauskühlung, wobei die Zuluft automatisch über die Oberlichter der (vertikalen) Fenster und die Abluft über die Oberlichter in den Flurdächern erfolgt. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach schließlich erzeugt rund 176.000 kWh, wodurch der prognostizierte Jahresstromverbrauch von ca. 200.000 kWh fast vollständig gedeckt wird. Mit all diesen Maßnahmen ist künftig ein günstiger und vor allem regenerativer Betrieb des Gebäudes gesichert. -tg
Bautafel
Architektur: bez+kock architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Reich und Hölscher Ingenieurbüro, Bielefeld (HLS); Ernst2 Architekten, Hannover (örtliche Bauleitung); pmd Gesellschaft für Projektmanagement, Düsseldorf (Projektsteuerung); Wetzel und von Seht, Hamburg (Tragwerk); Ingenieurbüro Schröder und Partner, Bielefeld (Elektro); ISRW Dr.-Ing. Klapdor, Bielefeld (Bauphysik); Büro für Freiraumplanung Christine Früh, Hannover (Landschaftsarchitektur)
Bauherr*in: Landkreis Schaumburg, Stadthagen
Fertigstellung: 2021
Standort: Paul-Erdniß-Straße 1a, 31737 Rinteln
Bildnachweis: Marcus Ebener, Berlin; bez+kock architekten, Stuttgart
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