Kunstmuseum in Ravensburg
Betonkernaktivierung, Gas-Absorptionswärmepumpe und Lüftung mit WRG
Als wäre es schon immer da gewesen, fügt sich das neue Kunstmuseum Ravensburg wie selbstverständlich in das historische Umfeld der Altstadt am Burgberg der Veitsburg. Es ist das weltweit erste Museum im Passivhaus-Standard. Geplant wurde es von den Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei aus Stuttgart, die den im Jahr 2009 ausgelobten Wettbewerb gewonnen hatten. „Erst kommt die Stadt, dann das Haus“ war ihr Leitsatz beim Entwurf des Gebäudes; die Frage, wann es entstanden ist, finden sie uninteressant. Und so ähnelt das Museum mit seiner Fassade aus recyceltem Ziegelmauerwerk und den wenigen kleinen Fenstern eher einer mittelalterlichen Burg, als einem modernen Ausstellungsbau.
Gallerie
Drei Geschosse hoch, beherbergt das Gebäude auf rund 800 m² Ausstellungsfläche die private Kunstsammlung des Ehepaars Selinka. Sie besteht aus rund 230 Werken, zu denen Grafiken und Gemälde deutscher Expressionisten zählen sowie Arbeiten der Künstlergruppen Cobra (1948 bis 1951) und Spur (1957 bis 1965). Von außen ist das Museum mit sandsteinfarbenen Klinkern aus dem Abbruch einer alten Klosteranlage verkleidet, die ihm eine Art Patina verleihen. Den oberen Abschluss bildet ein Dachgewölbe aus Tonnen, die quer zur Eingangsfassade verlaufen und auf leicht schräg zueinander angeordneten Stahlträgern aufliegen. Dadurch entsteht in der Ansicht eine Oberkante aus unterschiedlich großen Rundbögen.
Die Erschließung erfolgt über einen von der Straße abgeschirmten Eingangshof. Durch eine kupferverkleidete Drehtür gelangen die Besucher in das schlicht weiß gestaltete Erdgeschoss mit Kasse und Empfangstresen aus Sichtbeton. Der übrige Raum bietet Platz für Wechselausstellungen und Veranstaltungen. An beiden Längsseiten befinden sich Treppenhäuser: Das nördliche verbindet die oberirdischen Ausstellungsräume mit jeweils 300 m² Fläche mit dem im Untergeschoss liegenden Depot sowie den Toiletten und Büroräumen. Die zweite Treppe auf der Südseite führt nur in die beiden Obergeschosse.
Durch die kleinen Lochfenster fällt nur wenig Tageslicht in das Museum. Zwar entstehen dadurch kaum solare Wärmegewinne, aber die absolut luftdichte (gemessen n50=0,3 l/h) und hochwärmegedämmte Gebäudehülle gleicht das wieder aus. Sie ist als zweischalige Konstruktion ausgeführt. Zwischen innerer Betonwand und äußerem Ziegelmauerwerk befindet sich eine 24 cm dicke Dämmung aus Mineralwolle. Um Wärmebrücken zu vermeiden, wurde der Stahlanteil der Fassadenbefestigung reduziert.
Energiekonzept
Im Passivhaus-zertifizierten Museum herrschen gleichbleibend 20°C
Raumtemperatur und 50% Raumfeuchte – optimale Bedingungen für die
empfindlichen Kunstobjekte. Der Heizwärmebedarf beträgt nur 14
kWh/(m²a). Geheizt wird mit einer Gas-Absorptionspumpe, die über
Erdsonden mit Wärme versorgt wird. Die Heizleistung der
Gaswärmepumpe beträgt 40 kW. Sie arbeitet reversibel, d.h. sie kann
im Sommer auch kühlen. Die Kühlleistung der Sonden beträgt 22 kW.
Die Grundlast des Heizenergiebedarfs deckt eine
Betonkerntemperierung in den 40 cm starken Decken ab. Die
aktivierten Bauteile führen den Räumen Wärme und Kühle mit einer
hohen Trägheit zu.
Lastspitzen beim Heizen bzw. Kühlen werden von der Lüftungsanlage abgedeckt. Sie reguliert auch Lastschwankungen, wenn sich beispielsweise viele Besucher gleichzeitig in einem Raum befinden. Dabei steuert ein Volumenstromregler die Luftmenge nach Bedarf. Die eingesetzte Komfortlüftung besitzt eine Wärmerückgewinnung (WRG) mit einem Wirkungsgrad von etwa 90% und eine Feuchterückgewinnung mit einem Wirkungsgrad von rund 60%. Außerdem gibt es eine Quelllüftung, die Zugluft in den Ausstellungsräumen verhindert. Der maximale Luftvolumenstrom liegt bei 6.500 m³/h mit einem Außenluftanteil von höchstens 3.500 m³/h. Ein Luftqualitätsfühler regelt dabei den Außenluftanteil.
Die Luftbefeuchtung im Winter übernimmt ein
Elektro-Dampfbefeuchter mit 5 kW Spitzenleistung. Das Entfeuchten
ist Aufgabe der reversiblen Gas-Absorptions-Wärmepumpe. Alle nicht
für die Ausstellung genutzten Räume werden grundsätzlich ungeregelt
betrieben, aber mit vorkonditionierter Luft versorgt.
Bautafel
Architekten: Lederer+Ragnarsdóttir+Oei, Stuttgart
Projektbeteiligte: Schenk Architektur, Bad Saulgau (Projektleitung); Georg Reisch, Bad Saulgau (Bauausführung); Herz & Lang, Weitnau (Bauphysik, Passivhaus Consulting); Planungsbüro Vogt und Feist, Ravensburg (Energiekonzept, TGA Planung); Holzbau Stauss, Scheer (Dachdeckung, Zimmerei)
Bauherr: Reisch Bau, Bad Saulgau
Mieter: Stadt Ravensburg
Fertigstellung: 2012, Eröfffnung März 2013
Standort: Burgstraße 9, 88214 Ravensburg
Bildnachweis: Andreas Praefcke, Ravensburg; Wynrich Zlomke, Guggenhausen und erz & Lang, Weitnau
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