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Betonoase in Berlin
Jugendclub und Familienzentrum Infraleichtbeton
Auch wenn es auf den Fotos zu diesem Projekt nicht so aussieht,
so ist es doch von Plattenbauten und Wohnhochhäusern umgeben. Es
handelt sich um ein Jugend- und Familienzentrum im Berliner Bezirk
Lichtenberg. Sie entstand unweit eines mittlerweile abgerissenen
Gebäudekomplexes aus den 1970er-Jahren, in dem sich auch ein
Jugendclub befand. Der treffenderweise Betonoase genannte
Neubau an der Dolgenseestraße ist das erste öffentliche Gebäude
Deutschlands mit Wänden und Fassaden aus Infraleichtbeton. Entworfen haben es Gruber &
Popp Architekten aus Berlin.
Gallerie
Gegliedert ist der eingeschossige Bau in einen Bereich für etwa
siebzig Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren und ein
Familienzentrum zur Betreuung von Kleinkindern. Sie belegen je
einen Flügel des L-förmigen Gebäudes. Die Erschließung des
Jugendbereichs erfolgt über eine Loggia im Norden, der überdachte
Eingang zur Kindertagesstätte liegt zurückgesetzt an der
Westfassade. Hinter beiden Eingängen befinden sich von Oberlichtern
erhellte Foyers. Sie sind den zwei zentralen Gemeinschaftsräumen
mit offenen Küchen vorgeschaltet. Um sie herum verteilen sich alle
anderen Räume, darunter ein Fitnessstudio. Die Trennwände bedecken
eigens gefertigte Einbauschränke bzw. -regale aus Sperrholz. Einige
Felder sind verglast und erlauben Sichtbeziehungen zwischen den
Räumen, vereinfachen außerdem die Aufsicht. Den Boden bedeckt
dunkelgrauer Terrazzo, die Betonwände blieben innen unverkleidet
und in die weißen, abgehängten Akustikdecken sind Downlights
integriert.
Die Jugendlichen und Kleinkinder verfügen über jeweils eigene
Terrassen im Osten, die von auskragenden, 32 cm dicken Betondecken
überdacht werden. Den Garten nutzen sie gemeinsam, unter anderem
sollen hier Obst und Gemüse angepflanzt und als Teil des
Beschäftigungsangebots gepflegt werden. Aber auch im Außenraum
stehen den beiden Altersgruppen eigene Bereiche zur Verfügung. So
ist der Grillplatz und die Tischtennisplatte für die Teenager an
der östlichen Grundstücksgrenze in möglichst großer Distanz zu den
Spielflächen der Kleinen angeordnet. Zur Straße hin befinden sich
Parkplätze, die zusammen mit den Fußwegen einen Vorplatz
bilden.
Beton
Der hohe Anteil an Blähton und die Lufteinschlüsse sorgen nicht nur
für das geringe Gewicht von Infraleichtbeton, sondern sind auch für
seine Dämmwirkung verantwortlich. Mit einer Rohdichte von nur 700
kg/m³ ohne Bewehrung
ist der Baustoff so leicht, dass er in Wasser schwimmt. Die
eingeschlossene Luft macht es möglich, dass mit diesem Beton ohne
zusätzliche Außendämmung schon ab 50 cm Wandstärke der
Passivhausstandard erreicht werden kann. Die gute Dämmfähigkeit
verringert allerdings auch die Festigkeit des Betons und damit
seine Tragfähigkeit. Bei einer Trockenrohdichte von knapp unter
800 kg/m³ wird eine Druckfestigkeit erreicht, die über der von
Mauerwerkswänden aus Porenbeton
liegt. Damit ist sie ausreichend für Gebäude mit bis zu vier
Geschossen.
Noch nicht erforscht ist, wie tief das Kohlendioxid der umliegenden Luft in den Infraleichtbeton eindringen kann. Da ein hoher CO₂-Gehalt die Versäuerung des Materials und dann eine Karbonatisierung zur Folge haben kann, wurde hier die Bewehrung vorbeugend verzinkt. Da der Baustoff neu und somit noch nicht in den gängigen Normen erfasst ist, musste für die erstmalige Verwendung an einem öffentlichen Gebäude eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) beim Deutschen Institut für Bautechnik erwirkt werden.
Neben seinen technischen Eigenschaften bringt der neue Werkstoff
auch eine eigene Ästhetik mit. Weil er, anders als üblicher
Transportbeton,
nicht gepumpt, sondern geschüttet wird, zeichnen sich an seiner
fertigen Oberfläche horizontale Lagen ab, die an Schichten von
Sedimentgestein erinnern. Die dicken, monolithischen Außenwände
laden dazu ein, die Wandtiefe architektonisch zu nutzen – bei der
Lichtenberger Betonoase hat man das beispielsweise bei den
Sitznischen an der Innenseite der Fenster und den angeschrägten
Fensterlaibungen der kleineren Fenster getan.
Bautafel
Architekten: Gruber und Popp Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: schlaich bergermann partner, Berlin (Tragwerksplanung); Ingenieurbüro Löber, Berlin (Versorgungsplanung); Landschaftsarchitekten Franz Beusch, Potsdam (Außenanlagen); Capatti Staubach, Berlin (Außenanlagen Wettbewerb); Hartmut Kalleja, Berlin (Prüfingenieur); 333 Gätjens Plavec Saric, Berlin (Kunst am Bau)
Bauherr: Bezirksamt Lichtenberg, Bildung, Kultur, Soziales und Sport, Abteilung Jugend und Gesundheit
Standort: Dolgenseestr. 60A, 10319 Berlin
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Alexander Blumhoff, Berlin; Hanns Joosten, Berlin; schlaich bergermann partner, Berlin; Katharina Lux, Berlin
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