Lido Patriziale in Ascona
Instandsetzung und Reorganisation des städtischen Seebades
Asconas größte Sehenswürdigkeit erstreckt sich bis weit über die Stadtgrenze hinaus: der Lago Maggiore. Dabei ragt lediglich der Nordzipfel des langgezogenen Sees in den Tessin, dem Kanton im Süden der Schweiz. An seinem Ufer liegt das städtische Seebad Lido Patriziale mit 600 Meter langem Sandstrand und großer Liegewiese. Das dazugehörige Gebäude nach Plänen des Studio di Architettura Vacchini wurde 1987 fertiggestellt und 2023 nach einer behutsamen Instandsetzung unter Leitung von Atelier Rampazzi wiedereröffnet.
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Charakteristisch für den Bau ist das 56,27 m lange und 11,80 m breite Betondach, das über hellen Mauerwerkswänden mit sieben kreisrunden Öffnungen auf jeder Längsseite schwebt. In den Öffnungen mit einem Durchmesser von jeweils 3,00 m sitzen Aluminium-Schiebetüren, die bei Bedarf hinter der gemauerten Vorsatzschale der Wand verschwinden und dann den Blick von der Vorfahrt auf den See freigeben. Das Kalksandsteinmauerwerk zieht sich hoch bis vor die Betonbrüstungen des Obergeschosses. Dahinter treten mit blauweißem Schachbrettmuster bemalte Wände zurück.
Bis auf die Mauerwerksschale bestehen alle massiven Bauteile aus Stahlbeton. Das vorgespannte Betondach lagert allein auf zwei 70 cm dicken Wänden, über die es zu beiden Seiten 14,21 m weit auskragt und sich dabei zu den Rändern hin verjüngt. Im Profil erscheint die Dachplatte mehrfach geknickt wie die Schwingen einer Möwe. Stabilisiert wird sie von Überzügen und – im Mittelfeld – auch Unterzügen.
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Kleine Berühmtheit
Das Gebäude ist seit seiner Eröffnung vielfach rezipiert worden.
Es zählt zu den herausragenden Entwürfen von Livio Vacchini, dessen
Büro ab 1981 an dem Projekt arbeitete. Der 2007 verstorbene
Architekt war bis weit über das Tessin hinaus bekannt für seine
ornamenthaft angeordneten, geometrischen Grundformen in den
Fassaden und die geradlinigen, oft symmetrischen Grundrissfiguren.
Noch heute werden seine Projekte an Hochschulen und in sozialen
Medien gezeigt und besprochen.
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Änderungen und Umbauten des Lido Patriziale ein großes Echo in der Lokalpresse hervorrufen. So währte die Disskussion über die Ergänzung mehrerer Außenschwimmbecken rund zehn Jahre – eine Maßnahme, die 2023 schließlich genehmigt wurde. Auch der Umbau des Bestands erfuhr einige Aufmerksamkeit.
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Zeichen der Zeit
Seit der Eröffnung 1987 waren auf der Seeseite des Gebäudes verschiedene Pavillons und Zelte errichtet worden, die die Sicht auf die Mauerwerksfassade mit ihren kreisrunden Öffnungen versperrte. Im Zuge der Instandsetzung und Reorganisation wurden sie ebenso beseitigt wie die hinzugefügte Erweiterung der Terrasse. Nun können die Grashalme wieder bis an den entlang der Fassade verlaufenden Fußweg heranwachsen.
Auf der anderen Seite, wo den Gästen ein Pkw-Parkplatz und Fahrradständer zur Verfügung stehen, rahmen zwei kleine Betonhäuschen den mittig angeordneten Haupteingang. Sie haben jeweils die Form eines halben Zylinders und wurden wie die gesamte Fassade gereinigt. Genutzt werden sie als Lager und Büro.
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Das Erdgeschoss ist in fünf Abschnitte unterteilt: Mittig befindet sich der Eingang ins Strandbad mit Kasse und Kiosk, daneben liegen auf je einer Seite die Umkleiden und Sanitärräume für Männer und Frauen, daran angrenzend zwei Treppenaufgänge ins Obergeschoss. Am westlichen Ende sind ein von außen zugänglicher Lagerraum, die Verwaltung sowie Umkleiden für Personal und Rollstuhlfahrende angeordnet, am östlichen Ende die Küche.
Der ursprüngliche Zustand des Obergeschosses wurde nicht
wiederhergestellt. Von den einst 208 Umkleidekabinen blieben
lediglich 40 unter der westlichen Auskragung des Daches übrig und
erhielten neue Schließfächer. Der offene Raum im Mittelsegment
dient nun als Terrasse und bietet Platz für Veranstaltungen aller
Art. Im ehemaligen Lager unter der östlichen Dachauskragung wurde
ein Technikraum mit Heizkesseln, einer Wärmepumpe und
Schaltschränken eingerichtet. Hier sind die Anlagen sicher vor
Überschwemmung bei Hochwasser des Lago Maggiore – das gesamte
Gebäude liegt nämlich unterhalb des zum Hochwasserschutz
festgelegten Sicherheitsniveaus.
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Beton: Schutz für die nächsten Jahrzehnte
Für die Reinigung der Betonoberflächen verwendete man weiches,
warmes Wasser, das mit niedrigem Druck auf die Wände gespritzt
wurde. Anschließend wurden Fehlstellen mit Reparaturmörtel
ausgebessert, dann die Oberflächen mit einem Hydrophobierungsmittel
behandelt. Das Mittel mit einem Silangehalt von 99 Prozent
schützt die Oberflächen künftig vor dem Eindringen von
Feuchtigkeit.
Bei den Silanen in der farblosen, klaren Flüssigkeit handelt es sich um kleine Moleküle aus Silizium- und Wasserstoff-Atomen. Sie gelangen beim Auftrag auf die Bauteiloberfläche in die Betonporen und reagieren mit dem dort vorhandenen Wasser. In der Folge verfestigen sie sich und imprägnieren das Bauteil. Das beim Lido verwendete Mittel wies eine Eindringtiefe von mindestens 10 mm auf. Tiefenhydrophobierungen wie diese werden in den letzten Jahren vermehrt bei der denkmalgerechten Instandsetzung von Betonbauwerken verwendet. -ml
Bautafel
Architektur: Studio di Architettura Vacchini, Locarno (Bestand, 1987); Atelier Rampazzi, Losone (Instandsetzung)
Projektbeteiligte: Elettro Mastai, Riazzino (elektrotechnische Berater); VRT, Taverne (RVCS engineering – Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär); Ardex, Witten (Hersteller Betonreparaturmörtel); Mapei, Sorens (Hersteller Hydrophobierungsmittel)
Bauherr*in: Patriziato di Ascona
Standort: Via Lido 84, 6612 Ascona, Schweiz
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: Simone Bossi (Fotos); Atelier Rampazzi (Fotos und Pläne)
Fachwissen zum Thema
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