Baudenkmale der Nachkriegsmoderne
Bauklimatische Ertüchtigung und nachhaltige Instandsetzung
Fraunhofer IRB, Stuttgart 2016
1. Auflage, 164 Seiten mit 97 Abb. u. 14 Tab., kartoniert
Preis: 55,00 EUR
ISBN 978-3-8167-9570-4
„Jedes einzelne weitergenutzte Denkmal ist in sich ökologisch
nachhaltig – weil es eine lange Nutzungsdauer aufweist und
reparaturfähig ist“ stellt Wolfgang Illert im Vorwort des Fachbuchs
Baudenkmale der Nachkriegsmoderne – Bauklimatische Ertüchtigung
und nachhaltige Instandsetzung fest. Obwohl Denkmale im
Betrieb meist einen höheren Energieaufwand erforderten, seien sie
Neubauten in der Gesamtenergiebilanz durch ihre lange Lebenszeit
überlegen. Wie sich Baudenkmale erhalten lassen, ohne ihre
charakteristischen Merkmale aufgrund von Maßnahmen des Brand- und
Wärmeschutzes oder der Barrierefreiheit einzubüßen, damit befassen
sich Felix Wellnitz und weitere Autoren in der ebenso interessanten
wie ausführlichen Publikation.
Die genannten Aspekte seien eine Gefährdung, aber auch
Herausforderung im Umgang mit Baudenkmälern. Grundsätzlich solle
bei einer Sanierung bzw. Umnutzung der Sinn einer Vorschrift (die
in der Regel ja für Neubauten entwickelt wurde) ergründet werden,
um dann ein individuelles Konzept zu erarbeiten. Angesichts der
vielfältigen Baumaterialien könne es keine einheitlichen Lösungen
zur energetischen Ertüchtigung geben; jede einzelne Maßnahme müsse
gründlich auf ihre langfristige Wirkung und bauphysikalischen
Vorgänge geprüft werden – dazu haben die Autoren eine
„Prüfungsmatrix“ in sechs Punkten entwickelt.
Zu den wesentlichen Merkmalen von Gebäuden der frühen
Nachkriegsmoderne gehören schlanke, materialsparende
Konstruktionen, eine filigrane, elegante Ästhetik und ein hoher
Glasanteil der Fassade zur Belichtung und Belüftung (wie das
Studentendorf Schlachtensee in Berlin beispielhaft zeigt s.u.). Als
Leitfaden zur Klärung des Konflikts zwischen Denkmalpflege und
Energieeffizienz dienen zehn Thesen, die in der (umfassenden)
Einführung des Buches genannt sind. Dargestellt werden auch
relevante technische Richtlinien und gesetzliche Grundlagen.
Den Hauptteil nimmt eine Fallstudie über die ehemalige Bayerische
Landesvertretung von Sep Ruf in Bonn ein, deren Innenräume
entsprechend des ursprünglichen Entwurfs von 1954 wiederhergestellt
wurden und die heute die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) als
Hauptgeschäftsstelle nutzt. Die wissenschaftliche Studie wurde von
2011 bis 14 von der DSD und Mitarbeitern der Fachhochschule Potsdam
mit dem Zweck durchgeführt, die Möglichkeiten der denkmalgerechten
Sanierung und nachhaltigen Instandsetzung auszuloten und damit eine
Vorbildfunktion für die Denkmalpflege wahrzunehmen.
Erläutert werden die konstruktiv-bauklimatische Bestandsaufnahme
und wie Gestaltung, Funktion, Technik und Ästhetik untrennbar
verbunden sind. Der verwendete Begriff „Bauklimatik“ umfasst
Schadenssicherheit, Behaglichkeit und Energiebedarf. Obwohl es sich
um ein eher kleines Projekt von Ruf handele (dessen Werdegang samt
der Entstehungsgeschichte des Gebäudes ebenfalls dargestellt wird),
sei es ein „Meilenstein deutscher Nachkriegsarchitektur“.
Bestandsaufnahme und Erwägungen im Vorfeld, Planungsschritte und
Baumaßnahmen werden anschaulich beschrieben. Das Fazit zeigt auf,
was an dem Projekt beispielhaft, was eher untypisch sei. Durch die
Wiedergewinnung – und nicht Rekonstruktion – der ehemaligen
Landesvertretung sei die Nutzbarkeit des Gebäudes verbessert, der
Energieverbrauch/die Betriebskosten reduziert, Schadenspotenziale
minimiert worden. Die dynamische Gebäudesimulation wird als
hilfreiches Mittel genannt, wenn reale Messwerte zur Kalibrierung
eingesetzt werden. Die angewandten Methoden und Werkzeuge sollen
als Grundlagen und zur Anregung weiterer Fallstudien und
Praxisprojekte dienen. (us)