Mädchenschule Avasara Academy in Lavale
Regalbauten aus Beton mit Bambus-Screens und Solarkaminen
Ein „Zufluchtsort des Lernens“ sollte er werden: der neue Campus der 2015 gegründeten Avasara Academy. Die weiterführende Schule richtet sich an gesellschaftlich benachteiligte Mädchen in Westindien, deren schulische Leistungen herausragend sind. Ziel ist es, die jungen Schülerinnen in den Klassenstufen sechs bis zehn über intensive Förderung auf berufliche Führungspositionen vorzubereiten. Langfristig sollen nicht nur sie selbst, sondern die indische Gesellschaft profitieren. Der vom Büro Case Design aus Mumbai geplante Campus ist integraler Bestandteil dieses Konzepts: Sieben viergeschossige Haupthäuser und mehrere Nebengebäude verteilen sich an einem Hang oberhalb des Dorfes Lavale.
Gallerie
Der Campus in der Nähe der Großstadt Pune wurde 2018 bezogen, im Frühjahr 2019 soll der erste Bauprozess abgeschlossen sein. Langfristig soll die Schule kontinuierlich wachsen. Die aktuell 14.200 Quadratmeter Geschossfläche sind für etwa 600 Schülerinnen ausgelegt, 200 davon als Externe, die übrigen wohnen in Unterkünften auf dem Gelände. Die Klassenräume verteilen sich auf die beiden unteren Etagen der Haupthäuser, die Schlafräume für die Mädchen und Wohnungen für Lehrkräfte befinden sich im dritten und vierten Stock. Darüber hinaus gibt es die Verwaltung, eine Bibliothek, eine Cafeteria, ein Laborgebäude und das Institut für Indienstudien.
Wohnen und Lernen unter einem Dach
Die konsequent gemischte Nutzung innerhalb der Gebäude ist ungewöhnlich. So ist der Campus dezentral organisiert, und auch abgelegene Winkel der Anlage sind am Tag und bei Nacht belebt. Neben einer erhöhten Sicherheit hat das Konzept einen pragmatischen Nutzen: Der benötigte Wohnraum wächst synchron zur Expansion der Schule.
Die Gebäude sind simple Konstruktionen aus Ortbeton, die an das „Maison Dom-Ino“ Le Corbusiers erinnern. Dem Tragwerk in Skelettbauweise liegen vorgefertigte Rohbaudecken auf. Klassen- und Schlafräume sind offenen Fluren, Treppenhäusern und Atrien angegliedert. Umhüllt ist die Konstruktion teils von Bambus, der als Sonnenschutz dient, teils von Glasflächen oder aber sie bleibt offen. Die Solitäre, von denen keiner dem anderen vollkommen gleicht, sind durch ein Wegenetz mit Höfen, Gärten und Terrassen verbunden.
Möglichkeitsräume für integratives Arbeiten
Die
einfache Konstruktionsweise stellte sicher, dass lokale
Arbeitskräfte ohne Spezialwissen beschäftigt werden konnten. So
ließen sich regionale Strukturen stärken und ein äußerst begrenztes
Budget einhalten. Überhaupt galt dem Entstehungsprozess ein
besonderes Augenmerk – die offene, leicht verständliche
Gebäudestruktur soll Möglichkeitsräume zur Verfügung stellen. Die
Schülerinnen werden sich diese aneignen, bei Bedarf können sie aber
auch anders bespielt werden.
Reduce, reuse, recycle
Im Sinne eines nachhaltigen Gesamtkonzepts standen neben der Langlebigkeit der eingesetzten Materialien deren Wiederverwertbarkeit und Kosten im Vordergrund. Die Pflasterungen der Wege und einige Bodenmosaike in den Räumen entstanden aus Bruchresten von Marmorsteinbrüchen. Die Ziegel der Trennwände sind aus Flugasche gebrannt, einem Abfallprodukt aus Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen und anderer Verbrennungsindustrie. Fast alle Türen bestehen aus Teakholz von Abrissobjekten.
Sonnenschutz: Auskragende Decken, Bambus-Screens, Blendschutz und Konvektion
Die Sonnenschutzanlagen sind Teil des Klimakonzepts zur passiven Kühlung der Gebäude. Dieses soll ohne den Einsatz von Energie – etwa für eine Klimaanlage – für ein angenehmes Raumklima sorgen. Tiefe Veranden, Bambus-Screens und auskragende Deckenplatten verhindern eine übermäßige Aufheizung der Innenräume durch direktes Sonnenlicht. Dringen doch einmal störende Sonnenstrahlen ein, kann ein innenliegender Blendschutz vor die Fenster gezogen werden. Das ist nicht nur bei den teilweise geschosshoch verglasten Eingangshallen notwendig, sondern auch für ein blendfreies Lernen und Arbeiten an Computerbildschirmen.
Auf Decken- und Wandverkleidungen sowie Bodenbeläge, die sich durch Sonneneintrag schnell aufheizen und zu ungewollten Wärmespeichern entwickeln könnten, wurde weitgehend verzichtet. Der rohe Beton hingegen wirkt als träge thermische Masse: Er nimmt die solare Wärmeenergie tagsüber auf und gibt sie verzögert über Nacht wieder ab. Davon profitieren die Innenräume: Am Tag hat die Bausubstanz eine kühlende und nachts wärmende Funktion.
Solarkamine sorgen für Luftaustausch
Auf den Dächern der Schul- und Wohnhäuser unterstützen Solarkamine die passive Kühlung: Die Dachaufsätze ähneln breiten Schornsteinen und sind an drei Seiten verglast, ihre Rückwand ist farbig gestaltet. Sie sind mit den Abzugsschächten in der Gebäudemitte verbunden und führen die warme Luft aus den Klassen- und Schlafräumen ab. Über Rohre, die ins Fundament eingebettet sind, wird zugleich kühlere Außenluft von der Nordseite angesogen (Abb. 24). Der Temperaturunterschied zwischen eingesogener und ausgestoßener Luft beträgt 5-10° Celsius.
Auch bei der Strom- und Wasserversorgung wurde auf einen
sparsamen Umgang mit vorhandenen Ressourcen geachtet.
Photovoltaikanlagen auf dem Dach produzieren 85 Prozent der
benötigten elektrischen Energie. 75 Prozent des jährlichen Bedarfs
an Trinkwasser wird auf dem eigenen Grundstück aufgefangen und aus
Brunnen befördert. Eine natürliche Reinigungsanlage aus Schilf
bereitet das Abwasser auf, das der Bewässerung der Grünanlagen
dient. -sr
Bautafel
Architekten: Case Design, Mumbai
Projektbeteiligte: Transsolar Klimaengeneering, Stuttgart (Klimakonzept, Sonnenschutz); Malene Bach, Kopenhagen (Farbkonzept); Rameshwar Bhadhwa (Innenraumgestaltung); Hemali Samant, Mumbai (Landschaftsarchitektur); AMS Project Consultants, Pune (Projektmanagement); Vaichal Construction, Pune (Bauausführung); Strudcom, Pune (Tragwerksplanung); Vishvakarma Furniture (Möblierung)
Bauherr: Avasara
Fertigstellung: 2017
Standort: Survey No 1187, off Pune Bangalore Hwy, Near Flame University, Village of Lavale Tal Mushi, Pune, 412108, Maharashtra
Bildnachweis: Ariel Huber, Zürich / Lausanne
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