Pavillon im Botanischen Garten St. Gallen
Symbiose aus Architektur und Botanik
Der von Architekt Tom Munz geplante Neubau für einen Vortragsraum fügt sich perfekt in den Botanischen Garten im Schweizerischen St. Gallen ein. Die von Pflanzen überwachsene Holzkonstruktion soll die Symbiose aus Natur und Kultur, aus Architektur und Pflanzen verkörpern. Der sogenannte grüne Pavillon ersetzt den bisherigen eher düsteren Vortragsraum sowie drei Anzuchthäuser neben dem Tropenhaus.
Gallerie
Munz hat den quaderförmigen Baukörper leicht zurückversetzt, um einen Vorplatz zu bilden. Hier kann im Sommer die Topfpflanzensammlung präsentiert werden kann. Rund 240 Veranstaltungen finden im Pavillon jährlich statt. Dabei soll das grüne Pflanzenkleid der Fassade – die Botanik – den thematischen Ankerpunkt bilden.
Orangerie als Vorbild
Tom Munz ließ sich für den
Entwurf von der Bauweise traditioneller Orangerien inspirieren. Der
Bautypus besteht aus einem Gerüst aus Balken, welche mit
beweglichen und öffenbaren Wandelementen ausgestattet wird. Der
grüne Pavillon im Botanischen Garten St. Gallen folgt dem gleichen
Prinzip: die Tragstruktur aus Holz wird mit großzügigen
Fensterflächen verglast. Rund um den Pavillon wachsen Winden- und
Rankenpflanzen an 80 schräg abgespannten Drahtseilen empor. Sie
spenden in der warmen Jahreszeit Schatten, wirken aber auch als
Sichtschutzelement.
Die Symbiose zwischen Architektur und Pflanzen geht auf dem Dach weiter: Eine spezialgefertigte Naturkautschuk-Abdichtung und eine dicke Erdschicht halten hier das Regenwasser so lange zurück, dass darauf heimische Orchideen wachsen können. Es entsteht ein für die Orchideen optimaler Kreislauf von Wasser und Feuchtigkeit, durch den sie natürlich bewässert werden. Das überschüssige Wasser wird den umliegenden Beeten zugeführt.
Natürliche Durchlüftung
Da der Pavillon als
Vortragssaal, Foyer, Eventlocation, Arbeitsraum, Schulungsraum und
Lager dienen können soll, ist der Innenraum offen gestaltet.
Wandschränke teilen den Innenraum in einen Eingangs-, Haupt- und
einen Abstellraum auf. Zusätzlich können je nach Bedürfnis Vorhänge
gezogen werden, um den Raum weiter zu gliedern oder um die
Durchlässigkeit der Fassade zu variieren. Auf eine komplexe Technik
hat das Planungsteam verzichtet: Das Gebäude kann über zwei
raumhohe, vergitterte Lüftungsflügel, die sich in Wandschränken
verbergen, natürlich quergelüftet werden. Im Zusammenspiel mit der
Fassadenbegrünung entsteht somit ein guter sommerlicher Wärmeschutz
ohne aktive Kühlung.
Etwas zurückgeben
Architekt Tom Munz hat sich in der
Umsetzung für heimische Werkstoffe und regionales Handwerk stark
gemacht. Das Holzgerüst besteht aus regionalem Fichtenholz, dessen
Oberflächen mit einem traditionellen Handwerksverfahren aus
Norwegen geseift wurden. Dadurch sind sie möglichst lange vor
Verwitterung geschützt. Der Boden besteht aus einer versiegelten
und geschliffenen Betonplatte. Die beiden Materialien nehmen die
Sonnenwärme auf, speichern diese und geben die Energie in der
Nacht langsam ab. Auch für die Deckenleuchter greift Munz nicht auf
eine Standardlösung zurück, sondern lässt diese im schweizerischen
Gossau, Schweiz speziell anfertigen. Der grüne Pavillon ist ein
Sinnbild dafür, dass Architektur nicht nur Ressourcen verbrauchen
und Lebensräume verbauen muss, sondern auch zurückgeben kann: Mit
dem Bau und der Bepflanzung um den Pavillon kommen 65 zusätzliche
Arten in den Botanischen Garten St. Gallen. -sh
Bautafel
Architekten: Tom Munz Architekt, St. Gallen
Projektbeteiligte: Borgogno Eggenberger + Partner, St. Gallen (Tragwerk); Elektro Akermann, St. Gallen (Elektro); Gübeli Energie Technik, Degersheim (Gebäudetechnik); Studer + Strauss, St. Gallen (Bauphysik); Meile + Hollenstein, Mühlrüti (Brandschutz)
Bauherrschaft: Hochbauamt Stadt St. Gallen
Fertigstellung: 2020
Standort: Stephanshornstrasse 4, 9016 St. Gallen, Schweiz
Bildnachweis: Ladina Bischof, St. Gallen
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