Verwaltungsgebäude Drägerwerk in Lübeck
Expressiv-plastisches Fassadengitter aus Ziegelmauerwerk
Eine Firmenzentrale ist immer auch eine Visitenkarte für das Unternehmen. Als gleichzeitig traditionsbewusst und zukunftsorientiert versteht sich der Lübecker Medizin- und Sicherheitstechnikhersteller Dräger, der sich auf seinem Werksgelände mit einem neuen Empfangs- und Verwaltungsgebäude ein prägnantes architektonisches Erscheinungsbild hat geben lassen. Der Schweizer Max Dudler interpretierte hierfür den norddeutschen Backsteinexpressionismus auf eine Weise neu, in der der Klinker nicht mehr die strukturierten Wandflächen dominiert, sondern ein expressiv-plastisches Fassadengitter bildet.
Gallerie
Die Zeiten, als ein Werkstor den Firmensitz im Lübecker Stadtteil St. Lorenz südwestlich der Altstadtinsel der Hansestadt abriegelte, sind vorbei. Der Neubau ist nicht nur ein Bürohaus, sondern gleichzeitig auch das Empfangsgebäude des Traditionsunternehmens. Er schließt an der Moislinger Allee im Norden an ein sechsgeschossiges Bürogebäude aus den 1980er Jahren an, führt dessen Höhe zunächst für zwei Fassadenfelder fort und bildet nach einem Einschnitt mit Dachterrasse einen turmartigen Kopfbau mit acht Geschossen aus, vor dessen breiter Südwestfront jetzt ein öffentlicher Platz das Gelände mit dem Stadtraum verbindet.
Die Eingangsgeste des Neubaus selbst ist eine zweigeschossige Kolonnade am Platz. Das profilierte Fassadenraster aus spitz zulaufenden Ziegelpfeilern über die gesamte Höhe und zurück gesetzten Horizontalen erzeugt große offene Fassadenfelder, die in der Regel mit geschosshohen, ungeteilten und rahmenlosen Fenstern ausgefüllt sind. Hinter der Kolonnade ist die Eingangsfassade um ein Rasterfeld eingerückt. In den beiden oberen Geschossen sind sowohl die verklinkerten Horizontalen, als auch die Fensterflächen deutlich nach innen geknickt, sodass es hier zu einem betonten Abschluss im Sinne einer gezackten Krone kommt. Hierfür, aber auch für die formale Ausbildung der Ziegelpfeiler und insbesondere der Eckpfeiler werden Fritz Högers Anzeiger-Hochhaus in Hannover und Eugen Schmohls Ullsteinhaus in Berlin Pate gestanden haben.
Das zweigeschossige Foyer hinter den Kolonnaden ist der zentrale Empfang für die Mitarbeiter und Besucher des Werksgeländes. Auf den fünf bis acht Geschossen haben rund 200 Mitarbeiter ihre Büros und in den oberen Geschossen residiert die Geschäftsleitung.
Mauerwerk
Konstruktiv ist das Bürogebäude ein Stahlbetonskelettbau mit
Ziegelverkleidung. Die tragenden Stützpfeiler aus Stahlbeton mit
Abmessungen von 310 x 450 mm schließen vorn bereits spitz ab und
sind mit einer 120 bis 160 mm starken Mineralwolledämmung
ummantelt. Die expressive Ziegelverkleidung ist vor Ort mit einem
115 mm starken Wasserstrichziegel vorgemauert
worden.
Die rot-bunten Ziegel haben eine unregelmäßige schlierenartige
Farbigkeit mit vorwiegend glatten und teilweise aufgerauten
Partien. Diese besondere Oberfläche verdanken sie ihrer
Herstellungstechnik: Die weiche Tonmasse wurde mithilfe von Wasser
durch eine Form gestanzt. Die nach dem Verlassen der Presse sich
einstellende physikalische Reaktion des Tons mit dem Wasser und der
Luft ist nicht steuerbar und sorgt deshalb bei jedem Ziegel für
eine eigenwillige Oberfläche.
Bei den rahmenlosen Verglasungen der Fassade handelt es sich um
Closed-Cavity-Fenster (CCF) mit einem integrierten Sonnenschutz.
Bei dieser Doppelfassade ist der Hohlraum zwischen innerer und
äußerer Fassadenschale vollständig gekapselt. Der quasi
geschlossenen Kammer wird mit leichtem Überdruck getrocknete und
gereinigte Luft zugeführt, die verhindert, dass sich auf den
Fensterscheiben Kondensat oder Schmutz ablagern. Reinigungsflügel
können auf diese Weise entfallen.
Bautafel
Architekt: Max Dudler, Berlin/Zürich/Frankfurt
Projektbeteiligte: Georg Schönborn, Berlin (Projektleiter); Manfred Schasler, Berlin (Bauleitung); Leonhardt, Andrä und Partner, Berlin (Tragwerksplanung); Pinck Ingenieure Consulting, Hamburg (TGA/Elektroplanung); Tohr Bauphysik, Bergisch Gladbach (Bauphysik/Akustik); hhp Ingenieure für Brandschutz, Berlin (Brandschutz); Trüper Gondesen Partner, Lübeck (Freiraumplanung); Ziegelwerk Schüring, Gescher (Ziegelhersteller)
Bauherr: Drägerwerk, Lübeck
Fertigstellung: 2015
Standort: Moislinger Allee 53-55, 23558 Lübeck
Bildnachweis: Stefan Müller, Berlin
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