Haltestellenüberdachung Ostwall in Krefeld
Filigrane Tragkonstruktion mit gebogenem Glas
Als Prachtboulevard zu Beginn des 19. Jahrhundert angelegt, prägt der Ostwall noch heute das Stadtbild von Krefeld und ist gleichzeitig eine der wichtigsten Hauptverkehrsachsen der Innenstadt. Größter Knotenpunkt des öffentlichen Personennahverkehrs ist die Haltestelle Ostwall/Rheinstraße nahe des Hauptbahnhofs. Sie hat nun ein neues Glasdach erhalten, das von Stefan Schmitz Architekten aus Köln entworfen wurde.
Gallerie
Dem Bau war ein jahrelanger Prozess vorangegangen, bei dem verschiedene Ausführungsvarianten durchexerziert wurden, bis man sich schließlich für eine filigrane Stahl-Glas-Konstruktion entschied. Errichtet wurde sie auf dem Mittelstreifen des Ostwalls zwischen der Neuen Linner und der Rheinstraße als städtebauliche Fortführung der zentralen Fußgängerzone. Die Haltestelle ist im Ganzen 125 Meter lang und 12 Meter breit. Ihr Primärtragwerk besteht aus neun im Boden eingespannten Stützenpaaren, auf denen die eigentliche Stahl-Glas-Dachkonstruktion aufliegt. Da aus optischen Gründen ein Fachwerkträger mit diagonalen Stäben nicht gewünscht war, entschieden sich die Planer für zwei in Längsrichtung durchlaufende Vierendeelträger, die als Gerberträger ausgebildet sind. Sie liegen auf Stützenköpfen auf; die Stützweite beträgt im Feldbereich etwa 13,50 Meter.
Unter den beiden Trägern sind die mit schlanken Edelstahlrahmen verklebten Glaselemente des Daches befestigt. Insgesamt 104 dieser Glasrahmenelemente wurden im Regelbereich verbaut, jedes ist 2.215 Millimeter breit. Eine Besonderheit ist die gebogene Ausführung sowohl der Edelstahlprofile als auch der Verglasungen. Letztere wurden zwischen den Stützen zylindrisch, an den Dachrändern sphärisch gebogen. Die Entwässerung der konkav geformten Fläche erfolgt entlang der Längsachse der Konstruktion in Dachmitte (siehe Abb. 10).
Glas
Die betretbare Horizontalverglasung der
Haltestellenüberdachung besteht in den Regelbereichen aus
teilweise zylindrisch gebogenen Verbundsicherheitsgläsern aus 2 x
10 mm thermisch entspanntem Floatglas mit einer 1,52 mm starken
PVB-Folie als Zwischenschicht. Geformt wurden sie
im thermischen Schwerkraftbiegeverfahren. Der gebogene Teilbereich
der Verglasung ist zwischen den Stützen angeordnet und weist einen
zylindrischen Biegeradius von 10 Metern auf. Da sich durch die
Biegung die geometrische Steifigkeit der geklebten
Stahlrahmen-Glaskonstruktionen erhöht, ließen sich die Querschnitte
der Edelstahlprofile auf ein Minimum reduzieren.
Die Verglasungen sind dreiseitig auf den Edelstahlprofilrahmen aufgeklebt. Die Verklebung erfolgte entlang der nach außen abschließenden (kurzen) Scheibenkante umlaufend, entlang der langen Glaskanten L-förmig. Um sichtbare Halterungen in der Dachuntersicht möglichst gering zu halten, wurde die Verklebung neben der stirnseitigen Anordnung entlang der oberen Glasoberfläche ausgeführt. Als Folge „hängt“ die Verglasung im Normalzustand an den Edelstahlprofilen. Für den Fall, dass die Verklebung versagt, wurden auf der Unterseite jeweils vier mechanische Nothalterungen in Form von Klemmhaltern entlang der Längsseiten vorgesehen.
Alle Verklebungen wurden mit einem 2K-Silikonkleber ausgeführt.
Für die rechnerische Nachweisführung wurde die Steifigkeit der
Verklebung in experimentellen Kleinteilversuchen ermittelt und
hieraus gewonnene Materialeigenschaften in die Berechnung der
Glaselemente überführt. Zur Resttragfähigkeit und Durchsturzsicherheit wurden versuchstechnische
Nachweise geführt. Außerdem wurde die Silikonverklebung
produktionsbegleitend im Rahmen der Fremdüberwachung geprüft. Da
die Konstruktion nicht den Vorgaben der DIN 18008 Glas im Bauwesen
entspricht, wurde bei der obersten Bauaufsichtsbehörde eine
Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erlangt.
Bautafel
Architekten: Stefan Schmitz Architekten und Stadplaner, Köln
Projektbeteiligte: IB Kramer, Essen-Kupferdreh (Tragwerksplanung und Koordination ZiE); Bellapart, Girona (Ausführender GU); Flintermann Glasveredelungs, Salzbergen (Verglasung); Ö. Bucak, München (Gutachterliche Bewertung); Labor für Stahl- und Leichtmetallbau, München (Versuchsdurchführung und Fremdüberwachung Verklebung); Bauministerium NRW, Düsseldorf (Zustimmung im Einzelfall)
Bauherr: Stadt Krefeld
Fertigstellung: 2016
Standort: Ostwall (Haltestelle Rheinstraße), 47799 Krefeld
Bildnachweis: Stefan Schmitz Architekten und Stadplaner, Köln; Sebastian Schula, Darmstadt und IB Kramer, Essen-Kupferdreh
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