Capricornbrücke in Düsseldorf

Dreidimensionales Brückenbauwerk mit formprägender SG-Verglasung

Seit Jahrtausenden entsprechen Brücken dem Wunsch des Menschen nach mehr Mobilität und komfortabler Querung von Hindernissen. Hat die Geschichte des Brückenbaus aus Gründen der reinen Zweckmäßigkeit mit über Gräben gelegten Baumstämmen begonnen, werden Brücken heutzutage mitunter als beeindruckende Konstruktionen entwickelt. Ein Paradebeispiel hierfür ist die polymorphe Capricornbrücke im Düsseldorfer Medienhafen, welche zwei Gebäude (das Capricornhaus von Gatermann+Schossig und das Float von Renzo Piano Architekten) der Firmenzentrale Uniper verbindet. Entworfen wurde die Stahl- und Glaskonstruktion als formal eigenständiges Element zwischen den zwei sehr unterschiedlichen Gebäuden. Die komplexe Form der Brücke ergibt sich dabei aus den differierenden Gebäudeachsen und Eintrittsmöglichkeiten in die Bauten.

Gallerie

Komplexes Stahltragwerk

Die 35 Meter lange Fußgängerbrücke überspannt scheinbar schwebend den Verkehrsraum der Holzstraße. Ausgebildet ist der Brückenkörper als geschweißte Rohrgitterkonstruktion mit außenseitig ausfachenden großformatigen Isolierglasscheiben. Da es sich bei der Konstruktion um einen nachträglichen Verbindungsbau handelt und die zu verbindenden Gebäude statisch nicht als Brückenwiderlager ausgebildet wurden, findet die vertikale Lastabtragung ausschließlich über den Mittelpfeiler statt; die beiden freitragenden Brückenarme spannen 13,8 Meter zum Capricorn-Gebäude und 25,4 Meter zum Float-Gebäude. Der Mittelpfeiler besteht dabei aus 13 Rundstützen, die über eine Bodenplatte aus Stahlbeton und drei Bohrpfählen im Boden verankert ist. Bei der Bemessung der Mittellagerkonstruktion wurden auch mögliche Anpralllasten aus dem Straßenverkehr berücksichtigt.

Die beiden Kragarmenden sind in horizontaler Richtung an beiden Gebäuden durch Zugverbände in Stegebene verankert. Acht Stahlpolygone, Längsrippen und Diagonalen bilden die Stahlkonstruktion für die Verglasung. Das Stahltragwerk hat ein Gesamtgewicht von 43 Tonnen. Sämtliche Rohrstabverbindungen des Stabtragwerks sind vollverschweißt. Extrem spitze und lang verlaufende Rohrverschneidungen wurden über gefräste Vollmaterialien realisiert, wobei Wanddicken von bis zu 60 mm als Vollstöße im Bereich der Mittelstütze geschweißt wurden.

Die Montage der Brücke erfolgte in drei Abschnitten: Der Brückenfuß und der mittlere Bereich der Tragstruktur wurden vorgefertigt in drei Teilen angeliefert, temporär gelagert und mittels Mobilkran montiert. Danach wurden die beiden 26 Tonnen und 12 Tonnen schweren, vormontierten Kragarme an nur einem Wochenende eingehoben und montiert. Die Verglasungsarbeiten am Brückenkörper wurden im Anschluss vor Ort durchgeführt.

Polygonale Verglasungen im Großformat

Der Querschnitt der Brückenarme ändert sich im Brückenverlauf: Ist dieser an den Gebäudeanschlüssen noch viereckig, verwandelt er sich über ein Achteck zu einem Sechseck an der Mittelstütze. Die Ausfachung der Stahlstruktur erfolgt mit 60 großformatigen, dreiecks- und trapezförmigen Isolierglasscheiben (bis zu 9,2 m lang und 2,5 m breit). Die partielle Bedruckung der Scheiben reduziert die solare Einstrahlung ohne den transparenten Charakter der Hülle zu beeinträchtigen und bildet die Reflexionsfläche für die nächtliche Brückenbeleuchtung.

Die trapezförmigen und dreieckigen Isolierverglasungen und Laminate haben außergewöhnlich spitz zulaufende Winkel von 33,6° (ohne gebrochenen Winkel) und 11,1° mit gebrochenem Winkel. Diese bestehen aus zwei VSG-Scheiben mit jeweils 2 x 10 mm TVG. Die Lagerung der Isolierverglasungen erfolgt entlang der Längskanten der Verglasungen über Anpressprofile. Entlang der kürzeren Querfugen erfolgt die Lagerung über Eindrehhalter, welche in den Randverbund eingreifen, sodass je nach Orientierung der Verglasung der Randverbund (ausgebildet als SG-Verklebung) statisch sowohl durch innere Einwirkungen (Eigengewicht der Verglasung und klimatische Beanspruchung) als auch durch Wind- und Schneebeanspruchung belastet wird.

Die Untersichtsverglasungen der Brückenkonstruktion sind als Glas-Isolierpaneele ausgeführt, wobei die nach außen hin sichtbaren Verglasungen als 3-fach VSG mit vollständiger Bedruckung/Emaillierung ausgeführt sind. Eine Verformungsbegrenzung dieser Horizontalverglasungen wurde durch innenseitig aufgeklebte Aluminiumprofile ermöglicht. Die VSG Verglasungen der Mittelstütze sind über rückseitig aufgeklebte Punkthalter gelagert. Bedingt durch die Tatsache, dass Bestandteile der Glaskonstruktion bauaufsichtlich nicht durch die Technischen Baubestimmungen abgedeckt sind, wurde diesbezüglich eine Zustimmung im Einzelfall erwirkt.

Bautafel

Architektur: SUPERGELB ARCHITEKTEN by Gatermann + Schossig, Köln
Projektbeteiligte: seele, Gersthofen und seele pilsen, Pilsen (Fassadenbau); sedak, Gersthofen (Glaslieferant); SGS, Heusenstamm (Begutachtung im Rahmen des ZiE-Prozesses); Labor für Stahl- und Leichtmetallbau, Kissing (Versuchsdurchführung im Rahmen des ZiE-Prozesses); osd - office for structural design, Frankfurt a. M. mit Wilhelm + Partner, Stuttgart (Tragwerksplanung); Winter beratende Ingenieure für Gebäudetechnik, Düsseldorf (TGA)
Bauherr/in: 
Pirol Holzstraße, Düsseldorf
Fertigstellung: 2020
Standort:
Holzstraße 6, 40221 Düsseldorf
Bildnachweis: HG Esch, Hennef; Supergelb Architekten, Köln; seele, Gersthofen

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