Kongress- und Veranstaltungshalle in Agordo
Alpine Satteldachdynamik
Agordo ist ein Ort mit gut 3.000 Einwohnern, der auf 611 Metern in den italienischen Dolomiten liegt. Er ist Teil der ladinischen Sprachinsel und Hauptort der „Agordino“ genannten Region, die vor allem vom Tourismus geprägt ist. Dass eine so kleine Gemeinde ein Kongress- und Ausstellungszentrum benötigt, mag verwundern, lässt sich aber mit dem überregionalen Einzugsbereich begründen. Die imposante Multifunktionshalle mit markanter Trauflinie lockt Touristen, Einheimische und Geschäftsleute mit kulturellem Angebot. Mit der Planung und Realisierung wurden die ortsansässigen Architekturbüros Studio Botter und Studio Bressan beauftragt.
Gallerie
Die Halle entstand in Leichtbauweise aus Holz, Stahl und Glas und umfasst eine Fläche von 6.400 Quadratmetern. Sie dient als Austragungsort für Theateraufführungen, Ausstellungen und Konzerte. Darüber hinaus soll sie der Gemeinde Raum für gemeinsame Aktivitäten ihrer Einwohner bieten und steht zudem für Kongresse oder Konferenzen zur Verfügung.
Ihre Inspiration für das Gebäude bezogen die Architekten unter anderem aus der umgebenden Landschaft. Mit einer wiederholten Abfolge von Satteldächern erzeugten sie eine auf- und absteigende Silhouette in Nord-Südrichtung, die die Dynamik der umgebenden Berge aufnimmt, ohne diese zu imitieren. So entstand eine markante Landmarke unmittelbar vor den Toren des Ortes.
Nach agordinischer Bautradition
Für die charakteristische offene Tragkonstruktion der Halle mit ihren v-förmigen Verstrebungen wählte man Holz als Baustoff. Das ist sowohl der regionalen Bautradition als auch dem Nachhaltigkeitsgedanken geschuldet. Hier stand die Bauform der sogenannten Tabià Pate: Die traditionellen Holzhäuser der agordinischen Täler wurden in Holzrahmenbauweise mit Querverstrebungen erbaut. Die Nord- und Westfassaden sind als große vollverglaste Vorhangfassaden ausgeführt, die hinter der Konstruktion liegen. Über große Flügeltüren kann die Halle bei Bedarf zum Außenraum geöffnet werden.
Im Gegensatz zu den großen Glasflächen geben sich die Ost- und Südfassade geschlossen. Hier grenzt das Gebäude an eine abfallende Grünfläche sowie an eine Ladezone. In diesem Bereich des Gebäudes befinden sich auf zwei Etagen Räumlichkeiten für Service und Lager. Besucher erschließen das Gebäude über die Nordseite, wo man über einen großzügigen Vorplatz zum Eingang gelangt.
Dach: flach geneigte Giebelfolge
Beim Dach handelt es sich um eine Abfolge von gereihten Satteldächern, die mit ihren flach geneigten Giebeln einem Gebirgskamm ähneln. Die mit Aluminium gedeckte Dachkonstruktion gibt dem Gebäude einen unverwechselbaren dynamischen Charakter. Die freitragende Dachkonstruktion kragt weit über die gläsernen Vorhangfassaden aus und schützt sowohl die Holzkonstruktion als auch die Eingangsbereiche vor Wettereinflüssen. Außerdem verhindert diese Auskragung die Überhitzung der Halle durch direkte Sonneneinstrahlung im Sommer.
Im Winter jedoch kann die tiefstehende Sonne durch die gläsernen Fassaden ins Innere gelangen. Auf diese Weise trägt die Dachkonstruktion dazu bei, die Kosten für Heizung und Kühlung zu senken. Die statische Konstruktion der Auskragung, die mit schräg gestellten Stützen aus Holz abgefangen wird, und auch die Tragstruktur des Hallendaches liegen offen, sie werden bewusst gezeigt. Die Stützen der Auskragungen folgen den aussteifenden Streben der Fassade. Fachwerkbindersysteme aus Brettschichtholz bilden die Tragstruktur. Die Knotenpunkte sind durch Stahlbleche sowie Stabdübel für eine punktgenaue Ableitung der Kräfte verbunden.
Dachaufbau (von außen nach innen):
- Stehfalzdeckung aus Aluminiumblech 6 cm
- Holzleisten zur Befestigung der Aluminiumbleche 5 cm
- Holzleisten zur Luftzirkulation (Belüftung) 5 cm
- Luftdurchlässige, wasserdichte Platte 1 cm
- Grobspanplatten (OSB) 1,5 cm
- Steinwolle (50 kg / m³) 2 x 10 cm
- Steinwolle (70 kg / m³) 8 cm
- Dampfbremse
- Holzwolleplatte 3 cm
Bautafel
Architektur: Studio Botter, Agordo und Studio Bressan, Montebelluna
Projektbeteiligte: Studio Botter, Studio Bressan (Tragwerksplanung); Imola Legno, Imola (Holzbau); Società Italiana di Ingegneria e Servizi, Padua (Projektmanagement / Sicherheitsberatung)
Bauherrschaft: Provinz Belluno, Venetien, Italien
Standort: 32021 Agordo, Italien
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Simone Bossi, Paris und Mailand; Emanuele Bressan, Montebelluna