Aussegnungshalle und Friedhofsanlage in Ingelheim
Steil geneigtes Satteldach mit Kupferblechdeckung
Gallerie
Da in Ingelheim am Rhein die Stadtteilfriedhöfe zunehmend an
ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, wird die bestehende Anlage in
Frei-Weinheim schrittweise zum Zentralfriedhof erweitert. Für die
Umgestaltung wurde 2009 ein Wettbewerb ausgeschrieben, den das
Architekturbüro Bayer & Strobel in Zusammenarbeit mit Urbane
Gestalt Landschaftsarchitekten für sich entscheiden konnte. Als
eine der ersten Maßnahmen realisierte das Siegerteam die neue
Aussegnungshalle, die einen Altbau aus den 1960er Jahren
ersetzt.
Die Neugestaltung der Friedhofsanlage weist deutliche Bezüge zur
lokalen Topografie der Weinbauregion auf. Dabei sind die für
Weinberge und Wohnhäuser traditionell eingesetzten Bruchsteinmauern
aus gelbem Travertin das vornehmlich gestalterische Element.
Zusammen mit scharfkantigem Sichtbeton und vielen großflächigen
Verglasungen wurde das Material jedoch zeitgemäß interpretiert.
Die Bruchsteinmauern grenzen den Friedhof zur Straße hin ab und
lassen einen parkähnlichen Ort der Ruhe und Besinnlichkeit
entstehen. Zudem dienen sie als Stützmauern, die den
Friedhofeingang von den höher gelegenen Friedhofsteilen für die
Erdbestattungen trennen, bilden die Fassaden der Aussegnungshalle
und setzen sich bis in ihr Inneres fort.
Die Aussegnungshalle gilt als wichtigster Raum der neuen Anlage und
markiert zugleich den östlichen Haupteingang. Nachdem die äußere
Friedhofsmauer passiert ist, öffnet sich in der Fassade des Neubaus
ein breites Tor und die Besucher und Trauernden gelangen auf den
Vorhof der Halle. Umfasst wird der Vorhof, in dem auch größere
Trauergemeinden ausreichend Platz finden, von Stützmauern und durch
einen L-förmigen Baukörper. Hier sind im Norden die
Aussegnungshalle und nach Westen hin weitere Nebenräume (mit
eigener Zufahrt) angeordnet. Der Baukörper erhielt ein Flachdach,
während die Aussegnungshalle mit einem steil geneigten Satteldach
einen Hochpunkt in der Anlage bildet. Ihr Innenraum mit 100
Sitzplätzen ist hell und freundlich gestaltet und soll nicht nur
Raum für Trauer, sondern auch für die Hoffnung bieten. Er öffnet
sich zu zwei kleinen Innenhöfen, die für eine gute Belichtung und
gleichzeitig für Schutz vor neugierigen Blicken sorgen. Weiteres
natürliches Licht fällt durch ein durchlaufendes Oberlicht entlang
der Firstlinie.
Ein kleinerer Raum neben der Halle steht für den Abschied im
engsten Kreis zur Verfügung. Mit seiner Schiebetür und einem
Holzfußboden ist er bewusst intimer gestaltet.
Dach
Die Aussegnungshalle hebt sich mit seinem steilen Satteldach nicht
nur von den übrigen Gebäuden des Ensembles ab, sondern nimmt damit
auch ein klassisches Stilelement von Sakralbauten auf. Die
Dachneigung des Satteldaches beläuft sich auf
60°, die Firsthöhe beträgt 12,5 m. Das Dachtragwerk spannt über die
„lange Seite“, dabei wurden die Sparrenpfetten (14 x 30 x 1.580 cm)
beidseitig mit OSB-Platten beplankt, um so die Aussteifung zu
verstärken. Der Wandanschluss erfolgt mit gedübelten Stoßhölzern.
Im Firstbereich konnte in Längsrichtung ein dreiteiliges Oberlicht
in einer Länge von 15,6 m realisiert werden, das von zwei Pfetten
aus Brettschichtholz getragen wird.
Als Dachhaut wählten die Planer verzinntes Kupfer in
Doppelstehfalzdeckung. Es besitzt eine sehr hohe Dauerhaftigkeit
und verwittert mit den Jahren zu einem warmen Grauton. Über die
Dachhaut kann das Wasser in einer Zisterne gesammelt und zur
Friedhofsbewässerung verwendet werden.
Im Innenraum der Halle ist die Dachschräge mit einer
Akustikverkleidung aus Holz abgehängt. Sie nimmt Gebäudetechnik und
Beschallung auf. Die Lautsprecher wurden oberhalb der Fenster
angeordnet. Dieser Bereich wurde mit zusätzlichen Sägeschnitten
perforiert.
Der Dachaufbau von außen nach innen:
- Kupferblech verzinnt
- Dachschalung, 22 mm
- Lattung/Hinterlüftung
- Behelfsdeckung/Unterspannbahn
- Beplankung, OSB/4 aussteifend
- Dämmung, Mineralwolle 300 mm
- Sparrenpfetten, BSH GL24h 14 x 30cm
- Beplankung, OSB/4 aussteifend
- Dampfbremse
- Akustikverkleidung, Holz 6 x 4 cm
Bautafel
Architekten: Bayer & Strobel Architekten, Kaiserslautern
Projektbeteiligte: Urbane Gestalt Landschaftsarchitekten, Köln (Planung und Gestaltung Außenanlage); Tragwerk Angnes + Rohde, Ingelheim (Tragwerksplanung); Planungsbüro Stoffel, Heidesheim am Rhein (Haustechnik); Karl Gemünden, Ingelheim (Rohbau); August Wolfsholz Ingenieurbau, Leonberg (Natursteinarbeiten); Holzbau Lehmann, Bad-Kreuznach (Zimmerer- und Holzbauarbeiten); Korbion Zwo, Simmern (Fenster / Außentüren); Rainer Heinen, Bingen-Gaulsheim (Dachdecker); Schreinerei Esser, Ingelheim (Innenausbau und Möbel); Stinner, Mainz (Garten- und Landschaftsbau)
Bauherr: Amt für Umweltschutz und Grünordnung, Stadt Ingelheim am Rhein
Fertigstellung: 2012
Standort: In den Frenzen, 55218 Ingelheim
Bildnachweis: Peter Strobel und Christian Köhler von Bayer & Strobel Architekten, Kaiserslautern