Obergadenfenster

Natürliche Belichtung und historisches Prinzip

Obergadenfenster sind eine Sonderform von Oberlichtern. Sie sind kein einzelnes Fenster, sondern immer eine zusammenhängende Gruppe. Als eine Reihung von Fensteröffnungen bilden sie ein horizontales Band in linearer, kreisförmiger oder elliptischer Anordnung im oberen Wand- und Deckenbereich von Kuppeln oder Schiffen, also länglichen Räumen, entlang von Emporen oder hoch gelegenen Galerien. Die Kontur der einzelnen Öffnung ist meist ein stehendes Rechteck oder ein schmales Rundbogenfenster.

Durch die Reihung der Fenster entsteht außerdem eine gleichmäßig flächige Ausleuchtung der gegenüberstehenden Wand, die sich damit besonders für die Präsentation von Bildern (Wandmalereien, Gemälde u.ä.) eignet.
Obergadenfenster sind aber wesentlich älter, denn diese Art von Oberlichter-Reihen gibt es bereits in altägyptischen Tempeln. Die Belichtung von Atrien, mehrgeschossigen Lobbies und Räumen, die für blendfreie helle Präsentationen benötigt werden, beispielsweise Ateliers oder Showrooms, erfolgt deshalb mit hoch angeordneten Fenstern nach dem historisch erprobten Prinzip der Obergadenfenster.

Ursprung

Der Name verweist, auch wenn die Silbe gaden heute oft missinterpretiert wird, nicht auf einen Garten, auch nicht den symbolischen Garten Gottes oder das Paradies. Das althochdeutsche Wort Gaden bezeichnet ein bescheidenes kleines Häuschen, eine Scheune, eine Kammer oder einen niedrigen Raum. Obergadenfenster bedeutet deshalb etymologisch übersetzt eine Öffnung in einem kleinen Raum oder eher Raumbereich, der sich oberhalb von anderen Räumen befindet. Die Übersetzung verweist auf den Ursprung in Kirchenwänden, denn nur diese waren mehrgeschossig. Mehrere Arkaden bzw. Bogenreihen wurden mit schmalen Galerien oder Emporen zur Gewinnung einer größeren Raumhöhe übereinandergestellt. Ein derartiger Aufwand wurde jahrhundertelang nur für Villen, Paläste und Schlösser betrieben, nicht jedoch für einfache Wohnhäuser. 

Aufgaben

Obergadenfenster leisten mehrere Aufgaben, sie dienen der:

  • natürlichen Belichtung
  • Inszenierung des Lichteinfalls, beispielsweise symbolisch als Licht Gottes
  • natürlichen Belüftung
  • tragwerkstechnischen Reduzierung und Umverteilung von Lasten

Belichtung

Die natürliche Belichtung erbringen diese hoch angeordneten Fenster sehr gut, da sie kaum durch Bäume oder umgebende Gebäude verschattet werden, außer wenn sich der Kontext durch städtebauliche Verdichtung mit Hochhäusern ändert. Je vertikaler sich die Öffnungen befinden, desto tiefer und weiter fällt das Licht ins Rauminnere. Dieses geometrische und physikalische Prinzip resultiert aus der Ekliptik der Sonne.

Durch die Reihung der Fenster entsteht außerdem eine gleichmäßig flächige Ausleuchtung der gegenüberstehenden Wand, die sich damit besonders für die Präsentation von Bildern (Wandmalereien, Gemälde u.ä.) eignet. Einen ähnlichen Beleuchtungseffekt – allerdings mit künstlichem Licht – erzielen die heute oft verwendeten, an der Decke abgehängten Lichtschienen mit aneinandergereihten Strahlern.


Tragwerk

Durch die Schaffung von Aussparungen bzw. Öffnungen im oberen Bereich eines Bauwerks reduziert sich die Belastung aus Eigenlast der Mauer auf die unteren Wände. Gleichzeitig findet eine Umverteilung der Lasten, die über die Öffnungen einwirken, über die Bögen dieser Öffnungen statt. Diese Lastkonzentration erhöht die Druckspannungen auf Pfeiler bzw. Stützen, die aus diesem Grund stärker zu dimensionieren sind als die Wände. Dieses tragwerkstechnische Zusammenspiel aus Fenster, Wand, Stütze und Raum lässt sich besonders gut an mehrschiffigen gotischen Kirchen ablesen. Obergadenfenster sind aber wesentlich älter, es gibt sie bereits in altägyptischen Tempeln.

Typologie

Typologisch sind Obergadenfenster mit Fensterbändern der klassischen Moderne verwandt, à la Eileen Gray und Le Corbusier, auch wenn diese auf einem völlig anderen baukonstruktiven, tragwerkstechnischen und architekturtheoretischen Konzept basieren. Entfernt ähneln sie hinsichtlich ihrer symbolischen Bedeutung Himmelsbrunnen in der klassischen chinesischen Architektur. -sj

Fachwissen zum Thema

Die Anordnung der Fenster erfolgt zwar klassischerweise nach den vier Himmelrichtungen, aber in einem präziseren Sinne nach der Ekliptik der Sonne (im Bild: Fensterwand mit beweglichen Glaslamellen als Sonnen- und Blendschutz).

Die Anordnung der Fenster erfolgt zwar klassischerweise nach den vier Himmelrichtungen, aber in einem präziseren Sinne nach der Ekliptik der Sonne (im Bild: Fensterwand mit beweglichen Glaslamellen als Sonnen- und Blendschutz).

Bauphysik

Fenster und Sonnenstand

Beim Begriff Fensterband handelt es sich um eine meist waagerechte Aneinanderreihung von Fenstern, die nur durch Rahmen, Pfosten oder schmale Blindfenster unterbrochen sind (im Bild: zeitgenössische Fensterbänder, Berlin, Gewers Pudewill, 2020).

Beim Begriff Fensterband handelt es sich um eine meist waagerechte Aneinanderreihung von Fenstern, die nur durch Rahmen, Pfosten oder schmale Blindfenster unterbrochen sind (im Bild: zeitgenössische Fensterbänder, Berlin, Gewers Pudewill, 2020).

Fensterarten

Fensterband

Grabkapelle auf dem Württemberg, mit dem Opaion des Pantheons in Rom als Vorbild

Grabkapelle auf dem Württemberg, mit dem Opaion des Pantheons in Rom als Vorbild

Fensterarten

Himmelsauge

Bei einem stehenden Fenster ist die Fensterhöhe ein Vielfaches der Fensterbreite, während bei einem liegenden Fenster die Fensterbreite um ein Vielfaches größer ist als die Fensterhöhe (im Bild: stehendes Fenster in einer Metallhaut).

Bei einem stehenden Fenster ist die Fensterhöhe ein Vielfaches der Fensterbreite, während bei einem liegenden Fenster die Fensterbreite um ein Vielfaches größer ist als die Fensterhöhe (im Bild: stehendes Fenster in einer Metallhaut).

Fensterarten

Stehende und liegende Fenster

Surftipps

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