Umbau und Erweiterung der Kunstuniversität Linz
Im leuchtenden Aufzug übers Dach
Wie der Umgang mit einem historisch und baulich schwergewichtigen Erbe aussehen kann, zeigt die Umgestaltung samt Erweiterung einer der Standorte der Kunstuniversität Linz. Denn die Brückenkopfbauten am Donauufer gehören zu den wenigen der im Zuge der monumental-gigantomanischen nationalsozialistischen Planungen für die oberösterreichische Stadt tatsächlich ausgeführten Projekte. Nach Entwürfen des Architekten und NSDAP-Parteimitglieds Roderich Fick und als Sitz der Finanzbehörde gebaut, wurden die beiden nahezu symmetrischen Gebäude nach Ende des Weltkriegs unter anderem durch die Vorgängerinstitutionen der Linzer Kunstuniversität in Anspruch genommen, die nunmehr deren wichtigste Nutzerin ist. Der jüngste Umbau, der auch das problematische Vermächtnis thematisiert, wurde durch das Büro des Architekten Adolf Krischanitz geleitet. Im Äußeren ist es vor allem der durch die Künstlerin Katrin Sander erdachte gläserne „Transzendenzaufzug", der von dieser Transformation kündet.
Gallerie
Die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz – Kunstuniversität Linz, die 1947 als Kunstschule gegründet und in den 1970er-Jahren zur Hochschule erklärt wurde, bildet Studierende nicht nur in den verschiedenen Künsten, in Design und Architektur aus – sie schult auch angehende Lehrkräfte und bietet kulturwissenschaftliche Studiengänge an. Während die massigen NS-Bauten den damit einhergehenden universitären Anforderungen einerseits genügend Platz boten, konnte die kleinteilige Gliederung des einstigen Verwaltungsgebäudes dem Lehrbetrieb kaum gerecht werden. Zudem schien es – eingedenk der schwierigen Vergangenheit Linz als Lieblingsstadt Hitlers, von der gerade die Brückenkopfbauten Zeugnis geben – ungenügend, beim Umbau allein den praktischen Anforderungen Genüge zu tun. Vielmehr galt es, auch einen Umgang mit der Historie zu finden, ohne jedoch die beiden Gebäude zu beeinträchtigen.
Dem Himmel entgegen
Die Architektinnen und Architekten um Adolf Krischanitz, die bereits 2009 den Zuschlag zur Umgestaltung erhalten hatten, richteten ihre Aufmerksamkeit dazu auf die imposanten Treppenhäuser, um weniger eine ergänzende denn eine subtraktive Vorgehensweise anzuregen: Durch die Öffnung der einstigen Säulenhallen zum Flussufer erscheinen die Treppenbereiche heute nicht nur heller als zuvor, sondern bieten den Universitätsangehörigen auch zusätzliche Aufenthalts- und Begegnungsflächen. Indem zugleich die Geschossebenen durchbrochen und die Stockwerke durch Atrien miteinander verknüpft wurden, findet sich die lagernde Schwere des Bestandsbaus, der die Donau auf mehr als hundert Metern begleitet, durch eine lichte Vertikale herausgefordert. Diesem himmelwärtigen Streben, das die ursprüngliche Konzeption konterkariert, entspricht zugleich auch die Fortführung der Treppen, die bis die gläsernen Dachaufbauten führen. Wie die transparenten Hörsäle der steinernen Massivität entgegenstehen, so unterscheiden sich auch die neu eingefügten Treppen in ihrer Nüchternheit von den natursteingeschmückten Stufenfolgen des Bestandgebäudes.
Kunst am Bau am Kunstbau
Auch die abschließende Drehung der Treppen, die in die gläsernen Auditorien führt, lässt jenseits bloßen Pragmatismus' eine bewusste Inkonsequenz erkennen, die als architektonisches Statement aufgefasst werden kann. Dem nämlichen Bemühen aber, die ganz praktischen Erfordernisse der Erschließung architektonisch zu überhöhen, entspricht auch der Aufzugsturm, der über das Dach des östlichen Trakts hinaus in den Linzer Himmel ragt. Dabei steht der gläserne Schaft in einer fast fünfzigjährigen Tradition künstlerischer Intervention an den Brückenkopfbauten: Nachdem das Gebäude in den 1970er-Jahren durch das Architekturkollektiv Haus-Rucker-Co mit der metallenen Plastik „Nike von Linz" versehen worden war (die allerdings nach wenig mehr als zwei Jahren und massiven Protesten wieder demontiert wurde), hatten Hito Steyerl und Gabu Heindl 2009, als Linz den Titel einer Europäischen Kulturhaupstadt führen durfte, die Fassade als Display genutzt. Dazu ließen sie der Gebäudehülle eine diagrammatische Karte einmeißeln, die die nationalsozialistische Entstehungsgeschichte der Bauten thematisierte.
Elektro: Der „Transzendenzaufzug" mit steuerbarer Lichtdecke
Der gläserne „Transzendenzaufzug" schließlich, der seit 2017 die Symmetrie der Zwillingsbauten unterbricht und Gästen wie Studierenden und Hochschulpersonal Ausblicke über Linz und das Umland eröffnet, ist eine Arbeit der Künstlerin Karin Sander. Ausgehend von der besonderen Bedeutung, die Lastenaufzügen in Galerien, Museen und Depots, aber eben auch in den Akademien zukommt, gestaltete Sander den Lift jenseits seines praktischen Nutzens als begehbares kinetisches Kunstwerk.
Seine beeindruckende Wirkung verdankt sich dabei auch der
Lichtdecke: Eigens entwickelt, eröffnet ihr Steuerungssystem den
Studierenden die Möglichkeit, auf verschiedenste Parameter Einfluss
zu nehmen und somit ganz eigene Lichtprogramme zu inszenieren –
sodass die Kanzel des Fahrstuhls in immer neuer Weise in den
verschiedensten Farben über den Dächern von Linz erstrahlt.
-ar
Bautafel
Architektur Umbau: Architekt Krischanitz, Wien/Zürich
Projektbeteiligte: Karin Sander, Berlin/Zürich (Kunst am Bau); Triendl und Fessler Architekten, Wien (Kooperation Wettbewerb); Heintzel Steinbichl & Partner, Linz; Wernly + Wischenbart + Partner Ziviltechniker, Linz (Tragwerksplanung); Adenbeck, Wels (Gebäudetechnik); Landsteiner, Amstetten (Elektro); Zumtobel, Dornbirn (Leuchten und Lichtdecke im Aufzug)
Bauherrschaft: Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), Wien
Fertigstellung: 2019
Standort: Hauptplatz 6-8, 4020 Linz, Österreich
Bildnachweis: Faruk Pinjo, Wien/Kronberg im Taunus
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