Fortbildungszentrum mit Kantine in Mailand
Geradlinig und verspielt
Von dem einstigen Stammwerk Pirellis in Bicoccia im Norden Mailands ist nicht mehr viel übrig. Die Reifenproduktion spielt sich weitgehend in anderen Ländern ab, das ehemalige Firmengelände wurde schon ab den 1980er-Jahren nach und nach neuen Nutzungen zugeführt und umgebaut. Präsent ist Pirelli in dem Stadtviertel jedoch nach wie vor. In unmittelbarer Nähe des Hauptsitzes entstand nun nach den Plänen des ortsansässigen Büros Onsitestudio ein Neubau, der eine Kantine und das Fortbildungszentrum Pirelli Learning Center für die Mitarbeitenden des Unternehmens beherbergt.
Gallerie
Das sogenannte Cinturato Building positioniert sich an der Nordwestecke des städtischen Blocks, in dem sich das Hauptquartier samt historischem Garten befindet. Der zur Straße hin dreigeschossige Riegel ersetzt einen Altbau an gleicher Stelle. Zum rückwärtigen Garten hin erweitert ein eingeschossiges, keilförmiges Volumen den Bau. Darauf befindet sich eine Dachterrasse.
Hommage an den Reifen
Die geschossweise leicht versetzte Rasterfassade zeigt sich zur Straße hin weitgehend geschlossen; die bodentiefen Fensteröffnungen sind hier à la Carlo Scarpa ornamental vergittert. Zu den Seiten und zum Garten hin wurden zwischen den vorgeblendeten Lisenen und Gesimsen des Riegels geschosshohe Verglasungen eingesetzt, die teilweise um Lüftungsflügel ergänzt sind.
Die Lisenen, einige Gesimse sowie die Stützen des eingeschossigen Bauteils sind bogenförmig angeschnitten. Wer will, kann schon darin einen Hinweis auf die Reifenform sehen. Einen eindeutigen Bezug zu Pirelli erlauben jedoch die markanten Oberflächenstrukturen, die diese konkaven Flächen sowie die geschlossenen Sichtbetonpaneele der Hülle prägen: Erinnern sie doch in ihren verschiedenen Ausprägungen an die Profile von Reifen.
Unten essen, oben lernen und entspannen
Zwei Achsen gliedern das Bauwerk: Im Erdgeschoss mit der Kantine ist es eine Passage von der Straße zum rückwärtigen Garten, wo ein Weg weiter zum Hauptquartier führt. Im ersten Obergeschoss wird die Achse um 90 Grad gedreht, sodass sie sich dann in Längsrichtung orientiert. Ein bis zum verglasten Dach offener Erschließungsbereich mit Himmelsleiter bildet die Mitte des Fortbildungszentrums, das auf den oberen Etagen untergebracht ist. Daneben finden sich in dem Gebäude zwei Sichtbetontreppen in dynamisch geschwungenen Formen.
Beton: Feingliedrige Matrizen
Während der Rohbau in Stahlbeton vor Ort erstellt wurde und nur stellenweise Sichtbetonanforderungen genügen musste, ließ man die Fassadenelemente im Werk vorfertigen. Dazu zählen die geschlossenen Fassadenpaneele ebenso wie die Stützen im eingeschossigen Bereich, sowie die vorgeblendeten Lisenen und Gesimse.
Für die reifenprofilartigen Oberflächenstrukturen wurden fünf Muster ausgewählt, die über Positivformen aus Holz auf Matrizen übertragen wurden. Die geschlossenen Sichtbetonpaneele, die im Erdgeschoss tragend ausgeführt wurden, zeigen durchgehend die gleiche Textur. Bei den Stützen und Lisenen ließ das Planungsteam im Werk je eine von fünf Matrizen in die konvex gerundeten Bereiche der Stahlschalungen einlegen.
Alle Elemente wurden liegend geschalt. Verwendet wurde ein
selbstverdichtender Beton, der die feinen Strukturen abbilden
konnte und sich für die Herstellung der Stützen mit ihrem
Querschnitt von 250 mm mal 500 mm eignete. Die dunkle Farbe des
Betons rührt laut Architekturbüro ausschließlich von dem
verwendeten Zement und der Körnung her; Pigmente wurden
demnach nicht eingesetzt. -chi
Bautafel
Architektur: Onsitestudio, Mailand
Projektteam: Giancarlo Floridi und Angelo Lunati mit Michele Miserotti (Projektleitung), Filippo Cattapan, Jo Fonti, Luca Gallizioli, Chiara Molinari, Sebastian Sanchez, Stefano Casula, Filippo Cattapan, Leonardo Chironi, Nicolò De Paoli, Emilio Ellena, Filippo Fagioli, Jo Fonti, Luca Gallizioli, Davide Macchi, Gianpietro Manazza, Ilaria Pisoni
Projektbeteiligte: SCE project, Mailand (Tragwerksplanung) Carron Cav. Angelo, Ca' Rainati (Generalunternehmen); Deerns Italia, Mailand (Gebäudetechnik)
Bauherrschaft: Pirelli & C., Mailand
Standort: Viale Sarca, 222, 20126 Mailand
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Filippo Romano, Mailand; Onsitestudio, Mailand
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