École de l’Étincelle in Saguenay
Lernlandschaft unterm Satteldach
Die klassische Schultypologie – bestehend aus Klassenräumen und Fluren – gehört zunehmend der Vergangenheit an. Im zeitgenössischen Schulbau sind einladende Lernlandschaften gefragt, die sich an den Bedürfnissen von Kindern orientieren. Dieser Wandel bringt auch neue Anforderungen an die Raumakustik mit sich, denn Lärm und störende Geräusche wirken sich nachweislich negativ auf den Lernprozess aus. Die École de l’Étincelle in der kanadischen Stadt Saguenay zeigt, wie eine offene und dennoch ruhige Lernumgebung aussehen kann. Das mehrgliedrige Schulgebäude mit Satteldächern grenzt an den Parc Saint-Joachim im Stadtteil Chicoutimi und fügt sich städtebaulich gut ein. Realisiert wurde es nach Plänen der Büros Agence Spatiale, Appareil Architecture und BGLA Architecture.
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Heimelige Satteldächer
Der Schulkomplex besteht aus sechs miteinander verbundenen
Gebäudeteilen, die um einen Pausenhof angeordnet sind. Die
Satteldächer der meist zweigeschossigen Häuser sind mal giebel- und
mal traufständig zur Rue Boily beziehungsweise zum Pausenhof
ausgerichtet. Ihre verschachtelte Anordnung lässt an Holzbauklötze
denken; sie strahlen eine freundliche, einladende Wirkung aus.
Unterstützt wird diese durch große Fenster und verglaste
Verbindungsgänge, die nicht nur zahlreiche Sichtbezüge zwischen
innen und außen herstellen, sondern auch viel Tageslicht
hineinlassen.
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Spielen und Lernen im Grünen
Der Außenbereich wurde mit viel Liebe zum Detail gestaltet und erweitert den Lernraum über die Gebäude hinaus. Hier sind unter anderem ein Sportparcours, ein Outdoor-Klassenzimmer und ein Schulgarten anzufinden. Darüber hinaus gibt es Freiflächen für individuelles und gemeinschaftliches Spielen, die die spielerische Erkundung und die Kreativität der Kinder fördern sollen. Bepflanzt wurde das Areal überwiegend mit heimischen Arten. Das Regenwassermanagement erfolgt über Retentionsbecken, die auch für die Bewirtschaftung der Hochbeete genutzt werden. Hier bauen die Schüler*innen das ganze Jahr über Gemüse an.
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Fokus auf den Zwischenräumen
Im straßenseitigen Gebäudeabschnitt, der in die zum Hof abfallende Topografie eingebettet ist, befinden sich im Erdgeschoss Verwaltungsräume. Ein Geschoss tiefer sind hofseitig Klassenräume für die Vorschulklassen untergebracht. Der anschließende nordöstliche Gebäudeteil beherbergt einen gemeinschaftlichen Lernraum, der die klassische Schulbibliothek ersetzt und auch außerhalb der Schulzeiten für die Gemeinde geöffnet ist. Ein hölzernes Treppenpodest dient als Aufenthaltsraum. Hier können die Schüler*innen sich treffen, lesen oder die Pause verbringen. Daneben befindet sich das sogenannte Creative Lab, ein mit digitalen Geräten ausgestatteter Multifunktionsraum. Außerdem findet sich hier das Culinary Lab, eine voll ausgestattete Lehrküche, in der die Schüler*innen Erträge aus dem Schulgarten verarbeiten und so über Ernährung lernen können.
Im nordwestlichen Gebäudeabschnitt befinden sich die nach Norden ausgerichteten Klassenzimmer. Jede Jahrgangsstufe hat ihren eigenen Bereich, Farbmarkierungen dienen als Orientierungshilfe. Offene Gemeinschaftsbereiche sollen die Interaktion zwischen den Jahrgängen fördern. Auf diese Zwischenräume wurde bei der Gestaltung ein besonderer Fokus gelegt. Integrierte Bücherregale und Sitznischen sollen für eine einladende Atmosphäre sorgen, in der die Schüler*innen sich gerne aufhalten und begegnen.
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Akustik: Räumliche Zonierung und gedämmte Decken
Gerade bei Schulkonzepten mit offenen Grundrissen sind akustische Maßnahmen erforderlich, damit sich die Schüler*innen nicht gegenseitig stören. Obwohl in der École de l’Étincelle an mehreren Stellen offene Bereiche geschaffen wurden, sind die verschiedenen Nutzungen räumlich voneinander getrennt. Innenliegende Fenster sorgen für Sichtbezüge und helle Räume, bilden aber dennoch eine Schallbarriere. In dem großen Aufenthaltsraum sorgen mehrere Aspekte für eine ausgewogene Akustik: Durch das Treppenpodest und die Dachschräge sind Boden und Decke nicht parallel zueinander, was sich auf die Streuung der Geräusche im Raum auswirkt; gepolsterte Möbel wie etwa die frei im Raum arrangierten Sitzsäcke absorbieren Schall.
In den Klassenzimmern sind die Deckenschrägen mit akustisch wirksamen Holzwolle-Leichtbauplatten (Sauerkrautplatten) verkleidet. In manchen Klassenräumen wurden außerdem Teppiche ausgelegt, auf denen die Kinder spielen können und die zusätzlich einen Beitrag zur Schallabsorption leisten. Die abgekapselten Sitznischen, die im gesamten Gebäude in unterschiedlicher Ausführung zu finden sind, schaffen zusätzliche Ruheinseln.
Bautafel
Architektur: Agence Spatiale, Appareil Architecture, BGLA Architecture
Projektteam: Stéphan Gilbert (BGLA, verantwortlicher Partner), Kim Pariseau (Appareil Architecture, verantwortliche Partnerin), Étienne Bernier (Agence Spatiale, verantwortlicher Partner)
Projektbeteiligte: AMEC Construction (Bauunternehmen, Hersteller), LGT (Ingenieurwesen), Collectif Escargo+ Rousseau Lefebvre (Landschaftsarchitektur), Martin Roy & Associés (Umwelt- und Nachhaltigkeitsberatung), Électricité Sirois (Elektrotechnik), Pro-Sag mécanique (Mechanik, Sanitär, Heizung, Lüftung, Klima), Mathieu Valade (Künstler)
Bauherr*in: Commission Scolaire des Rives du Saguenay
Fertigstellung: 2023
Standort: 870 Rue Boily, Chicoutimi, QC G7J 2Y4
Bildnachweis: Maxime Brouillet, Étienne Bernier