Erweiterung einer Fensterfabrik in Hagendorn
Architektur und Landschaft im Dialog
Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, wollte das Unternehmen G. Baumgartner seine Fensterfabrik am Rande des Siedlungsgebietes von Hagendorn großzügig erweitern. Der angrenzende Landschaftsraum gehört allerdings zu den Schweizer BLN-Gebieten (Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung). Es entstand ein Konflikt zwischen Natur- und Landschaftsschutz einerseits und der Stärkung der lokalen Wirtschaft und des Erhalts von Arbeitsplätzen andererseits. Die Architekten Graber und Steiger gewannen den daraufhin ausgeschriebenen eingeladenen Wettbewerb - mit einer Werkerweiterung, die dem Übergang zur Landschaft eine besondere Qualität verleiht und ökonomische und ökologische Anforderungen intelligent und ansprechend vereint.
Gallerie
Ausgedehnte Felder und sanfte Hügel prägen den Landschaftsraum, der durch Hecken, Waldränder und Gewässer gegliedert ist. Dieses Muster übertragen die Architekten auf den Erweiterungsbau; der verspringende Waldrand wird in Form einer heckenähnlichen Vegetationswand weitergeführt, die das Gelände umschließt. Eine Pfeiffengraswiese auf dem begrünten Dach der überbauten Fläche ist von den umliegenden Hügeln als geometrisiertes Naturelement wahrnehmbar. Für einen Ausgleich des baulichen Eingriffs in die Natur sorgen zusätzlich umgenutzte Landwirtschaftsflächen in der Nachbarschaft.
Die mit einheimischen Wildgehölzen berankte Vegetationswand aus Holz und Metall öffnet sich wie ein durchlässiger Vorhang, der Ein- und Ausblicke ermöglicht und visuelle Bezüge herstellt. Hinter dieser künstlichen Hecke entsteht unter dem weit auskragenden Dach der Produktionshalle ein geschützter Raum zur An- und Auslieferung. Die große Halle ist mit einer durchgehenden Höhe von 6 m und einer 23 m weit spannenden verkleideten Stahlkonstruktion besonders flexibel nutzbar. Viel Tageslicht scheint durch Oberlichtbänder und eine transluzente Gebäudehülle, großzügige Tore führen zu den An- und Auslieferungsrampen.
Sockel und Außenwände des Untergeschosses sind aus Beton. Die tragende Hallenkonstruktion besteht aus Stahlstützen mit H-Profil und kreuzweise befestigten Fachwerkträgern. Aus Lärche ist die Pfosten-Riegel-Konstruktion der Außenwände gefertigt und mit einer Ausfachung aus transluzenten Polycarbonatplatten versehen. Die Anschlüsse an die Stahlfachwerkträger bestehen aus Sandwichpaneelen aus Holz. Bei den Schiebetoren handelt es sich um Stahlrohrkonstruktionen mit transparenter Ausfachung aus Glas und Acrylglas. Das Dach ist mit einer Feuchtwiese und einer Vielzahl einheimischer Gräser und Blumen bepflanzt.
Bei der Wahl der Farben, Strukturen und Oberflächen erzeugen natürlich belassene und nicht verwitterbare Materialien einen spannenden Kontrast. Holzelemente und naturfarbene Kupferpaneele zeigen nach einiger Zeit Patina, lackierte Stahlträger, Kunststoff-Fassadenplatten und voroxidierte Kupferpaneele hingegen bleiben in ihrer Wirkung künstlich, ihre Erscheinung aber wechselt je nach Lichteinfall. Im Gebäudeinneren treten die kräftigen Farben der Produktionsmaschinen in den Vordergrund.
Nachhaltig Bauen
Die Werkerweiterung zeigt, wie Gewerbe- und Industriebauten zu
einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Die
Gebäudegeometrie erzeugt eine im Verhältnis zur Überbauung geringe
Fassadenfläche und das Energiekonzept ist auf die örtlichen,
produktionstechnischen und baulichen Gegebenheiten abgestimmt, so
dass für die Regulierung des Gebäudeklimas ein Minimum an
haustechnischen Maßnahmen erforderlich ist. Zur Kühlung des
aufgestockten Büros mittels Betonkernkühlung sowie zur Befeuchtung der Halle
im Winter wird vorhandenes Grundwasser genutzt. Die Abluft und
Abwärme der produktionsbedingten Druckluftanlage wird zur Belüftung
und Beheizung des Untergeschosses genutzt, die Abwärme der
Maschinen dient zur Beheizung der Halle. Bei Bedarf werden die bei
der Herstellung von Holzfenstern anfallenden großen Mengen an
Holzspänen verfeuert. Eine weitere Energiequelle ist nicht
notwendig, der Heizwärmebedarf liegt bei 63 MJ/m².
Den größten Anteil an der Gebäudehülle hat das Dach, dessen
Aufbau den sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz bestmöglich
erfüllt. Es kragt so weit aus, dass es die Fassade konsequent
verschattet. Die Nutzung des Tageslichts ist maximiert, Kunstlicht
ist nur in den Abend- und Nachtstunden notwendig: Wärmedämmende,
transparente und transluzente Fassadenelemente lassen auch an
bewölkten Tagen viel Licht in das Gebäude und sorgen für eine
farbneutrale Ausleuchtung. Das Hallendach ist über Oberlichtbänder
nach Norden regelmäßig geöffnet. Darüber liegende, Licht streuende
Gitterroste dienen der Verschattung. Über Blechzargen wird das
Licht ins Gebäudeinnere geführt, ohne seine Farbtemperatur zu
verändern. Die Oberlichter dienen zudem der Nachtauskühlung durch
natürliche Lüftung; auch die Fassade ist mit Klappen zur
Querlüftung für die Nachtauskühlung versehen, ebenso wie die
Fassadenklappen im Untergeschoss. Hier wird die natürliche Lüftung
durch die Abluft der produktionsbedingten Abluftanlage als
Überdruck unterstützt. Eine Kühlung der Halle ist nicht
erforderlich (dies erwies sich bereits im besonders heißen Sommer
2006), da diese optimal verschattet ist, nachts auskühlt und der
Wasserstau im Gründach Verdunstungskälte erzeugt.
-us
Bautafel
Architekten: Graber & Steiger, Luzern
Projektbeteiligte: Alfred Müller, Baar (Generalunternehmer); Koepfli Partner Landschaftsarchitekten, Luzern (Landschaftsarchitektur); Jan Zaba/Mebatech, Baden (Fassadenplanung); Plüss Meyer Partner; Luzern/Charn und Locher Ingenieure; Zürich (Statik); Betschart Energie- und Haustechnik, Goldau (HLKS-Planung); Ragonesi, Strobel Partner, Luzern (Bauphysik)
Bauherr: G. Baumgartner, Hagendorn
Standort: Flurstraße 41, Hagendorn
Fertigstellung: 2006
Bildnachweis: Dominique Marc Wehrli, Zürich
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