Rathaus in Bissendorf
Verblendmauerwerk aus Wasserstrichziegeln
Der Bautypus des niederdeutschen Hallenhauses, aufgrund seiner regionalen Verbreitung auch Niedersachsenhaus genannt, wurde jahrhundertelang im ländlich-bäuerlichen Norddeutschland gebaut und prägt noch heute viele Ortschaften. Als die Gemeinde Bissendorf bei Osnabrück 2013 einen Realisierungswettbewerb unter 15 Architekten für einen Rathausneubau ausschrieb, konnte sich das Stuttgarter Büro Blocher Blocher Partners mit einer modernen Interpretation des traditionellen Bautypus im Wettbewerb durchsetzen. Statt aus hölzernem Fachwerk besteht dessen tragende Konstruktion aus Stahlbeton, der mit Sichtmauerwerk bekleidet wurde.
Gallerie
Das Gebäudeensemble setzt sich aus einem Bürgersaal und dem Rathaus zusammen, die über einen verglasten Trakt miteinander verbunden sind, in dem sich auch der Eingang befindet. Die Bauten sind parallel, aber versetzt zueinander angeordnet und fassen den Vorplatz der neugotischen Sankt Dionysius Kirche im Norden ein, dem sie jeweils ihre Giebelseiten zuwenden. Nach Vorstellung der Architekten fungieren sie als städtebauliches Gelenk zwischen dem zentralen Kirchplatz und einem neu angelegten öffentlichen Garten hinter dem Bürgersaal. Dieser ist im Inneren als ein offener, zwölf Meter hoher und stützenfreier Raum ausgeführt, der den Blick bis unter den steilen Satteldachstuhl freigibt. Große, teilweise bodentiefe Fensterflächen öffnen den Raum zum Kirchplatz. Sichtbeton und helles Eichenholz prägen die Innenraumgestaltung. In dem repräsentativen Saal finden nicht nur die Ratssitzungen der Gemeinde statt, sondern auch Versammlungen und Veranstaltungen aller Art. So wurde beim Innenausbau darauf geachtet, dass die Holzverkleidung zu einer für Konzerte angemessenen Raumakustik beiträgt.
Der Verwaltungstrakt des Rathauses hat ein flach geneigtes, asymmetrisches Satteldach und mutet durch sein langgestrecktes Volumen und die horizontalen Fensterbänder an den Traufseiten wie ein Hybrid aus dem Archetypus des traditionellen Satteldachhauses und einem Gebäuderiegel des modernen Bauens der sechziger Jahre an. Durch das nach Norden leicht abfallende Gelände verfügt die Verwaltung über drei Vollgeschosse, wobei das Sockelgeschoss teilweise in den Hang eingeschoben ist. Der Riegelbau ist als klassischer Zweispänner mit breiten Fluren und zentralen Wartebereichen organisiert. Eine Brücke führt vom Obergeschoss in das benachbarte historische Haus Bissendorf, wo das Trauzimmer untergebracht ist.
Mauerwerk
Auch wenn das typologische Vorbild des niederdeutschen Hallenhauses
in Fachwerkbauweise errichtet wurde, entschieden sich die
Architekten für eine zeitgemäße Ausführung in Stahlbetonbauweise
mit Sichtmauerwerk aus hellem Klinker. Das Verblendmauerwerk korrespondiert zudem mit den
Farben und Materialien der Nachbarschaft, sodass sich das neue
Ensemble gut in das Ortsbild einfügt. Als weiteren Grund für die
Entscheidung für eine Klinkerfassade führen die Architekten an,
dass der Baustoff dauerhaft ist und in Würde altert.
Die 57 cm starken Außenwände sind als zweischalige
Konstruktionen mit Kerndämmung ausgeführt und an der Innenseite mit
einem 15 mm dicken, einlagigen Gipsputz versehen. Auf die tragende
25 cm dicke Stahlbetonwand folgt eine 18 cm dicke Kerndämmung
aus Mineralwolle. Zwischen der Wärmedämmung und der Vormauerschale
ist ein 20 mm Luftspalt angeordnet. Das Verblendmauerwerk ruht auf
Edelstahl-Konsolen. Die Architekten wählten einen hellen,
unglasierten Wasserstrichziegel im Format 240 x 115 x 52 mm.
Herstellungsbedingt weisen die Vollsteine unregelmäßige Kanten und
Oberflächen auf. Da dieser Prozess nicht steuerbar ist, entspricht
kein Wasserstrichziegel dem anderen.
Bautafel
Architekten: Blocher Blocher Partners, Stuttgart
Projektbeteiligte: Ehlers-Unland, Osnabrück (Tragwerksplanung); Jager+Partner, Osnabrück (Haustechnik); DS-Plan, Stuttgart (Bauphysik); ISR Ing.-Büro Schlegel & Reußig, Lage (Elektroplanung); Ingenieurbüro Horsthemke, Bad Iburg (Geologie); Vermessungsbüro Flüssmeyer, Osnabrück (Vermessung); Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart (Freiraumplanung); Ziegelei Hebrok, Natrup-Hagen (Klinker)
Bauherr: Gemeinde Bissendorf
Fertigstellung: 2015
Standort: Kirchplatz 1, 49143 Bissendorf
Bildnachweis: Christian Richters, Berlin; Blocher Blocher Partners, Stuttgart
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