Rohstoffquelle und Materialbank
Urban Mining bei Rathauserweiterung in Korbach
Es gibt einen Königsweg für all jene, die beim Bauen Ressourcen schonen und CO2 einsparen wollen: die Umnutzung und Modernisierung bereits bestehender Gebäude. Doch in manchen Fällen ist dieser Pragmatismus nicht mehrheitsfähig. So etwa in Korbach, wo sich die Gemeinde mit der 1970er-Jahre-Erweiterung ihres Rathauses nicht weiter abfinden wollte.
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Die Kreisstadt wird in ihrem Zentrum von imposanten Fachwerkhäusern geprägt, die meist giebelständig zur Straße stehen. Der horizontal geschichtete und ursprünglich komplett mit Waschbeton bekleidete Flachbau, der sich an das historische Rathaus anlagerte, passte da für viele nicht recht ins Bild. Daher musste das Bauwerk nun, zusammen mit zwei Nebengebäuden, nach nicht einmal 50 Jahren Lebensdauer weichen.
Dem Neubau, der von Heimspiel Architekten in Kooperation mit agn verwirklicht wurde, dient die abgetragene Substanz dabei so gut wie möglich als Rohstoffquelle. Dabei sind besonders die mineralischen Bestandteile, allen voran das Tragwerk aus Stahlbeton, relevant. Gleichzeitig wird die Erweiterung – anders als der 1970er-Jahre-Bau – so geplant und gebaut, dass die verwendeten Ressourcen bei einem weiteren Rückbau sortenrein getrennt und neuen Nutzungen zugeführt werden können.
Das Urban-Mining-Projekt wurde wissenschaftlich begleitet durch ein Forschungsteam unter Führung der Universität Kassel, dessen Arbeit wiederum vom Bund gefördert wurde. Im Fokus standen dabei sowohl die Planung und Umsetzung des selektiven Rückbaus, als auch die Aufbereitung des Betonbruchs sowie die Bereitstellung von RC-Beton für den Neubau. Ziel war es, eine wissenschaftliche Grundlage für weitere derartige Projekte zu schaffen (siehe Surftipp). Für die Bewertung nutzte man unter anderem einen Urban-Mining-Index, den Anja Rosen, Professorin für Zirkuläres Bauen an der Bergischen Universität Wuppertal und Mitarbeiterin der agn-Gruppe, erarbeitet hat.
Je nach Einsatzort wurden in Korbach RC-Betone mit unterschiedlichen rezyklierten Körnungen (Anteil bis zu 43 Prozent) verwendet. Fragmente, die nicht entsprechend rein aufbereitet werden konnten – und damit der größte Teil des wiederverwendeten Bauschutts –, dienten als Verfüllung unter dem Fundament. Das neue Tragwerk wurde mit einer rezyklierten Körnung des Typs 1 umgesetzt. Für die Betonfertigteile der Fassade ließ man eine RC-Körnung des Typs 2 verwenden – mit rotem Ziegelsplitt als einem der Bestandteile. Dadurch zeigt die Gebäudehülle feine rote Einsprengsel, die auf die Besonderheit des Baumaterials hindeuten. Insgesamt konnten von den circa 9.800 Tonnen Beton- und Ziegelmaterialien, die beim Rückbau anfallen, rund 6.000 Tonnen beim Neubau wiederverwendet werden.
Die Korbacher haben die Chance genutzt, mit dem selektiven Rückbau und der Wiederverwertung des Abbruchs, aber auch mit dem als Materialbank gedachten Neubau in Sachen Kreislaufwirtschaft ein Zeichen zu setzen. Beim Thema CO2-Einsparung kann der Bau hingegen nur wenig punkten. Die Aufbereitung von Bauschutt ist ebenso energieintensiv wie die Herstellung von Kalksteinsplitt aus Primärmaterial und auch bei der Produktion von R-Beton muss das klimaschädliche Bindemittel Zement neu hinzugefügt werden. In Korbach wurde – im Einklang mit bestehenden Regularien – darauf geachtet, den Zementanteil gegenüber konventionellem Beton nicht zu erhöhen. Insofern steht der Erhalt von Gebäuden, wenn diese flächen- und energieeffizient weitergenutzt werden können, weiterhin an der Spitze der guten Ideen in Sachen Klimaschutz im Bauwesen.
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