Erst digitalisieren, dann wiederverwenden
Über das Forschungsprojekt Fertigteil 2.0
Es scheint so einfach: Ungenutzte Betongebäude werden zerlegt und mit den Teilen neue Gebäude errichtet. Doch welcher Aufwand muss dazu betrieben werden? Und wie müssten die Planungs- und Bauabläufe dazu konkret aussehen? Diese Fragen beschäftigt aktuell Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen, im Forschungsprojekt Fertigteil 2.0 zum Beispiel. Von 2021 bis 2023 arbeiteten die Digital Design Unit (DDU) und das Fachgebiet Entwerfen und Nachhaltiges Bauen (ENB) der TU Darmstadt, das Institut für Tragwerksentwurf (ITE) der TU Braunschweig sowie die Unternehmen Thing Technologies und Faro Europe zusammen, um eine Prozesskette zu entwerfen und im Maßstab 1:1 zu erproben.
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Real und digital verknüpft
Heutzutage sind digitale Daten und Gebäudemodelle aus der Planung nicht mehr wegzudenken. Für eine Wiederverwendung, so der Ansatz des Forschungsteams, muss also der Bestand zunächst digitalisiert werden. Folglich beginnt die Prozesskette mit einem 3D-Scan des Bauwerks, für den der Mess- und Bildgebungsspezialist Faro Europe zuständig war. Anschließend wurden die wiederverwendbaren Stützten, Balken und Bodenplatten erfasst und mit einem Elektrochip (einer RFID-Markierung) gekennzeichnet. Mittels BIM-Modellen von Thing Technologies erhielten sie dann ihren digitalen Zwilling.
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Der Weg zum Fertigteil 2.0
Ausgiebig untersuchten die Forschenden, welche bestehenden Betonstrukturen sich für die Weiterverwendung eignen und wie sich große Bauteile ausbauen lassen. Mit ihren Erkenntnissen entwickelten sie ein modulares Bausystem mit reversiblen Verbindungen. Die Bestandsgebäude wurden mit Diamantsägen zerlegt und die Bauteile im Digital Building Fabrication Laboratory des ITE mit robotergestützten Sägen und Fräsen vereinheitlicht. So können sie als Stütze und Träger gleichermaßen fungieren – fertig ist das Fertigteil 2.0.
Das DDU katalogisierte die Bauteilgeometrien zusammen mit relevanten Metadaten in einem digitalen „Lager“ (Repository). Durch Anwendung des bereits verbreiteten Datei-Austauschformats IFC (Industry Foundation Classes) ist es möglich, dass die digitalen Zwillinge der Fertigteile mit verschiedenen BIM-Softwares bearbeitet werden können – und damit auch über bestehende Plattformen vermarktbar sind. In Verbindung mit einer webbasierten Optimierungssoftware können die Fertigteile 2.0 zu einem Gebäudeentwurf zusammenfügt und ergänzt werden.
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Wiederverwendung im Test
Um die Prozesskette und Bauweise zu testen realisierten die Forschenden einen Demonstrator. Hier zeigte sich, wie die trockenen, also frischbetonfreien, Verbindungen funktionieren: Auf die Enden der linearen Bauteile wurden Metallschuhe geschoben, die Vorbohrungen für Schrauben verfügen. Dank ihnen lassen sich Knotenpunkte herstellen, sodass am Ende ein Raumgitter entsteht. Einen Ausschnitt davon zeigte der Demonstrator.
Das Fachgebiet ENB begleitete den gesamten Prozess und erfasste Stoff- und Energieströme, die für die Wiederverwendung relevant sind: das Ernten (Rückbauen), den Transport, die Aufbereitung, die Herstellung der neuen Verbindungen und die Erstellung des Demonstrators. Beim Vergleich der CO2-Bilanzen zeigte sich, dass durch die Aufbereitung und Wiederverwendung der rückgebauten Betonbauteile 65 % weniger emittiert wurde als bei konventionell hergestellten.
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