Aus einem Geröllhaufen nahe der französischen Grenze entspringt
der Ter und schlängelt sich dann von den Pyrenäen durch den
äußersten Nordosten Spaniens zur Mittelmeerküste – mal
naturbelassen, mal begradigt und befestigt, mal aufgestaut. An
einer der Flussschleifen liegt das katalanische Örtchen Manlleu.
2019 fiel hier die noch junge Überquerung, die Freizeitorte auf
beiden Uferseiten verbinden sollte, einer Flut zum Opfer. Das
Planungsbüro Sau Taller d’Arquitectura hat sie
als Passallís l’embarcador wiederhergestellt.
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Rund zwei Stunden dauert die Zugfahrt von Barcelona gen Norden
nach Manlleu. Etwa 20.000 Menschen leben hier. Der Bahnhof am
Westrand der Kleinstadt ist Startpunkt einer Kette von Kultur-und
Freizeitorten, die sich überwiegend entlang der befestigten, teils
begrünten Promenade aufreihen: Sporthallen und Fußballfelder, ein
großer Spielplätz und ein Park sowie, ganz im Osten, das
Industriemuseum. Die ehemalige Spinnerei, in der auch das Zentrum
zur Erforschung mediterraner Flüsse untergebracht ist, liegt auf
einem Gewölbe, unter dem ein Seitenkanal sprudelnd in den Ter
mündet.
Zum Ufer hin gibt es schon seit Längerem einen Kiosk, an dessen
Steg, dem „Embarcador“, auch Kajaks ablegen. Auf der anderen Seite
des Flusses, oberhalb von Kiesbänken, Split und Schilf, grasen Kühe
zwischen ein paar Bäumen. Hier befindet sich die Devesa. In der
parkähnlichen Landschaft im Flussknie gehen die Menschen von
Manlleu vor allem spazieren – dorthin gelangten sie früher
über die hohe Straßenbrücke flussaufwärts. Die Stadtregierung
möchte das 30.000 m2 große Areal jedoch noch stärker
nutzen: für Sport- und Bildungsangebote – quasi als
Freilicht-Erweiterung des Museums.
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Dem Fluss hautnah
Um die beiden Uferseiten mit möglichst kleinen Eingriffen in das
Ökosystem und die Kapazität des Flusses zu verbinden, wurde bis
2019 eine Brücke aus Stahlbetonfüßen und zwei unterschiedlich hohen
Stahlgitterbahnen errichtet. Der damalige Bürgermeister sprach
davon, dass diese Struktur es dem Fluss ermögliche, normal zu
fließen, ohne dass er seinen Lauf ändern müsse. Zugleich wurde
damit gerechnet, dass die Brücke an mindestens 20 Prozent der Tage
im Jahr nicht begeh- und befahrbar sein würde. Trotz der
Vorkehrungen beschädigte jedoch wenig später Treibgut die
Überquerung, das der infolge starker Regenfälle angeschwollene
Fluss mit sich führte. Das Team von Sau Taller d’Arquitectura
erhielt den Auftrag, die Überquerung wiederherzustellen: Sie ist
jetzt noch durchlässiger.
Der Neubau wurde auf zwei Komponenten reduziert: Betonscheiben
auf pilzartig auskragenden Köpfen und dazwischen eingelegte
Metallgitter. Die Konstruktion erinnert an zufällige oder
archaische Flussübergänge, bei denen man von einem Stein zum
nächsten springt. Diese Passallís sind per
Definition überflutbare Elemente und fügen sich auf vergleichsweise
leichte Weise in die Dynamik des Flusses ein. Beim Übergang von
einer Böschung zur anderen befinden sich die meisten Menschen wohl
außerhalb der alltäglichen, städtischen Komfortzone. So ganz ohne
Brüstungen rückt der Fluss ganz nah an den Körper heran: das
Plätschern, die Feuchtigkeit, die Kühle – wahrscheinlich
werden sich viele der Kraft des Wassers bewusst. Die
Architekturschaffenden rechnen fest damit, dass sich die Farbe des
Betons den schwankenden Wasserständen entsprechend verfärben
wird.
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Maximierte Durchlässigkeit
Insgesamt wurden 33 der Betonelemente verbaut. Zwischen ihnen
ist jeweils 2,20 Meter Platz. So möchten die Planenden
sicherstellen, dass genauso viel Wasser unter der Brücke
hindurchfließen kann, wie zuvor als durchschnittlicher
Tagesdurchfluss gemessen wurde. In erster Linie ist sie für
Fußgängerinnen und Fußgänger ausgelegt. Dank der eingelegten
Metallgitter kann der 70 Meter lange und 3,95 Meter breite Steg
aber auch mit dem Rollstuhl, Fahrrad oder vereinzelt mit
Service-Fahrzeugen überquert werden.
Strömungsoptimiert sollen die Elemente geformt sein. Sie sind
jeweils 2,10 m hoch, davon misst der Fuß 1,75 m. Darüber befindet
sich der auskragende Kopf, der sich zu den Außenkanten hin zu einer
Plattform verjüngt. Der Fuß ist 1,95 m lang und 0,30 m breit und
steht längs zur Fließrichtung des Wassers. Die Plattformen folgen
diesen Proportionen und sind jeweils 3,95 m mal 1,50 m groß. Sie
berühren sich jedoch nicht. In den 0,75 m großen Lücken sind
Streckmetallgitter eingelegt. Normalerweise ruhen sie auf Winkeln
an den Plattformrändern, können im Ernstfall aber demontiert
werden.
Der verwendete Beton lässt sich entsprechend
spanischen-katalanischen Standards mit dem Code HA-30/B/20/IIa
beschreiben. Das heißt, es handelt sich um Stahlbeton mit einer
Druckfestigkeit von 30 N/mm2, einer maximalen Korngröße
von 20 mm und einer weichen Konsistenz bei der Verarbeitung –
in etwa vergleichbar mit der in Deutschland bekannten
Konsistenzklasse F3. Geeignet ist er für Umgebungen mit hoher
Feuchtigkeit. Die Bewehrungseisen weisen einen Querschnitt von 12
mm auf.
Als Fundament dient eine in Längsrichtung der Überquerung
verlaufende, 60 cm hohe Platte, die aus demselben Stahlbeton
hergestellt wurde. Sie führt auch einige Installationskanäle durch
den felsigen Untergrund, der aus kalkhaltigen oder granitischen
Brocken besteht, die teilweise eine halbe Tonne wiegen. Um in dem
schwierigen Gelände eine Ausgleichsschicht herzustellen, wurde im
Vorfeld der Fundamentarbeiten spezieller Beton mit einem
Zement-Anteil von 150 kg/m3 und einer Gesteinskörnung von maximal 20 mm Größe
ausgegossen. -ml
Bautafel
Architektur: Sau Taller d’Arquitectura, Barcelona Beteiligte: Relesa, Murcia (Hersteller Gitter) Bauherr/in: Ajuntament Manlleu Fertigstellung: 2021 Standort: Passeig del Ter, 08560 Manlleu, Spanien Bildnachweis: Andrés Flajszer (Fotos); Sau Taller d’Arquitectura (Pläne)
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