Das Leben einer Straßenbrücke: Tonnenschwere Autos und Lkws
rasen über die Fahrbahn. Wind und Regen peitschen gegen Pfeiler und
Balken. Auf Sonnenhitze im Sommer folgen Schnee und Frost im
Winter. Wie lange kann der Beton dem standhalten? Auf nicht einmal
35 Jahre brachte es die Krumbachbrücke in Damüls, als
Materialermüdungen bei ihr festgestellt wurden. Mittlerweile steht
die Instandsetzung und Verstärkung der Tragkonstruktion, die sogar
Gegenstand universitärer Forschung war, kurz vor dem
Abschluss.
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Hütten, Landhäuser, Alpinresorts und Berghotels heißen die Gäste
willkommen, die das kleine Damüls im Westen Österreichs aufsuchen,
einem Startpunkt für Skiausflüge am nördlichen Alpenrand. Zwischen
den Herbergen ragt der rote Zwiebelturm einer Kirche auf, aus dem
tiefen Tal ragen Nadelbäume. Nur rund 330 Menschen leben auf den
Hängen der Vorarlberger Gemeinde. Von hier oben blicken sie hinab
auf die langgestreckte Biegung der Krumbachbrücke, die den
namensgebenden Bach überquert, der unten plätschert. Die 117 Meter
lange, auf schlanken Stützen stehende Betonkonstruktion ist Teil
der Landstraße 193, die sich von Thüringen nach Au durch den
Bregenzerwald schlängelt.
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Plattenbalkenbrücke
Errichtet wurde das für den Ort und den dortigen Tourismus
überlebenswichtige Bauwerk von 1981 bis 1983. Es handelt sich um
eine Balkenbrücke. Die insgesamt rund 14 Meter breite, leicht zum
Innenradius geneigte Fahrbahnplatte ist mit vier 2,80 Meter hohen
und 38 Zentimeter starken Plattenbalkenstegen verbunden. Diese
Konstruktion bildet den Überbau. Die äußeren Stege lagern auf zwei
Pfeilerpaaren, die jeweils 36 Meter von den Widerlagern am Hang
entfernt stehen. Das Mittelfeld der Brücke ist 45 Meter lang,
einige Meter länger sind die zwischen den Stegen liegenden
Betonplatten, durch die der stabilisierende Hohlkasten ausgebildet
wird.
Der Überbau nimmt die Kräfte aus Eigengewicht, Verkehrslast,
Windlast und Schneelast auf, die dann in die Lager und Pfeiler und
letztlich in die Fundamente abgeleitet werden. Die Tragfähigkeit
hängt also in erster Linie von der Biegesteifigkeit des Überbaus
ab.
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Bestandsuntersuchung
Ab 2016 wurde eine umfassende Bestandsuntersuchung durchgeführt,
bei der auch die Statik der Brücke neuberechnet wurde. Neben
Schäden an den Betonflächen des Brückenoberbaus und undichten
Stellen am Fahrbahnbelag wurden Defizite der Querkraft- und
Torsionstragfähigkeit des Tragwerks festgestellt. Um die
Krumbachbrücke weiter nutzen zu können, wurden drei Maßnahmen
identifiziert: Erstens musste der Fahrbahnbelag ersetzt sowie
Randbalken, Abdichtungen, Geländer und Entwässerung erneuert
werden. Zweitens sollte, zur Aussteifung, in den Randfeldern jeweils ein
Stahlfachwerkverband eingebaut werden. Und drittens sollten die
Tragwerkplatte und die Plattenbalkenstege verstärkt werden, um die
Querkraft- und Torsionstragfähigkeit zu erhöhen.
Die Instandsetzung des Brückenoberbaues und die Aussteifung der
beiden Randfelder sollte mit Stahlbeton erfolgen. Für die Verstärkung
kam er jedoch nicht infrage. Das Eigengewicht zusätzlicher, 12 bis
15 Zentimeter dicker Spritzbetonschichten – wie sie sonst üblich
sind – hätte nämlich die Tragfähigkeit der Bestandsbrücke
herabgesetzt. Eine Alternative musste also her, die mit weniger
Material auskommt und damit entsprechend weniger Eigengewicht
aufweist.
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Vom Labor in die Berge
Bereits 2017 nahmen Gemeindevertreter und die Universität
Innsbruck Kontakt zueinander auf. An der Tiroler Hochschule
beschäftigen sich Forschende mit textilen Bewehrungen für
Betonbauteile. Textilbeton ist gegenüber Stahlbeton weniger
anfällig für Korrosion, denn die im Beton eingelegten
Carbonnetzgewebe können nicht rosten. Den Baustoff untersuchten die
Wissenschaftler von 2018 bis 2020 im Rahmen des EU-geförderten
Forschungsprogramms concrete-X. Neben Fertigungsverfahren
und Beschichtungssystemen für gestickte Bewehrungstextilien
entwickelte sie dabei auch ein Konzept zur Ertüchtigung von
Plattenbalkenbrücken.
Der Arbeitsbereich Massivbau und Brückenbau arbeitete nicht nur
mit dem Institut für Textilchemie und Textilphysik der Universität
zusammen. Gemeinsam mit dem Münchner Planungsbüro Feix Ingenieure
erstellten sie eine Machbarkeitsstudie. Das Büro lieferte auch eine
statische Nachrechnung, entwickelte das Konzept mit, schätzte die
Kosten und übernahm die Ausführungsplanung. Ebenfalls involviert
war RAC, ein auf Kompositbauteile spezialisiertes Vorarlberger
Unternehmen, und Texible, ein Start-up mit Wurzeln an der
Universität Innsbruck, das sich mit intelligenten Textilien
beschäftigt.
Umfangreiche Versuche mit Klein- und Großbauteilen in Innsbruck
und Dresden, eine Lebenszykluskostenermittlung und
Variantenvergleiche ergaben, dass die Voraussetzungen für den
erfolgreichen Einsatz von Textilbeton bei der Krumbachbrücke
gegeben waren. Mit den gewonnenen Erkenntnissen reisten die
Betontechniker schließlich nach Damüls.
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Beton: Vertikal, horizontal und über Kopf
Im Herbst 2021 wurden zunächst die Querträger eingesetzt, im
darauffolgenden Mai starteten dann die Textilbetonarbeiten an den
Stegen der Randfelder. Auf ungefähr 3.300 Quadratmetern Fläche
wurden 6.600 Quadratmeter Carbonfasermatten
und circa 100 Tonnen Mörtel aufgetragen, teilweise sogar
über Kopf. Die textile Bewehrung nimmt die Zugspannungen auf, der Beton
dient dem Abtrag von Druckspannungen, der Herstellung des Verbundes
und dem mechanischen Schutz der Bewehrung.
Gearbeitet wurde Schicht für Schicht: Zunächst spritzten die
Bauarbeitenden 1 cm dick Mörtel bzw. Feinbeton auf die
Bestandsoberfläche. Dann legten sie die ersten Mattenstücke an, die
sich jeweils überlappen, sodass sich ein Bewehrungskorb bildet.
Darauf folgten die nächste, ebenfalls 1 cm dicke Betonschicht und
die zweite Lage Carbonfasermatten. Zum Abschluss wurden wieder 1 cm
Beton aufgetragen. Die betongedeckten Carbonfaser-Bewehrungskörbe
verankerten sie dann mit in Verbundharz getränkten Betonschrauben,
die sie schräg in die Kante von Steg und Fahrbahnplatte
bohrten.
Die Forschenden gehen davon aus, dass die Sanierung mit
Textilbeton zwar teurer werden dürfte als eine mit Stahlbeton,
dafür soll die Brücke weitere 50 bis 60 Jahre in Betrieb bleiben
können. Im Herbst 2023 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.
-ml
Bautafel
Projektbeteiligte: Arbeitsbereich Massivbau und Brückenbau und Institut für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck; Prof. Feix Ingenieure, München (Machbarkeitsstudie, statische Nachrechnung, Konzeptentwicklung, Kostenschätzung, Ausführungsplanung); Curbach Bösche Ingenieurpartner (Prüfstatiker); TVFA, Innsbruck, OML, Dresden, und CarboCon, Dresden (Versuchsanstalten); RAC, Lustenau, und TEXIBLE, Dornbirn (Herstellung Textile Bewehrung); Röfix, Röthis (Nassspritzreparaturmörtel); i+R Gruppe; Lauterach (Bauabläufe & Probekörperherstellung); Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (Finanzierung) Bauherrin: Land Vorarlberg Standort: Faschina Straße, 6884 Damüls, Österreich Fertigstellung: 2024 Bildnachweis: Matthias Egger (Fotos und Pläne)
Fachwissen zum Thema
Betonarten
Textilbeton
Der Verbundwerkstoff ist korrosionsunempfindlich und erlaubt eine Menge Beton einzusparen.
Bewehrung
Textilbewehrung
Anders als Stahlbewehrungen rosten die Gelege aus Carbon-, Glas oder Basaltfasern nicht.
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