Grabmal in Hamburg
Minimalistische Betonskulptur
Am Nierenteich der Friedhofsanlage Ohlsdorf in Hamburg steht ein Grabmal aus hellem Sichtbeton. Auftraggeber ist der Fotograf und Kunstsammler F.C. Gundlach, der sich dieses skulpturale Objekt bereits zu Lebzeiten sicherte. Es ist eingebettet in den alten Baumbestand des Friedhofs, der mit über 450 Laub- und Nadelgehölzarten, Bächen und Teichen zu den größten Parkfriedhöfen der Welt zählt. Begeistert vom Entwurf des Berliner Architekten Roland Poppensieker, stellte die Friedhofsverwaltung gerne einen der schönsten Plätze zur Verfügung.
Gallerie
Bei seinem Entwurf ließ sich der Architekt einerseits von Sarkophagen - ägyptischen Steinsärgen inspirieren, andererseits von Dolmen - bretonischen Steintischen mit großen Dach- und Tragsteinen, die meistens axial erschlossen wurden. Die Elemente dieser Bautypen setzte er als Kubus mit einer Größe von 3 x 3 x 3 Meter um. Zusammen mit einer Seitenwand ist die horizontale Dachfläche als Winkel ausgebildet. Sie liegt auf der zweiten geschlossenen Betonwand auf, die wiederum mit der Bodenplatte verankert ist. Vorder- und Rückseite des Kubus sind offen, zwischen den Seitenwänden spannt sich horizontal liegend der Sarkophag, der in einem Guss mit der Bodenplatte hergestellt ist. Das additive Prinzip der Fügung einzelner Betonelemente ist bewusst gewählt und im Fugenstoß der Elemente ablesbar.
Die nicht den Winkel bildende Seitenwand der Grabstätte schmückt ein Bildrelief. Auch hier greift der Architekt auf ein Stilmittel der Ägypter zurück, die ihre Sarkophage oftmals mit Reliefbildern verzierten. Als Motiv für das aktuelle Relief dient eine Fotografie von F.C. Gundlach aus dem Jahr 1966. Es wurde mit Hilfe des Fräsverfahrens auf die Betonfläche aufgebracht. Dabei handelt es sich um die Fotogravur-Technik, ein computergestütztes Verfahren, bei dem Bildinformationen durch Frästechnik auf Plattenwerkstoffe übertragen werden. Das gefräste Modell dient als Vorlage für die Fertigung einer elastischen Strukturmatrize, die in die Schalung eingelegt wird. Die Abstände, die Breite und die Tiefe der Fräsrillen bestimmen die Abstraktion bzw. die Detailtreue des Bildes. Die nackte zweite Winkel-Betonwand ist mit einer bündig eingearbeiteten Grabplatte versehen, die mit entsprechenden Inschriften nachträglich bearbeitet werden kann.
Mit der Wahl des Materials Beton und dessen Möglichkeiten in der technischen Ausführung möchte Poppensieker auf so bedeutende Grabstätten wie die von Max Taut in Stahnsdorf errichtete Grabanlage der Familie Wissinger sowie auf eines der bedeutendsten Grabmonumente der Geschichte - der Pyramiden von Gizeh - verweisen.
Beton
Der Betonkubus steht auf einem Fundament aus zwei
Streifenfundamenten, die den Körper leicht schwebend erscheinen
lassen. 25 cm stark sind die seitlichen Betonplatten, die Dicke der
Dach- und Bodenplatte beträgt mittig ebenfalls 25 cm und verstärkt
sich zu den Seitenwänden hin auf 27,5 cm bzw. 28 cm. Durch
Auflagerung mit Unterstützung durch nicht sichtbare
Stahleinbauteile sind die Elemente miteinander verbunden. Das
Prinzip der Fügung einzelner Bauteile sollte - in Analogie zu
Portaldolmen - klar erkennbar sein. So sind die Fugen entweder
offen oder - falls vergossen - so tiefliegend verfugt, dass keine
sichtbare Fugenmasse in Erscheinung tritt
Die Außenhaut ist ganz von den mehrfach gesäuerten Oberflächen des Sichtbetons bestimmt, was beim Beton das Hervortreten der Zuschlagsstoffe bedingt und zu einer gewissen Struktur und Lebendigkeit im Erscheinungsbild beiträgt. Um das Erscheinungsbild trotz einer gewissen Patina nicht grundsätzlich zu verändern, entschied sich der Architekt für eine zusätzliche Hydrophobierung. Der Beton soll hell und eindeutig bleiben, nicht zuletzt als Kontrast zur Idylle des Parks.
Bautafel
Architekt: Roland Poppensieker, Berlin
Projektbeteiligte: Uwe Seiler, zrs Architekten und Ingenieure, Berlin (Tragwerksplanung); BIG Berlin (Beratung Ausschreibung); IBF GmbH, Hamburg mit Walter Wagenhuber Betonwerke, Hamburg (Betonbau, Erdarbeiten)
Bauherr: F.C. Gundlach
Standort: Parkfriedhof Ohlsdorf, Westring, “An den Mausoleen”, Hamburg
Fertigstellung: 2008
Bildnachweis: Marcel Schwickerath, Roland Poppensieker
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