Schatten – aber bitte auch Licht
Schutz vor Hitze und Blendung, zugleich Durchblick und natürliches Licht – und alles energieeffizient, kostengünstig und nachhaltig: Das erscheint unmöglich. Eine frühzeitige integrative Planung von Fassade, Haustechnik und Beleuchtung kann jedoch alle Ziele vereinen. Ihr Grundsatz lautet nicht „Entweder-oder“, sondern „Sowohl-als-auch“. Dazu tragen auch Systeme zur Tageslichtlenkung und automatisch regelbare Systeme bei. Und thermischer Komfort ist sogar bei großen Glasflächen möglich, wenn dies in der Planungsphase berücksichtigt wird.
Gallerie
Für den sommerlichen Wärmeschutz sind die Anforderungen bei
Wohn- und Nichtwohngebäuden gemäß EnEV § 3 und 4 einzuhalten. Die
Planungsaufgabe besteht, vereinfacht gesagt, darin, eine
Überhitzung der Räume im Sommer durch die solare Strahlung in
Verbindung mit den internen Wärmelasten, etwa Computern, zu
verhindern. Eine gemeinsame Planung mit der Innenraumgestaltung ist
sinnvoll, um blendfreie Arbeitsplätze, eine ausreichende Versorgung
mit Tageslicht und damit eine Minimierung des
Stromverbrauchs für Kunstlicht zu erreichen.
Im Wohnungsbau ist eine Planung über das einfache Verfahren
der DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energieeinsparung in
Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den
Wärmeschutz (Sonneneintragswert, Abminderungsfaktor Fc)
noch ausreichend, weil die Anforderungen an die Lichtversorgung
geringer sind und die Bewohner den Blend- und Sonnenschutz
individuell regeln können. Orientierung für die Energieeffizienz
eines Fensters bietet auch das Energy-Label des
ift Rosenheim, das den winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz
sowie die Tageslichtnutzung bewertet.
Vorab Kennwerte ermitteln
Nichtwohnungsbauten haben höhere Anforderungen an die thermische
und visuelle Qualität sowie eine komplexere Haustechnik. Deshalb
muss genauer geplant werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Fassaden
auf die tages- und jahreszeitlichen Schwankungen des solaren
Strahlungsangebotes und der Außentemperatur reagieren müssen. Der
Nachweis nach DIN 4108-2 ist für Nichtwohngebäude deshalb nur
bedingt geeignet. Für Nichtwohngebäude und Gebäude mit höherem
Glasanteil sind daher genauere, ingenieurmäßige Verfahren
empfehlenswert.
Die Sonnenschutzwirkung einer Fassade (g-Wert) sollte möglichst
detailliert ermittelt werden, am besten durch Messung der einzelnen
Komponenten aus Glas und Sonnenschutz sowie eine Berechnung des
Gesamtsystems (EN 13363: Sonnenschutzeinrichtungen in
Kombination mit Verglasungen – Berechnung
der Solarstrahlung und des
Lichttransmissionsgrades, ISO 15099: Thermal
performance of windows, doors and shading devices - Detailed
calculations). Die Ermittlung der notwendigen lichttechnischen
Eigenschaften und des g-Wertes von Glas erfolgt nach EN
410: Glas im Bauwesen – Bestimmung der lichttechnischen
und strahlungsphysikalischen Kenngrößen von Verglasungen. Die
Berechnung des Gesamtsystems nach dem detaillierten Verfahren
der EN 13363-2: Sonnenschutzeinrichtungen in Kombination
mit Verglasungen – Berechnung der
Solarstrahlung und des
Lichttransmissionsgrades – Teil 2:
Detailliertes Berechnungsverfahren ergibt ausreichend
genaue Kennwerte. Bestimmt werden sie auf Basis der spektralen
Eigenschaften der Verglasung und der Sonnenschutzeinrichtungen
unter Berücksichtigung der Behangöffnung, der Hinterlüftung und der
Höhe der Zwischenräume sowie der Luftdichte.
Die Kennwerte sind die Voraussetzung für eine detaillierte
Abschätzung der thermischen Behaglichkeit und damit zur Vermeidung
einer sommerlichen Überhitzung von Nichtwohngebäuden. Eine gute
Ergänzung für komplexe und winkelselektive Fassaden-
beziehungsweise Sonnenschutzsysteme bietet die kalorimetrische
Messung, bei der das Bauteil mit einer künstlichen Sonne bestrahlt
wird. Ermittelt werden können damit auch winkelabhängige g-Werte
sowie die kritischen inneren Oberflächentemperaturen der Fassade
für Worst-Case-Szenarien mit hohen Außentemperaturen und maximaler
Solarstrahlung für beliebige Standorte und Einbausituationen.
Schutz vor Wärme – aber trotzdem Tageslicht
Die thermische und visuelle Behaglichkeit von Räumen ist stark
subjektiv durch den Nutzer geprägt und abhängig von vielfältigen
Einflüssen:
- variable Solarstrahlung (Sonnenstand, Bewölkung)
- Außentemperatur
- natürliche Verschattung (Gebäude, Bäume etc.)
- transparente Flächen (Aufbau, Größe, Himmelsorientierung und Neigung)
- g-Wert von Verglasung und Sonnenschutz
- Luftwechsel und Lüftungsart
- interne Wärmequellen (Personen, Computer, künstliche Beleuchtung)
- Gebäudetechnik (Steuerung, Klimatisierung)
- Raumgröße und Wärmespeicherfähigkeit der Innen- und Außenbauteile
Besonders knifflig ist es, Blendfreiheit und gleichzeitig die Tageslichtversorgung sicherzustellen. Oft blendet der Sonnenschutz, weil sich Leuchtdichten am Fenster von über 4.000 cd/m² ergeben und damit ein Arbeiten am Bildschirm erschweren. Eine Blendung kann häufig nur durch einen zusätzlichen inneren Blendschutz oder winkelselektive Verschattungssysteme vermieden werden, die die direkte Sonnenstrahlung ausblenden, aber dennoch genügend indirektes und blendfreies Licht in den Raum lassen. Ideal ist daher eine Kombination von Sonnenschutz und Blendschutz, insbesondere an Bildschirmarbeitsplätzen.
Technische Lösungen
Dem Planer steht eine Vielzahl an fest stehenden oder beweglichen Sonnenschutz- und Blendschutzsystemen sowie Sonnenschutzgläsern zur Verfügung, die in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt wurden. So können die klassischen außen liegenden Verschattungslamellen aufgrund geänderter Geometrie und Aufhängung gemäß ift- Richtlinie AB 01-1: Einsatzempfehlungen für äußere Abschlüsse; Richtlinie zur Auswahl geeigneter Windklassen nach EN 13659 nun deutlich höhere Windgeschwindigkeiten bis Windstärke 7 aushalten.
Auch die Sonnenschutzgläser bieten heute mit hochselektiven neutralen Beschichtungen Lichttransmissionen bis zu 70 Prozent bei gleichzeitig niedrigen g-Werten von 40 Prozent. Die für den sommerlichen Wärmeschutz benötigten niedrigen g-Werte reduzieren jedoch die Nutzung der Solarstrahlung in der Heizperiode. Außerdem ist ein zusätzlicher Blendschutz erforderlich. Neu entwickelte elektrochrome Verglasungen können als Sonnenschutzglas variabel auf Solarstrahlung reagieren. Sie bestehen aus einem Verbundglas mit einer ionenleitfähigen Polymerfolie, auf dessen innerer und äußerer Floatglasscheibe eine transparente, elektrisch leitfähige Beschichtung (TCO) aufgebracht ist. Diese dient zur elektrischen Ansteuerung der elektrochromen Verglasung. Dadurch sind der Gesamtenergiedurchlassgrad in einem Bereich von 38 bis 9 Prozent und der Lichttransmissionsgrad von 50 bis 15 Prozent steuerbar. Wissenschaftliche Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojekts EnBop – energetische Betriebsoptimierung zeigen, dass der thermische Komfort bei großflächigen Verglasungen sich nicht automatisch verschlechtert. Entscheidend sind die richtige Planung und Ausführung.
Eine interessante Option bieten PV-Module, deren Verschattung und Lichttransmissionsgrad sich durch eine unterschiedliche Belegung mit PV-Zellen variieren lassen. Gerade bei Dachverglasungen von Atrien, bei denen die Verschattung schwierig ist, lassen sich so Sonnenschutz und Energiegewinnung ideal kombinieren. Für den Einsatz eignen sich auch PV-Module in Dünnschichttechnologie, weil sie im Format flexibler herstellbar sind und sich die Lichttransmission und Transparenz von Dünnschichtmodulen mittels Lasertechnik besonders gut variieren lässt. Neue Messungen am ift Rosenheim haben gezeigt, dass der g-Wert von PV-Modulen unter Last, also bei Stromproduktion, gegenüber der lastfreien Messung signifikant besser ist, sodass der Sonnenschutz in der Praxis wirkungsvoller als in der Theorie ist.
Neu entwickelte Materialien und Geometrien, wie die Genius-Lamelle, ermöglichen eine leistungsfähige Kombination aus Sonnen- und Blendschutz sowie Lichtversorgung, sodass die Lamelle in Verbindung mit einem Sonnenschutzglas für bestimmte Nutzungsfälle auch als innen liegender Sonnenschutz ausreichen kann. Winkelselektive Sonnenschutzsysteme können sich den veränderten Lichtbedingungen besonders gut anpassen. Durch unterschiedliche lichttechnische Eigenschaften der Lamellen ergibt sich ein weiter Anwendungsbereich. Bei diesen Systemen ist die Berechnung, Planung und Steuerung besonders wichtig, da bereits geringe Abweichungen der Winkelstellung die Wirkungsweise verändern.
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