Musikhochschule in Kriens
Konzentriertes Lernen und experimentelle Klangproduktionen
Die Institute der Musikhochschule Luzern, die vormals über die ganze Stadt verstreut waren, haben in einem Klinkerbau der Architekturbüros Enzmann Fischer und Büro Konstrukt auf einem ehemaligen Schlachthofareal in Kriens an der Luzerner Stadtgrenze ein neues gemeinsames Zuhause gefunden. Der Bau ist Teil eines Gebäudekomplexes bestehend aus der Hochschule, dem Neubau für das Luzerner Sinfonieorchester, der durch dieselben Architekturschaffenden realisiert wurde, und dem bestehenden Kulturzentrum. Das städtebauliche Ensemble setzt inmitten eines industriell und gewerblich geprägten Gebiets ein Zeichen für die sich dort entwickelnde kulturelle Aktivität.
Gallerie
Im Dialog mit der industriellen Umgebung
Mit ihren 9.000 Quadratmetern Nutzfläche stellt die Musikhochschule das größte Gebäude des Areals dar. Vier verschiedene Musikinstitute sind hier unter einem Dach vereint. Die äußere Materialität und die Formensprache des Baus stellen einen Bezug zum industriellen Kontext seiner Umgebung her. Die schwere Klinkerfassade der Schule weist eine großflächige Strukturierung auf. Gegliedert wird sie durch Relief, Filtermauerwerk, Fensterbänder und Lisenen. Das Gebäudevolumen setzt sich aus zwei versetzten Quadern zusammen, denen vier laternenartige Aufbauten aufgesetzt sind, die aus dem Flachdach des Baus hervortreten.
Zentrale Längshalle als urbaner Begegnungsraum
An der Ost- und Westseite markieren jeweils große Fensterfronten die beiden gleichwertigen Eingänge, durch die die zentrale Längshalle betreten wird. Diese erschließt als urbaner Innenraum großzügig die darüber liegenden Geschosse und fungiert dabei als Begegnungsraum für Lehrende und Studierende der Hochschule. Nördlich und südlich der zentralen Halle schließen sich entlang der gesamten Gebäudelänge zwei schmale Zonen an, die Fluchttreppen, Aufzüge und Nebenräume beherbergen. In diese Infrastrukturstreifen sind auch die vier Klangtürme integriert, die sich über die gesamte Höhe des Baus erstrecken und in Form der Aufbauten auch von außen zu erkennen sind. Die Hochschule verfügt über einen Kammermusiksaal, einen Jazzclub und eine BlackBox, die sich über mehrere Geschosse im nördlichen sowie im südlichen Teil des Gebäudes ausdehnen.
Außen Klinker, innen Beton
Im zweiten und dritten der insgesamt fünf Geschosse befindet sich im südlichen Teil eine zweigeschossige Bibliothek mit Forschungsplätzen. Im nördlichen Teil finden Räume unterschiedlicher Größe für Ensembleproben und Einzelunterricht Platz. Die Architekturschaffenden haben sich bei der Wahl der Materialien für die Innenräume für brettgeschalten Sichtbeton, Betonböden und roh belassene Holz-Zementplatten entschieden. Pflanzen und Möbel in kräftigen Tönen setzen farbliche Akzente. Die Böden verfügen zudem über eine Fußbodenheizung und -kühlung. Die primäre Energieversorgung des „Minergie“-zertifizierten Gebäudes erfolgt über das Grundwasser. Außerdem wird auf dem Dach des Baus eine Photovoltaikanlage betrieben.
Akustik: Kammermusiksaal und Konzentrationszonen
Die Herausforderungen, mit denen die Akustikplanenden in der Musikhochschule konfrontiert waren, sind durchaus divers. Beispielsweise erfordert ein Kammermusiksaal andere raumakustische Maßnahmen als eine Bibliothek. Hinzu kommt, dass in den Innenräumen größtenteils schallharte Materialien verbaut wurden, deren reflektierende Wirkung mithilfe von schallabsorbierenden Baustoffen ausbalanciert werden muss. Raum-in-Raum-Konstruktionen sorgen in der Musikhochschule für die Erfüllung der notwendigen akustischen Anforderungen. Abhängig von den spezifischen akustischen Gegebenheiten, wurden die einzelnen Räume mit lasiertem Holz, akustisch wirksamen Klinker oder Holzwolle-Leichtbauplatten ausgekleidet. Teppichböden in der Bibliothek fungieren als Trittschalldämmung und absorbieren Schall, sodass dort konzentriert gearbeitet werden kann.
Der Kammermusiksaal der Hochschule gleicht von der
Grundgeometrie her dem klassischen Vorbild mit frontaler Bühne,
Parkett und Balkonen. Allerdings ist der Saal breiter und weniger
tief als übliche Kammermusiksäle und weist eine besonders
ausgeprägte Oberflächenstruktur in Form von zahlreichen
horizontalen Lamellen auf. Die Struktur der Saaloberflächen sorgt
für eine optimale Streuung des Schalls. Damit diese Streuung
wirkungsvoll und gleichmäßig erfolgen kann, sind Strukturen
unterschiedlicher Größe nötig. Aus diesem Grund wurde der Saal mit
zwei Schichten ausgekleidet: Die verschieden tiefen horizontalen
Lamellen streuen mittlere und hohe Frequenzen, während die
dahinterliegenden, großflächig verwinkelten Wandelemente auf die
Bässe wirken. Zwischen den äußeren Lamellen und den dahinter
liegenden Verkleidungen besteht ein Zwischenraum in den
Akustikvorhänge heruntergelassen werden können. Auf diese Weise
lässt sich je nach Bedarf die Nachhalzeit des Saales
regulieren.
Inspiriert von persischer Architektur
Eine akustische Besonderheit der Luzerner Hochschule sind die
vier kolossalen Klangtürme, die sich im Inneren des Gebäudes über
alle Geschosse ziehen und in Form von laternenartigen Aufbauten aus
dem Flachdach hervortreten. Diese Aufbauten verfügen über große
Fenster, die das Gebäude mit frischer Luft und Tageslicht
versorgen. Das Bauelement ist an persische Windtürme angelehnt. Die
sogenannten Badgir werden seit Jahrhunderten für die Ventilation
und gleichzeitige Kühlung von Gebäuden verwendet. Die Klangtürme
der Hochschule werden für experimentelle Klangproduktionen und
-erfahrungen genutzt. Außerdem dienen sie der Entwicklung neuer
pädagogisch-künstlerischer Konzepte und verbinden das Gebäudeinnere
mit der Umgebung und tragen auf diese Weise zu einer Belebung des
Quartiers bei. -np
Bautafel
Architektur: Enzmann Fischer Architekten, Zürich, und Büro Konstrukt Architekten, Luzern
Projektbeteiligte: applied acoustics, Gelterkinden (Akustikplanung); Inchfurniture, Basel (Möblierungskonzept); Weber Waber, Luzern (Bauleitung); tgs bauökonimen, Luzern (Kostenplanung); Felder Ingenieure Planer, Luzern (Statik); Rebsamen, Horw (Elektroplanung); Dr. Eicher + Pauli, Luzern (HLKS-, MSR-Planung); Freiraumarchitektur, Luzern (Landschaftsarchitektur); Martinelli + Menti, Luzern (Bauphysik); Matí Lichtgestaltung, Adliswil (Lichtplanung); Lüchinger Meyer Hermansen, Zürich (Innenfassade Jazzclub)
Bauherrschaft: Luzerner Pensionskasse (LUPK)
Standort: Arsenalstrasse 28a, 6010 Kriens, Schweiz
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Annett Landsmann, Zürich