Bürogebäude 2226 Emmenweid in Emmenbrücke
Zweischaliges, wärmedämmendes Mauerwerk macht Klimatechnik überflüssig
Ein Neubau ohne Heizung, mechanische Lüftung oder Kühlung – die
Architekten vom Büro Baumschlager Eberle stellen sich mit ihrem
Bürogebäude 2226 Emmenweid in Emmenbrücke der Tendenz
entgegen, teure und komplexe Gebäudetechnik zu verbauen und
konzipierten einen elementaren Bau, der sich den Ursprüngen der
Architektur zuwendet. Durch dieses Konzept können Baukosten
gesenkt, der Energieverbrauch reduziert und Wartungskosten
vermieden werden, ohne auf ein angenehmes Raumklima verzichten zu
müssen.
Gallerie
Der fünfgeschossige Bau mit 2.815 Quadratmetern
Bruttogeschossfläche und grau melierter Kalkputzfassade steht an
der Stelle des historischen Crinolbaus, einem Industriegebäude aus
dem 19. Jahrhundert, das Teil der Fabrikanlage von Viscosuisse war
und dem Neubau aufgrund großer statischer Probleme weichen musste.
Der Baukörper fügt sich in das bestehende Ensemble ein und
übernimmt sowohl Volumen als auch das Walmdach des Vorgängers.
Seine Außenkante liegt in der Flucht des historischen
Nachbargebäudes. Diese gedankliche Linie wird durch eine Abfolge
aus Stelen fortgeführt, die gleichzeitig den Freiraum zwischen Alt-
und Neubau von der Straße abgrenzen.
Die gleichermaßen schlichte wie starke Außenwirkung des
länglichen Monoliths wird durch einen subtilen Fassadenversatz
aufgebrochen, der an zwei Seiten über Eck verläuft. Dadurch
entsteht ein leichter Vorsprung der oberen zwei Geschosse, der
einen harten Schattenwurf hervorruft und den skulpturalen Charakter
des Baukörpers betont. Die Lochfassade charakterisiert sich durch
einen regelmäßigen Rhythmus aus innenliegenden Fenstern mit
besonders tiefen Laibungen, wodurch der massive Charakter des Baus
unterstützt wird. Die Fenster beginnen auf Sitzhöhe und reichen bis
unter die Decke. Das Walmdach besteht aus Betonfertigteilen mit
integrierten Schrägfenstern und wurde im lichten Grau der Fassade
ausgeführt, um die monolithische Wirkung beizubehalten und eine
Aufheizung der Innenräume im Sommer zu reduzieren.
Der offene Bürogrundriss wird durch einen festen, zentral
angeordneten Kern gegliedert, in dem sich Sanitäranlagen,
Erschließung und weitere Nebenräume befinden. An den beiden kurzen
Gebäudeseiten liegt jeweils ein abgeschlossener
Besprechungsraum.
Ein Neubau ohne Heizung, Lüftung oder Kühlung
Ein solches Gebäude ohne Klimatechnik findet sich in der Schweiz
bislang kein zweites Mal. Jedoch realisierten die Architekten
bereits 2013 ihren Firmensitz 2226 im österreichischen
Lustenau nach diesem nachhaltigen Prinzip und nutzten ihn als
Vorbild für das Bürogebäude Emmenweid (siehe Objekte zum Thema).
Anstelle aufwendiger Gebäudetechnik setzten die Planer auf einen
rein bauphysikalischen Ansatz.
Die eingesetzten wärmespeichernden Materialien sorgen dafür,
dass wenig Wärme durch die Wände und Decken diffundiert und
möglichst viel Wärmeenergie in den speicherfähigen Massen gebunden
wird. Um den Wärmeverlust über die Fensterflächen zu minimieren,
ist der Anteil der Öffnungen gering. Durch ihre innenversetzte Lage
in der massiven Außenwand werden sie weitestgehend verschattet,
sodass eine Überhitzung der Räume im Sommer vermieden wird.
Die benötigte Wärme wird generiert, indem das Gebäude genutzt
wird: Sowohl die Mitarbeiter – jeder Mensch hat eine
Wärmeabstrahlung von circa 80 Watt – als auch die technischen
Geräte wie Computer, Drucker oder Lampen geben insgesamt soviel
Wärme ab, dass eine zusätzliche Heizung obsolet ist. Für die
Regulierung der Raumlufttemperatur- und qualität sorgen sensorisch
gesteuerte Lüftungsklappen seitlich der festliegenden Fenster in
Massivholzrahmen. Die Klappen können auch jederzeit manuell bedient
werden und gewährleisten frische Raumluft und nutzen die kühle
Nachtluft für die natürliche Klimatisierung im Sommer.
Durch dieses System konnte gänzlich auf Heizung, mechanische
Lüftung und Kühlung verzichtet werden, ohne den Komfort
einschränken zu müssen. So ist einer der Einflussfaktoren auf die
thermische Behaglichkeit die Raumlufttemperatur. Temperaturen
zwischen 22 und 26 Grad Celsius gelten als behaglich, weshalb sie
im Gebäude ganzjährig weder unter- noch überschritten werden. Aus
dieser Temperaturspanne wurde der Gebäudename 2226
abgeleitet.
Ziegelmauerwerkswand als thermische Masse
Wesentlich für das energetische System sind die massiven,
tragenden Außenwände. Sie bestehen aus fast achtzig Zentimeter
dickem Ziegelmauerwerk aus Hochlochziegeln ohne integrierte Dämmung
und wirken als thermische Masse, die zum Stabilisieren der
Innentemperatur dient. Die über Mauerwerksanker verbundene,
zweischalige Wand besteht innenseitig aus statischen Ziegeln,
während die äußere Schale aus isolierenden Ziegeln einen möglichst
hohen Wärmeschutz bieten soll. Der U-Wert des
inneren Ziegels liegt bei 0,34 W/m²K, der des äußeren 0,24 W/m²K.
Die Außenwände erreichen insgesamt einen U-Wert von etwa 0,15
W/m²K.
Die beiden Schalen werden mit einer zwanzig Millimeter starken Mörtelfuge zusammengehalten und sind sowohl innen als auch außen mit einer Grundierung aus Kalkzementputz versehen, auf die eine Kalkputzoberfläche aufgebracht wurde. Der außenseitig sichtbare, gelöschte Kalkputz wird unter Witterung und Sonneneinstrahlung immer weiter erhärten und im Laufe der Zeit steinähnliche Eigenschaften annehmen. -si
Bautafel
Architekten: Baumschlager Eberle Architekten, Zürich
Projektbeteiligte: bhp, Emmenbrücke (Baumanagement, Bauleitung)
Bauherr: Brun Real Estate, Emmenbrücke
Fertigstellung: 2018
Standort: Emmenweidstrasse 58a, 6020 Emmenbrücke, Schweiz
Bildnachweis: Roger Frei, Zürich; Baumschlager Eberle Architekten, Zürich
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