Sicherheitskonzepte im Glasbau

Tragfähigkeitsnachweise im Glasbau werden in der Regel auf dem Niveau der Spannungen geführt, wobei aufgrund der spröden Materialeigenschaften die extremen Hauptzugspannungen betrachtet werden. Die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit orientieren sich an der Begrenzung von Verformungen (Durchbiegungen).

Gallerie

Um Unsicherheiten in der statischen Bemessung zu kompensieren, werden die Nachweise unter Verwendung von Sicherheitskonzepten geführt. Als Unsicherheiten sind beispielsweise die Streuungen unter einer Einwirkung oder dem Widerstand eines Bauteils zu verstehen. Diese resultieren aus der Tatsache, dass einer Belastung oder auch dem Widerstand eines Bauteils eine statistische Verteilungsfunktion zugrunde liegt. Diese Verteilungsfunktion liefern Mittelwerte oder auch charakteristische Werte einer Eigenschaft, um die der wahre Wert (die Einwirkung oder der Widerstand eines Bauteils) streuen. Die Verteilungsfunktion der Einwirkungs- und der Widerstandsseite überschneiden sich mit einer kleinen Schnittmenge, in der ein Bauteil versagen würde.

Für das Bauwesen wird in DIN EN 1990 Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung als Kriterium eine anzustrebende Versagenswahrscheinlichkeit eines Bauteils vorgegeben. Hierin ist eine Versagenswahrscheinlichkeit von 1,3·10-6 pro Jahr (ca. 1:1.000.000), bzw. etwa 1·10-4 in 50 Jahren (1:10.000) als akzeptabel angesehen. Das heißt, dass von 1 Million gleichartigen und gleichartig belasteten Bauteilen eines pro Jahr versagt. Erfüllt eine Bemessung genau diese Versagenswahrscheinlichkeit, liegt die Sicherheit bei 1. Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, werden je nach zugrunde liegendem Sicherheitskonzept auf der Einwirkungs- und/oder der Widerstandsseite zusätzliche Sicherheitsbeiwerte berücksichtigt. Früher wurde hierzu das „Konzept der globalen Sicherheitsfaktoren“ verwendet. Seit Einführung der Normenreihe DIN 18008 Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln wird das „Konzept der Teilsicherheitsbeiwerte“ nach DIN EN 1990 angewendet.

Konzept der globalen Sicherheitsfaktoren
Mit dem Konzept der globalen Sicherheitsfaktoren werden die vorhandenen Spannungen aus der Beanspruchung mit der sogenannten zulässigen Beanspruchung verglichen. Dabei wird die vorhandene Spannung mittels charakteristischer Werte der Einwirkungen, der Geometrie und des Materials ermittelt. Sämtliche Sicherheiten werden bei diesem Konzept global auf der Seite der Widerstände zusammengefasst. Die globalen Sicherheitsbeiwerte, die in den Technischen Regeln für die Verwendung linienförmig gelagerter Verglasungen zugrunde gelegt werden, variieren zwischen dem Faktor 2 und dem Faktor 4. Der Unterschied resultiert aus der Tatsache, dass diese Sicherheitsbeiwerte auch die unterschiedlichen Einflüsse aus der Belastungsdauer abdecken. Da die Dauer einer Einwirkung bei Gläsern ohne thermische Vorspannung einen erheblichen Einfluss auf die Festigkeit hat, muss die Bemessung deutlich konservativer erfolgen als bei kurzen Lasten, z.B. aus Windeinwirkung. Ebenso weist die Verbundfolie bei VSG ein zeitabhängiges Verbundverhalten auf. Der globale Sicherheitsbeiwert ermittelt sich aus dem Quotienten der charakteristischen Biegefestigkeit und der zulässigen Spannung.

Konzept der Teilsicherheitsbeiwerte
Bei dem Konzept der Teilsicherheitsbeiwerte (bekannt aus dem Stahlbau) werden die Sicherheiten aufgeteilt und jeweils der Einwirkung und dem Widerstand zugeordnet. Um eine Kompatibilität mit anderen Werkstoffen zu gewährleisten, wurden die Teilsicherheitsbeiwerte für den Glasbau basierend auf dem Konzept nach DIN EN 1990 aufgebaut. Die Einwirkungen werden dabei entsprechend nach DIN EN 1991 Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke angesetzt. Die hierin nicht geregelten glasspezifischen Einwirkungen, wie sie beispielsweise bei Mehrscheibenisoliergläsern auftreten, sind der DIN 18008 zu entnehmen. Die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Einwirkungsseite decken somit die Streuungen innerhalb der Einwirkung ab. Die dem spröden Materialverhalten geschuldeten Einflussfaktoren sind auf der Widerstandsseite integriert. Die Beanspruchbarkeit eines Glaselementes, also der Bemessungswert des Tragwiderstandes, berechnet sich nach DIN 18008-1 aus einem charakteristischen Wert der Biegezugfestigkeit, einem Materialteilsicherheitsbeiwert und einem Beiwert zur Berücksichtigung der Konstruktionsart. Für nicht planmäßig vorgespannte Gläser ist aufgrund des subkritischen Risswachstums unter Belastung zusätzlich ein Modifikationsbeiwert zur Berücksichtigung der Einwirkungsdauer zu beachten.

Fachwissen zum Thema

Oberflächenschäden (schematisch)

Oberflächenschäden (schematisch)

Herstellung/​Eigenschaften

Festigkeit von Glas

Bei Gläsern ohne thermische Vorspannung wird die Festigkeit des Glases im Wesentlichen durch die Kerbempfindlichkeit der unter...

Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen (TRLV)

Planungshilfen

Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen (TRLV)

Bis zur bauaufsichtlichen Einführung der DIN 18008 Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln waren die Technischen...

Körper 1 (elastisch)

Körper 1 (elastisch)

Funktionsgläser

Thermisches Vorspannen von Glas

Beim thermischen Vorspannen wird das Glas homogen, d.h. über den Querschnitt konstant, auf eine Temperatur erwärmt, die etwa 100°C...

Glas

Tragfähigkeit

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
BauNetz Wissen Glas sponsored by:
Saint-Gobain Glass Deutschland
Zum Seitenanfang

Einbruchhemmende Fenster und Türen

Der Einbau einbruchhemmender Bauteile soll das unerlaubte Eindringen in einen Raum oder ein Gebäude verhindern.

Der Einbau einbruchhemmender Bauteile soll das unerlaubte Eindringen in einen Raum oder ein Gebäude verhindern.

Der Anwendungsbereich der Norm DIN EN 1627 zur Einbruchhemmung wurde um elektromechanische Baubeschläge erweitert und berücksichtigt somit aktuelle Entwicklungen bezüglich Smart Home.

Angriffhemmende Verglasungen

Angriffhemmende Verglasungen ist der Oberbegriff für die verschiedenen Verglasungsklassen, die von A (Durchwurfhemmung) bis D...

Durchwurfhemmung - Klasse A

Die Durchwurfhemmung einer Verglasung wird nach DIN EN 356 Glas im Bauwesen - Sicherheitssonderverglasung - Prüfverfahren und...

Durchbruchhemmung - Klasse B

Durchbruchhemmende Verglasungen eignen sich für Gebäude mit hohen Sicherheitsanforderungen wie zum Beispiel Banken. Zum Einsatz...

Durchschusshemmung - Klasse C

Durchschusshemmende Verglasungen bieten einen definierten Widerstand gegen das Durchdringen von Geschossen bestimmter...

Sprengwirkungshemmung - Klasse D

Sprengwirkungshemmende Verglasungen werden nach DIN in die Klassen D1 bis D3 eingeteilt, nach EN 13541 in die Klassen ER 1 bis ER...

Sicherheitsglas im Privatbereich

Für die Beurteilung der Standsicherheit muss mit dem Anprall von Personen gerechnet werden

Für die Beurteilung der Standsicherheit muss mit dem Anprall von Personen gerechnet werden

Der Einsatz von Glas in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden ist in Deutschland gut geregelt. Für die Verwendung im...

Ballwurfsichere Gläser

Die Ballwurfsicherheit von Bauelementen, die in Sporthallen zum Einsatz kommen und zu denen u.a. Wand- und Deckenverkleidungen...

Sicherheitskonzepte im Glasbau

Glasschwerter, Fassaden- und Dachverglasung am Berliner Hauptbahnhof

Glasschwerter, Fassaden- und Dachverglasung am Berliner Hauptbahnhof

Tragfähigkeitsnachweise im Glasbau werden in der Regel auf dem Niveau der Spannungen geführt, wobei aufgrund der spröden...

Stabilität

Glas eignet sich auch zum Lastabtrag in Scheibenebene

Glas eignet sich auch zum Lastabtrag in Scheibenebene

Der Werkstoff Glas eignet sich neben dem Lastabtrag senkrecht zur Plattenebene, beispielsweise bei begehbarer Verglasung oder...

Resttragfähigkeit

Resttragfähigkeitsversuche

Resttragfähigkeitsversuche

Unter Resttragfähigkeit versteht man ganz allgemein den Widerstand gegen vollständiges Versagen eines teilweise zerstörten...

Stoßbelastungen

Glasschaden durch harten Stoß

Glasschaden durch harten Stoß

Stoßbelastungen können auf die unterschiedlichste Art und Weise erfolgen. Hierbei kann sich die Masse, Form und das...

Klimabelastungen bei Isolierglasscheiben

Verformungen einer Isolierglasscheibe durch Änderungen des Luftdrucks (p) und der Temperatur (T)

Verformungen einer Isolierglasscheibe durch Änderungen des Luftdrucks (p) und der Temperatur (T)

Klimatische Veränderungen führen bei Isolierglasscheiben zu einer zusätzlichen Beanspruchung der Scheiben. Das im...

Zwängungsbeanspruchungen

Neben den planmäßig kalkulierbaren Zwängungsbeanspruchungen, wie beispielsweise klimatisch induzierten Belastungen bei...

Zwangsbeanspruchung bei Sonnen- und Wärmedämmgläsern

Sonnen- und Wärmedämmverglasungen erwärmen sich grundsätzlich stärker als normale Isolierverglasungen. Kleinformatige Aufbauten,...

Koppeleffekt

Koppeleffekt bei einer Isolierglasscheibe

Koppeleffekt bei einer Isolierglasscheibe

Wegen des dampfdicht abgeschlossenen Scheibenzwischenraumes (SZR) entsteht bei Isolierglaseinheiten ein Koppeleffekt zwischen den...

Membraneffekt

Aktivierung von Membrantragwirkung bei großen Verformungen von vierseitig linienförmig gelagerten Scheiben

Aktivierung von Membrantragwirkung bei großen Verformungen von vierseitig linienförmig gelagerten Scheiben

Bei Verformungen, die größer sind als die Plattenstärke, kann die Biegefläche der Rechteckplatte mit der Kirchhoff'schen...

Durchbiegungsbegrenzung

Neben dem Nachweis der Tragfähigkeit sind Festlegungen zur Gebrauchstauglichkeit sinnvoll. Im Glasbau werden dazu normalerweise...

Lagerung punktgehaltener Verglasungen

Zwängungsfreie Punktlagerung in Scheibenebene

Zwängungsfreie Punktlagerung in Scheibenebene

In der Scheibenebene kann die statisch bestimmte Lagerung punktgehaltener Scheiben durch die Anordnung von festen und...

Schubverbund bei Verbundgläsern (VG/VSG)

Verformung einer Verbundglasscheibe bei vollem Schubverbund

Verformung einer Verbundglasscheibe bei vollem Schubverbund

Je nach Temperaturbereich und Belastungsdauer herrscht bei Verbund-  oder Verbundsicherheitsgläsern ein mehr oder weniger guter...

BAUEN & KLIMAWANDEL

Es wird immer heißer. Nachweislich. Was bedeutet das für die Planung von Wohngebäuden? Alle Antworten in der neuen come-inn. Jetzt gratis lesen!

Partner-Anzeige