Universitätsgebäude in Innsbruck
Kunstvolles Portal für das Ágnes-Heller-Haus
Wie eindrucksvoll eine Symbiose aus Architektur und Skulptur aussehen kann, zeigt sich anhand eines Neubaus für die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, der Ende 2023 eröffnet wurde. An prominenter Stelle im Stadtraum, zwischen Innrain und der belebten Innpromenade, steht dort nun anstelle der chemischen Institute das neue Ágnes-Heller-Haus. Dieses vereint die vormals verstreuten Institute der geistes-, kultur- und bildungswissenschaftlichen Fakultäten fortan in einem Bau.
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Namensgeberin ist die ungarische Philosophin Ágnes Heller, die
1929 in Budapest geboren wurde. Nach Überleben der Naziherrschaft
emigrierte sie infolge des kommunistischen Regimes und beruflicher
Repression nach Melbourne und New York. Ihr Engagement und ihre
wissenschaftliche Arbeit widmete sie stets der Freiheit. Vier Jahre
vor ihrem Tod 2019 wurde sie zur Ehrendoktorin der Universität
Innsbruck ernannt. Das markante Bauwerk am Innrain ist nun das
erste Universitätsgebäude in der Hauptstadt Tirols, das nach einer
Frau benannt ist.
Vertikales Volumen für einen effizienten Flächenanspruch
Der Neubau folgt dem Entwurf von niklas mohr architekten, der 2017
aus einem Wettbewerb der auftraggebenden BIG –
Bundesimmobiliengesellschaft hervorging. Eingebunden in einen
weitläufigen innerstädtischen Grünraum, ist das Gebäude auf
komprimierter Fläche zusammengefasst. Dadurch lässt es mehr Platz
für den belebten Campus der Universität frei. Der quaderförmige Bau
erstreckt sich über zwei Untergeschosse und fünf Obergeschosse,
wobei die nach Norden und Osten gerichtete Ecke einen Hochpunkt mit
fünf weiteren Geschossen ausbildet. Durch den Turm entstehen eine
klare Positionierung und ein deutlicher Bezugspunkt innerhalb des
städtischen Raums. Spannende Blickbeziehungen ergeben sich auch
innen. So befindet sich im Kern des durchgehend fünfgeschossigen
Volumens ein lichtdurchflutetes Atrium, das von einem Oberlicht
sowie verglasten Innenfassaden gesäumt wird. Im Luftraum
erschließen freitragende Treppen und Stege die Geschosse.
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Der Stahlbetonbau präsentiert sich von allen Seiten als klar
durchdeklinierte Struktur. Robuste Materialien wie Sichtbeton
oder Kunststein finden sich innen oder an der Gebäudehülle. Das
dominante Gestaltungsmerkmal oberhalb der Sockelzone macht die
Fassade aus rot eingefärbten Betonfertigteilen aus. Diese lassen
tiefe Laibungen entstehen, die von unten nach oben in immer
größerem Winkel abgeschrägt sind. Gleichzeitig verjüngen sich die
Stützen von unten nach oben leicht und ergänzen damit das subtile
Spiel mit der Form. Die Farbgebung wiederum zitiert das rötliche
Gestein an typischen Innsbrucker Gründerzeitbauten.
Monumentales Portal mit künstlerischer Intervention
Einen weiteren örtlichen Bezug stellen die Sichtbeton-Arkaden am
Sockel des straßenseitigen Turmes sowie am kunstvoll gestalteten
Haupteingang her. Diese seien abermals eine baukulturelle Referenz
an die Arkaden in der Innsbrucker Altstadt, wie die
Verantwortlichen berichten. Das Portal in seiner Form, Höhe, Tiefe
und Monumentalität war Teil des Entwurfs von mohr niklas
architekten. Ursprünglich war dieses mit einer glatten Schalung
geplant. Zu einem frühen Planungsstadium kam jedoch die skulpturale
Ausgestaltung durch den österreichischen Künstler und konzeptuellen
Bildhauer Peter Sandbichler hinzu. Dieser hatte eine Ausschreibung
für Kunst am Bau im Auftrag der BIG ART gewonnen.
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Idee und Umsetzung der Untersicht durch den Künstler Peter Sandbichler
Wie Peter Sandbichler erklärt, steht es den teilnehmenden Künstler*innen stets frei, den Ort zu wählen, an dem sie ihr Kunstwerk im oder am Bauwerk integrieren. Im Fall des Ágnes-Heller-Hauses sei die Entscheidung schnell gefallen: „Ich habe sofort an das Portal gedacht, weil ich fand, dass der Eingang in die Welt der Wissenschaft, den jeden Tag tausende Studenten beschreiten, der richtige Ort ist,“ erklärt er im direkten Gespräch. Sein Entwurf namens Zeitbogen sah ein dreidimensionales Ornament für das 6,5 Meter tiefe Gewölbe vor. Das Portal hat eine Spannweite von bis zu 12 Metern und reicht bis zu 7 Meter hoch, wobei es sich über zwei Geschosse erstreckt. Mit seinem Konzept, eine Skulptur in die Architektur zu integrieren, musste Sandbichler direkt an die vorhandene Schalung andocken. „Normalerweise kommt Kunst am Bau immer zum Schluss, aber wir kamen am Anfang“, sagt er.
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200 nicht baugleiche Pyramiden lassen eine eindrucksvolle Kassettendecke aus Beton entstehen
Das Portalornament besteht aus 200 Hohlräumen in Form von Pyramiden mit rautenförmigen Grundrissen. Dabei variiert die Form eines jeden einzelnen Elements und generiert so eine aufgefächerte, sich nach innen in Größe und Tiefe verändernde Struktur. Durch digitale Planungsmethoden wurde die Größe, Ausrichtung und Position der einzelnen Pyramiden exakt definiert. Das ausführende Unternehmen nahm anschließend die CNC-Fräsung der einzelnen Formen vor. Diese bestehen wie die übrige Schalung aus phenolharzbeschichtetem Sperrholz. Auf die vorhandene Schalung für das Portal wurde zunächst eine gitterartige Matrix aufgeklebt, die die Position der einzelnen Pyramiden vorgab. Daraufhin montierte der Künstler selbst gemeinsam mit vier Mitarbeiter*innen die Elemente nach genauen Planvorgaben, bevor der Betonguss erfolgen konnte. Ebenfalls frühzeitig wurden die Auslässe für sechs Strahler auf jeder Seite des Gewölbes mitgedacht. Die präzise Positionierung in der gewünschten Ausrichtung hat zur Folge, dass sie unsichtbar verbaut sind und abends das Portal eindrucksvvoll in Licht tauchen können.
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Für Peter Sandbichler ist das Projekt in mehrerlei Hinsicht etwas Besonderes. Er sei „durch alle Medien gegangen“: vom Modellbau über die digitale Planung und Fertigung bis hin zur eigenhändigen Montagearbeit im kalten Februar auf der Baustelle vor Ort. Dazu kam noch der Betonguss für eine Skulptur in solch einer Dimension. Außerdem sei es selten, dass Kunst „so ein integrativer Bestandteil und nicht nur eine applizierte Verschönerung“ von Architektur ist. In einem Video der auftraggebenden BIG ART gibt der Künstler weitere Hintergründe zu seiner Idee für die skulpturale Untersicht des Portals am Ágnes-Heller-Haus in Innsbruck preis. -sab
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Bautafel
Architektur: mohr niklas architekten, Wien
Projektbeteiligte: Alfred Brunnsteiner - dibral, Natters (Tragwerksplanung); peter sandbichler, Wien (Kunst am Bau); Kieran Fraser Landscape Design, Wien (Landschaftsarchitektur); ING-B Ingenieurbüro, Innsbruck (Elektroplanung); Ingenieurbüro Pratzner, Jenbach (HKLS); gbd projects, Dornbirn (Fassadenplanung); LARIX Engineering, Wien (Gebäudesimulation)
Bauherr*in: BIG – Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H
Standort: Innrain 52, 6020 Innsbruck, Österreich
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: David Schreyer – Architekturbild & Freie Arbeiten, Wörgl