Kunstarchiv Green Corner Building in Muharraq
Erschaffen im Sandkasten
Das Königreich Bahrain rüstet sich für die Zeit nach dem Öl – und setzt dabei unter anderem auf das eigene Kulturerbe und die Anziehungskraft zeitgenössischer Architektur. Ein Fokus der Restaurierungs- und Erneuerungsmaßnahmen liegt auf der Altstadt von Muharraq, in der sich neben archäologischen Stätten und restaurierten Häusern auch beachtenswerte Neubauten finden, unter anderem ein Besucherzentrum von Valerio Olgiati, öffentliche Plätze und Kulturbauten von Office KGDVS und Bas Smets und – in naher Zukunft – Parkhäuser von Christian Kerez.
Gallerie
Der niederländische Architekt Anne Holtrop hat gar seinen Hauptwohnsitz nach Muharraq verlegt und prägt mit seinen Bauten ebenfalls den Wandel der Stadt. Entstanden ist dabei unter anderem das Kunstarchiv Green Corner Building. Markantes Merkmal des Bauwerks ist die Fassade, die aufgrund ihrer Materialität und Struktur an einen Steinbruch denken lässt.
Schmale Felswand
Das nur etwa sechs Meter tiefe Gebäude soll in Zukunft mit einer seiner Längsseiten direkt an eine der mehrgeschossigen Parklandschaften von Christian Kerez grenzen. Auf der Vorderseite hingegen ist ein kleiner Platz mit einer Vorfahrt angelegt. An einer Ecke flankiert diesen ein vertikaler Garten von Patrick Blanc, dem das Bauwerk den Namen „Green Corner“ verdankt.
Das viergeschossige Gebäude zeigt einen simplen Grundriss: Ein Erschließungs- und Sanitärkern, der mittig an der fensterlosen Rückwand positioniert ist, teilt den langgestreckten Raum in zwei gleich große Bereiche. Die jeweils geschosshohen Öffnungen der Hauptfassade können mit speziell für dieses Bauwerk gegossenen Aluminium-Schiebeläden verschlossen werden.
Schalung: Wie gemeißelt
Das Felsenrelief, das die Schau- und die beiden Querseiten
zeigen, ist Teil vorgefertigter Sichtbetonplatten. Diese Elemente
mit einer Höhe von etwa 2,3 Meter und unterschiedlichen Breiten
liegen auf den auskragenden Geschossdecken, sodass die Fassade klar
nach Stockwerken gegliedert erscheint. Die Tiefen variieren je nach
Relief und betragen zum Teil mehr als 70 Zentimeter; mindestens
jedoch 20 Zentimeter.
Positiv und Negativ
Wie ein Schnitt durch Felsgestein wirken die Platten im Profil – was vor allem in den Eckbereichen und bei den Fensterlaibungen ablesbar wird. Auch im Inneren sind die Betonreliefs zu finden: Das Planungsteam ließ die Geschossdecken ebenfalls mit derart strukturierten Platten verwirklichen. Lediglich im Bereich der Fenster und Türen wurden Areale ausgespart, um die Drehtür und die Schiebeläden zum Schließen der Öffnungen unterbringen zu können. Diese Elemente sind in Aluminium ausgeführt, zeigen aber wiederum felsige Reliefe. Da sie innen hohl sind, wirken sie, als seien sie als Gussformen für den Beton genutzt worden – tatsächlich ließ man sie unabhängig davon mit der gleichen Technik herstellen.
Guss vor Ort
Die Fassadenelemente aus Beton wurden
nicht im Werk, sondern vor Ort auf der Freifläche erstellt, auf der
zukünftig das Parkhaus von Kerez Platz finden wird. Für die
Produktion wurden Rahmen aus Schaltafeln und Kanthölzern gebaut,
die den gewünschten Dimensionen der Platten entsprachen. In diese
Kästen ließ man den Sand füllen, der – entsprechend der Vorgaben
des Planungsteams modelliert – als Schalhaut
diente. Dadurch erhielt jedes Fassadenelement eine einmalige
Struktur, die eine bestimmte Sandformation widerspiegelt, die nach
dem Ausschalen unwiederbringlich verloren ist.
Der Aspekt der Vergänglichkeit, des flüchtigen Augenblicks wird
sich bei der Betrachtung des fertiggestellten Gebäudes allerdings
nur Eingeweihten erschließen – beherrschend bleibt das Bild einer
Felsenfestung, eines massiven Walls, der Ewigkeit atmet.
-chi
Bautafel
Architektur: Studio Anne Holtrop, Amsterdam / Bahrain (Team: Anne Holtrop mit Maitham Almubarak, Dario Biscaro, Pedro Henriques, Edoardo Massa, Massimiliano Marcorni, Yuiko Shigeta, Remco Siebring, Carlotta Testa)
Projektbeteiligte: Mario Monotti (Tragwerksplanung); Ismail Khonji Associates (Partnerbüro); GCT (Bauunternehmen); Art Foundry Kemner (Guss Aluminiumelemente)
Bauherr/in: Sheikh Ebrahim Center
Standort: Sh Abdulla Ave, Block 208, Muharraq, Manama, Bahrain
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Anne Holtrop