Calwer Passage in Stuttgart
Eine grüne Oase für die Stadt
Seit über 40 Jahren ist die Calwer Passage eine beliebte Flaniermeile im Herzen Stuttgarts. Inspiriert von der Mailänder Passage Vittorio, wurde sie zwischen 1974 und 1978 von den Architekten Kammerer + Belz und Partner erbaut. Im Jahr 2022 eröffnete ein neues siebengeschossiges Bürogebäude mit umfangreichen Begrünungskonzept von dem Architekturbüro ingenhoven associates und Tennigkeit Fehrle Architekten, welches die glasüberdachte, denkmalgeschützte Passage integriert und dem geschichtsträchtigen Ensemble ein neues Gesicht gibt. Ein weitflächig verglaster Bürokomplex mit Wohnungen und Gewerbeflächen im Erdgeschoss erstreckt sich mit einer 133 Meter langen begünten Fassade entlang der Straße und soll als wegweisendes Beispiel für eine grünere Zukunft in Stuttgart dienen.
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Ein Ensemble aus drei Generationen
Kammerer + Belz und Partner hatten sich bereits in ihrem
früheren Bauprojekt darum bemüht, die Geschichte dieses Ortes in
ihre Architektur einzubeziehen. Neben einem neuen Wohn- und
Geschäftsquartier, das den Blockrand zur Theodor-Heuss-Straße
schloss, wurden die gegenüberliegenden, historischen Fachwerkhäuser
saniert. Die Calwer Straße verlief daraufhin in der Blockmitte und
wurde zu einer Fußgänger*innenzone umgestaltet. Eine Glaskuppel
schaffte eine architektonische Verbindung zwischen den
Fachwerkhäusern und den verkupferten Neubauten der 1970er-Jahre.
Knapp 40 Jahre nach Fertigstellung wurde das Wohn- und
Geschäftsquartier mit dem markanten Kopfbau durch einen Neubau
ersetzt. Dabei konnte wiederum das historische Glasgewölbe der
Passage erhalten werden und ein Ensemble aus drei Generationen
entstand.
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Mischwald und Grünfassade
Unter der Leitung von ingenhoven associates entstand ein beispielloses Grünanlagenkonzept, das der neuen Calwer Passage eine üppige Fassaden- und Dachbegrünung verleiht. Das Gebäude ist jetzt Lebensraum von 40 großen Bäumen, die auf und um den Bau gepflanzt wurden. Des Weiteren fanden ca. 11.000 Setzlinge in 2.000 Pflanzgefäßen ihren Platz an der Fassadenkonstruktion. Das prägendste Element ist ein kleiner Mischwald aus Schwarzkiefern, Stieleichen, schwedische Mehlbeeren und Hainbuchen auf dem sechsten Geschoss der Passage. Die Bäume wurden mit einer Höhe von acht bis zehn Metern angepflanzt und können bis zu fünfzehn Meter hoch werden. Bereits jetzt sind sie vom Straßenraum zu erkennen und erwecken den Eindruck einer grünen Oase. Das weitläufige Landschaftsdach bietet neben dem Wäldchen auch Platz für Kräuterwiesen und Beete sowie Orte zum Verweilen.
Insgesamt weist das Grünanlagenkonzept eine hohe Diversität von Blumen, Sträuchern und Bäumen auf. Die Pflanzen der Fassade können in drei Kategorien eingeteilt werden: kleine Einzelhölzer, flach wachsende, überhängende sowie kletternde Pflanzen. Letztere verbinden über Netze oder Stahlseile die Geschosse untereinander. Bei der Bepflanzung wurde darauf geachtet, dem Ortsklima angepasste Gewächse zu wählen. Beraten wurden die Planer*innen dabei von dem Phytotechnologen Prof. Dr. Strauch von der Berliner Hochschule für Technik sowie dem Vegetationsökologen Prof. Dr. Reif von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Um ein gleichbleibendes Erscheinungsbild der Begrünung zu gewähren, wurde eine ganzjährig aktive Vegetation gewählt. Zudem mussten alle Gewächse stressresistent und regenerativ sein, um den Wind- und Luftverhältnissen standzuhalten.
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Konstruktion und Pflege
Bereits drei Jahre zuvor wurden die Pflanzen für die Fassade in einer Baumschule vorgezogen und in die gedämmten Aluminiumkübel umgetopft. So waren sie während der Montage fest verwurzelt und konnten sich am neuen Standort schnell akklimatisieren. Mithilfe einer Hebevorrichtung wurden die Pflanzgefäße in die vorgesehene Stahlkonstruktion gehoben, die gleichzeitig das Bewässerungssystem und die Wartungsstege trägt. Eine Herausforderung stellte die Bepflanzung des Dachgartens dar: Mithilfe eines Krans wurden die 15 bis 20 Jahre alten Bäume auf das Dach gehoben und mit einer Wurzelballen- und Kronenverankerung am Gebäude fixiert, um der hohen Windkraft standzuhalten.
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Ein digital gesteuertes Bewässerungssystem mit integrierter Nährstoffversorgung garantiert die Pflege der Pflanzen. Durch Sensoren wird die notwendige Menge an Wasser oder Nährstoffen bedarfsorientiert zugeführt. Alle Werte stehen den Landschaftsgärtner*innen außerdem per Fernabfrage zur Verfügung.
Für die Bewohner*innen und das Stadtklima entstehen durch die üppige Begrünung der Calwer Passage zahlreiche Vorteile. Neben der gesteigerten Biodiversität absorbieren die Pflanzen auch Schadstoffe und Schall und steigern so wesentlich die städtische Lebensqualität. Die Absorption des Regenwassers entlastet die städtische Kanalisation, und die Verdunstung wirkt an heißen Tagen Hitzeinseln entgegen. Die Begrünung hilft dabei, natürliche Wasserkreisläufe zu schließen. Grundsätzlich setzt das Erscheinungsbild ein Zeichen für eine nachhaltige Stadtentwicklung und eine lebenswerte Umgebung für Mensch und Tier.
Bautafel
Architektur: ingenhoven associates, Düsseldorf; Tennigkeit Fehrle Architekten, Stuttgart (Gebäudeentwurf / Objektplanung LPH 1–4)
Projektbeteiligte: Jürgen Gall, Kirchheim/Teck (Projektsteuerung); Prof. Dr. Strauch, Berlin (Phytotechnologie / Spezielle Bauwerksbegrünung); Prof. Dr. Reif, Freiburg (Beratung für Vegetationsökologie); Werner Sobeck AG (Fassadenplanung, inkl. Grünfassaden LPH 2 – 8); Inoclad Engineering, Ilshofen (Fassadenbau); Bruun & Möllers, Hamburg (Freianlagenplanung Dach und Fassade); Tropp Lighting Design, Weilheim (Lichtplanung); Pfrommer + Roeder, Stuttgart (Freianlagenplanung); Jakob Leonhards Söhne, Wuppertal (Begrünung Dach und Fassade); Bruns Pflanzen-Export, Bad Zwischenahn (Baumschule); Optigrün international (Pflanzgefäße, Dachbegrünung und Planungsunterstützung)
Bauherr*in: Ferdinand Piëch Holding
Standort: Rotebühlplatz 20A, 70173 Stuttgart
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: HG Esch, Optigrün, Ferdinand Piëch Holding
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