Karlheinz-Hora-Hof in Wien
Neuer Gemeindebau am Handelskai
Vierhundert Meter lang und zwanzig Meter ist das Grundstück am Handelskai im Wiener Stuwerviertel. Nicht die leichteste Aufgabe für Querkraft Architekten, die mit ihrem Entwurf einen nicht-offenen Realisierungswettbewerb 2017 bestritten. Ein kommunaler, sozialer Wohnungsbau sollte zwischen der bestehenden Großwohnsiedlung und der viel befahrenden Straße am Donauufer entstehen. Die Anlage bietet Wasserblick und Grünflächen, ohne Sicht und Sonnenlicht für die Nachbar*innen zu versperren.
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Seit der Zwischenkriegszeit baut die Stadt Wien kommunal geförderte Mietwohnungen, die sie zu erschwinglichen Preisen vergeben. Der Gemeindebau soll den Zugang zu Wohnraum für viele Menschen erleichtern, auch welche mit mittleren Einkommen. Doch nach 100 Jahren steht das Programm vor neuen Hürden: Der Wegfall der Wohnbausteuer und der Mangel an großen, zusammenhängenden Bauflächen erschweren die Umsetzung.
Ab 2000 wurde das Programm für 15 Jahre lang eingestellt. Seit einem Jahrzehnt baut die Stadt wieder. Während die Großwohnblöcke der 1920er-Jahre bis zu 1.500 Wohnungen umfassten, sind die heutigen Projekte kleiner. Mit dem Karlheinz-Hora-Hof entstand eine der größten Anlagen der letzten Jahre: 332 Wohnungen ergänzen hier den bestehenden Gemeindebau.
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Gartendeck und schlanke Türme
1975/76 errichtete die Gemeinde Wien am Handelskai eine Anlage mit 1.040 Wohnungen. Vor dem 400 Meter langen, in Plattenbauweise errichteten Baukörper lag eine zweigeschossige Garage, die als Schallschutz und Stellfläche diente. Der im Wettbewerb von 2017 geforderte Zubau durfte weder den Schallschutz noch Belichtung und Aussicht der bestehenden Wohnungen beeinträchtigen.
Querkraft löste die Aufgabe mit einem Sockelbau aus einem Ober- und zwei Untergeschossen, der den gestiegenen Bedarf an Parkplätzen deckt. Das Dach des Sockels dient als Freifläche für die neuen und alten Bewohner*innen. Darauf erheben sich sieben schlanke Türme, die durch begrünte Zwischenräume voneinander getrennt sind. Ihre punktuelle Anordnung und variierende Höhe sichern Tageslicht und Ausblick für die Bestandswohnungen.
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Im Erdgeschoss der Türme befinden sich halb verglaste Gemeinschaftsräume, die vom Gartendeck aus zugänglich sind. Die Wohnungen erreicht man über außenliegende Erschließungskerne, geschützt durch eine Lochblechfassade. Die schlanke Bauweise ermöglicht pro Stockwerk einen einzigen Mittelgang, der die Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen erschließt.
Ein markantes Merkmal des Zubaus sind die auskragenden Loggien. Vorgefertigte Betonteile hängen an den nordwestlichen und südöstlichen Seiten der Türme. Ihre Drehung lenkt den Blick zur Donau und schafft so Privatheit – für die Anwohner*innen und für die Menschen auf dem Gartendeck. Gemeinsam mit dem Künstler Ingo Nussbaumer entstand eine Farbpalette, dank der sich die Fassaden in die Umgebung einfügen. Je nach Licht und Tageszeit entstehen beim Durchqueren der Anlage wechselnde Farbräume.
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Grün als zentrales Element
Eine sanierte Wohngasse verbindet den Bestand mit dem neuen Gemeindebau und strukturiert die gesamte Anlage. Außentreppen führen zum Gartendeck, das mit zahlreichen Freizeitangeboten den Austausch unter den Bewohner*innen fördern soll. Begrünte Plattformen schaffen offene Aufenthaltsbereiche. Zwei geschwungene Wege durchziehen den Grünraum, vorbei an Liegeflächen, Spielplätzen, einer Calisthenics-Anlage und einem großen Bodenschachspiel. Die intensive Dachbegrünung des Gartendecks ermöglicht Beete mit bis zu 1,20 Meter tiefem Erdreich, in denen auch kleine Bäume wachsen und die Aufenthaltsbereiche einrahmen.
Ein weiteres zentrales Element ist die extensive Dachbegrünung der Wohnkuben. Die Naturdächer bieten Insekten und Bienen eine verlässliche Nahrungsquelle. Die kostengünstige Begrünung mit artenreicher Bepflanzung sorgt für ökologische Qualität, Wasserrückhalt sowie eine gute Verdunstungs- und Kühlleistung.
Bautafel
Architektur: Querkraft Architekten
Projektbeteiligte: Dorr-Schober & Partner, Wien (Statik und Bauphysik); Kieran Fraser Landscape Design, Wien (Freiraumplanung); Optigrün international (extensive und intensive Bauwerksbegrünung); Kainer Gebäudetechnik, Rattersdorf (Haustechnik); Ingo Nussbaumer (Farbkonzept); Norbert Rabl, Graz (Brandschutz)
Bauherr*in: WIGEBA
Fertigstellung: 2022
Standort: Handelskai 214A, 1020 Wien, Österreich
Bildnachweis: Hertha Hurnaus und Optigrün international (Fotos), Querkraft Architekten (Pläne)
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