In der bretonischen Gemeinde Erdeven mit ihren rund 3.600
Einwohnenden ist ein ungewöhnliches Gemeinschaftsprojekt mit dem
Namen Les pieds verts entstanden. Wörtlich heißt das „die
grünen Füße“, frei übersetzt: „mit grünem Fußabdruck“. Der Neubau
mit seinen 450 Quadratmetern umfasst drei Wohneinheiten sowie einen
Bürobereich und gemeinschaftlich genutzte Funktionsräume wie eine
Waschküche und Kellerräume. Den besonderen Charakter erhält das
Ensemble durch seine Gründächer und die Wintergärten, welche die
verschiedenen Bereiche miteinander verbinden und als bioklimatische
Gewächshäuser konzipiert wurden. Jede Wohneinheit hat einen eigenen
Garten mit individuell gestalteter Terrasse. Gemeinschaftlich
nutzen die Bewohnenden einen weiteren Teil des Grundstücks als
kollektiven Gemüsegarten, während auf dem restlichen Teil die
Vegetation wild wachsen kann.
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Aus Drei mach Eins
Initiiert und umgesetzt wurde der Neubau von drei Freunden, die
zusammen Architektur studierten. Ihr Ziel war es, ein Haus als
Kollektivprojekt für sich und ihre Familien zu errichten. Bei der
Suche nach einem geeigneten Grundstück in der Bretagne wurden sie
in Atlantiknähe am Ortsrand von Erdeven fündig. Hier standen gleich
drei benachbarte Grundstücke zum Verkauf, die eigentlich für
jeweils ein einzelnes Einfamilienhaus vorgesehen waren.
Gemeinschaftlich kauften die zukünftigen Bewohner*innen, darunter
die Architekten Benjamin Jardel und Nicolas Epaillard, die
Grundstücke und entwickelten das neue Wohnkonzept. Die beiden
Architekten entwarfen dann mit dem Team ihres Architekturbüros j+e
architectes das spätere Gebäude.
Da Erdeven in einer Landschaftschutzzone liegt, war die
Planungsphase wegen enger behördlicher Vorgaben mit viel Aufwand
verbunden. Es galt, strenge Regeln für Baukörper und Materialien
von Neubauten einzuhalten. Mit den für die Region typischen weißen
Wänden, keramischem Dachschiefer sowie sich in die Landschaft
einfügenden Holzschindeln und Gründächern konnten die Architekten
letztendlich die Behörden von ihrem Entwurf überzeugen.
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Gründach mit größzügigen Fensterflächen
Da die Vorschriften die Höhe des Baukörpers begrenzen und eine
traditionelle lange, gerade Dachform mit obligatorischer
Dachneigung von 45 Grad festschreiben, konnte das gewünschte zweite
Geschoss nur mit Schrägdach umgesetzt werden. Dessen Dachflächen
statteten die Planenden großzügig mit Dachfenstern aus, um viel
Tageslicht ins Innere zu lassen. So erhielten die Häuser auf der
Nordseite insgesamt elf 78 x 98 cm große Dachfenster. Auf der
Südseite befinden sich 16 Fenster der Größe 78 x 118 cm, die
jeweils als Zweier-Kombination übereinander angeordnet sind. Auf
diese Weise reichen die Dachfenster der Südseite als vertikales
Lichtband vom Kniestock bis fast zur Decke. So kann durch den
solaren Energiegewinn gerade in den Übergangszeiten der Bedarf an
Heizenergie reduziert werden.
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Bioklimatische Gewächshäuser
Bei den als Wintergärten genutzten bioklimatischen
Gewächshäusern spielt das Tageslicht ebenfalls eine große Rolle.
Der untere Teil der Nordwände der Gewächshäuser ist als massive
Wand umgesetzt, um Wärmeverluste zu vermeiden. Die übrigen
Außenflächen der Gewächshäuser, einschließlich des Daches, sind mit
Polycarbonat verkleidet. Dank der transluzenten Fassadenelemente
kann die Wärme der Sonnenstrahlung tagsüber in den Wänden
gespeichert werden. Nachts wird diese wieder abgegeben und erwärmt
so das gesamte Haus.
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Luftzirkulation
Die gartenseitige Polycarbonat-Fassade ist in zwei Elemente
unterteilt. Diese können an heißen Sommertagen aufgeklappt werden
und schaffen im Zusammenspiel mit den Fenstern eine natürliche,
effektive Luftzirkulation im Gebäude. Zudem verfügt der Neubau über
ein duales Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung, welches gemeinsam
mit einer dicken Dämmung im Winter für ein gutes Raumklima sorgt.
Im Gebäudeinnern verfügt der Neubau über keine tragenden Wände,
sodass die Grundrisse der einzelnen Wohneinheiten flexibel nach
individuellen Wünschen gestaltet werden konnten.
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Holzständerwerk mit Dämmung aus Stroh und Hanf
Bei den Baumaterialien achtete man darauf, möglichst viele
recycelte Baustoffe oder biologisch abbaubare Ressourcen für das
Haus zu nutzen. Die Fundamente sind zwar aus Beton gegossen, alle
anderen tragenden Elemente sind jedoch aus Holz. Das Ständerwerk
aus 4,5 x 15 cm großen Holzelementen im Abstand von 60 cm verfügt
über eine natürliche Dämmung aus Stroh und Hanf. Als Verkleidung
für die Fassade dienen unbehandelte Kastanienholzschindeln. Das
Steildach wurde begrünt, was nicht nur zu einem guten Wohnklima im
Dachgeschoss beiträgt, sondern auch Insekten einen zusätzlichen
Lebensraum bietet. Das überschüssige Regenwasser der Dachflächen
wird gesammelt und zur Bewässerung der Gewächshäuser verwendet.
Dabei wurden die Dachrinnen zugunsten einer klaren Geometrie in der
Konstruktion der Traufe versteckt.
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Mit ihrem Projekt Les Pieds Verts setzen die
Architekturschaffenden ein Statement gegen sich wiederholende
architektonische Standards und die konventionelle Ästhetik von
Einfamilienhäusern. Sie verwenden bei dem Neubau mit Holzschindeln,
Gründächern und Wintergärten eine zeitgemäße und individuelle
Formensprache, ohne dabei auf hohe Ansprüche im Hinblick auf
Umweltfreundlichkeit, geringe CO₂-Emissionen und die Verwendung von
lokalen Materialien zu verzichten.
Bautafel
Architektur: j+e architectes, Erdeven Projektbeteiligte: Velux (Dachfenster) Bauherren: Benjamin Jardel, Nicolas Epaillard u.a. Standort: Erdeven, Frankreich Fertigstellung: 2018 Bildnachweis: Velux / Antoine Mercusot und Fanch Galivel