Geschosswohnungsbau in Wien
21 Meter Höhe dank Stahlbetonskelett und vorgefertigten Holzbauelementen
Auf einem ehemaligen Flugfeld im 22. Wiener Gemeindebezirk Donaustadt entsteht derzeit die Seestadt Aspern. Sie ist mit rund 240 Hektar eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Europa. Das Quartier, dessen Masterplan der schwedische Architekt Johannes Tovatt konzipiert hat, soll eine Mischnutzung aufweisen, mit Bauten für Büros und Gewerbe, Bildung, Forschung und Wissenschaft sowie Wohnungen für 20.000 Menschen. Seine geografische Mitte bildet ein großer See, gelegen in einem Park. Die ersten Wohnungen wurden bereits 2014 bezogen, die gesamte Entwicklung soll 2028 abgeschlossen sein.
Gallerie
Im Südosten des Areals realisierten die ortsansässigen querkraft architekten gemeinsam mit Berger + Parkkinen Architekten einen Geschosswohnungsbau auf rund 7.700 Quadratmetern. Der Wohnkomplex mit 213 Wohnungen und acht gewerblich genutzten Einheiten ist ein Holzhybridbau – mit 21 Metern Höhe und sichtbarer Holzfassade ein Pionier in der Donaumetropole. Bei einem Baufeld von 80 x 80 Metern wollten die Architekten eine monotone Randbebauung vermeiden, der Block sollte vielmehr für Fußgänger und Radfahrer durchlässig sein und ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild zeigen.
Die Planer schufen drei Gebäudeachsen in Nord-Südrichtung, aufgelockert durch Grünflächen. Am nördlichen Rand sind die Bereiche zwischen den zumeist lang gestreckten Baukörper geschlossen, im Süden bleiben die begrünten Höfe offen. Die Gebäudeachsen bestehen aus vier- bis siebengeschossigen, riegelförmigen Häusern, deren gestaffelte Anordnung unterschiedliche Höfe und wechselnde Sichtbeziehungen erzeugt. Verbunden sind sie durch Laubengänge, die als schmale Passagen die Baukörper verbinden: Mal sind sie offen, mal geschlossen ausgebildet, hier durch eine Gemeinschaftsterrasse erweitert, dort durch ein lichtdurchflutetes Treppenhaus. Die lineare Grundstruktur ermöglicht eine variable Abfolge von Wohnungstypen und damit eine Durchmischung der Bewohnerstruktur. Die Grundrisse sind flexibel konzipiert. Insgesamt fünf Wohnungstypen (1 bis 5-Zimmer-Wohnungen mit 42 bis 110 Quadratmetern) sind im Wechsel entlang der drei Gebäudeachsen angeordnet. Im Osten und Westen öffnen sie sich mit Fenstern und Balkonen zu den begrünten Freiflächen.
In Ost-Westrichtung ist die Wohnanlage etwa mittig von einem
öffentlichen Durchgang durchbrochen. Er ist als großzügiger
Innenhof konzipiert: Diese halböffentliche Zone, die sogenannte
„soziale Mitte“, ist Treffpunkt und Aufenthaltsort für Bewohner und
Nachbarn. Breite, tribünenartige Treppen, Spielplätze, begrünte
Hügel und Freiflächen laden zum Verweilen, Toben und Entspannen
ein. Diese Art begehbare Landschaft erhebt sich über einer
Sockelzone mit Tiefgarage für 400 Stellplätze (laut Masterplan
mussten Stellplätze für mehrere umgebende Baufelder in der
Wohnanlage untergebracht werden). In den unteren beiden Etagen der
Häuser befinden sich Maisonettewohnungen und Geschäftslokale mit
Emporen; an der Ostseite gibt es ein Gemeinschaftsgebäude mit
Wellnessbereich.
Holzbau: Stahlbetonskelett kombiniert mit vorgefertigten
Holzbauelementen
Durch die Kombination aus Stahlbetonskeletten und vorgefertigten
Holzbauelementen konnten die Baustoffe entsprechend ihren
Qualitäten eingesetzt werden: Die Holzbauelemente mit sehr guten
wärmedämmenden Eigenschaften kamen für die Gebäudeaußenhülle zum
Einsatz, während Beton als tragende Konstruktion nicht nur große
Spannweiten innerhalb des Gebäudes überbrückt, sondern auch den
hohen Anforderungen hinsichtlich Brand- und Schallschutz entspricht.
Vorgefertigte Wandelemente aus heimischem Fichtenholz mit einem Dämmkern aus Steinwolle bilden die hochgedämmten Außenwände. Die industrielle Vorfertigung ermöglicht eine kurze Bauzeit bei hoher Material- und Oberflächenqualität; kurze Transportwege halten den Energieaufwand und den damit verbundenen CO₂-Ausstoß gering. Die Wohnungs- und Raumtrennwände wurden ebenfalls im Werk vorgefertigt und für die Installationen vorbereitet. Im Vergleich zum Massivbau haben Fertigteile einen geringen Wandaufbau, da die Konstruktion in der Dämmebene liegt. So ließen sich im Wiener Wohnquartier rund 100 Quadratmeter Nutzfläche gewinnen.
Das Thema Nachhaltigkeit spielte bereits im Planungsprozess eine zentrale Rolle. So wählten die Planer eine Konstruktion, die eine hohe Flexibilität auch in der Nachnutzung zulässt. Das Betonskelett ermöglichte eine freie Fassadengestaltung und auch künftig variable Grundrisse. Die Versorgungsschächte liegen neben der Erschließung; ihre zentrale Anordnung machte eine geschossweise Spiegelung der Wohnungstypen möglich. Das Fassadenbild wird durch das Wechselspiel von Balkonen und Loggien aus Betonfertigteilen und geschosshohen Holzelementen strukturiert und aufgelockert. Die Fenster sind mit einer Dreischeiben-Isolierverglasung ausgestattet.
Der durchschnittliche Heizwärmebedarf beträgt 15
kWh/m2a; auf Fernwärme wurde bewusst verzichtet. Für
Warmwasser, Fußbodenheizung und Kühlung kommt eine Wärmepumpe in
Verbindung mit Solarthermie und Photovoltaik zum Einsatz.
Bautafel
Architekt: querkraft architekten und Berger + Parkkinen Architekten, Wien
Projektbeteiligte: Porr Bau, Wien (Generalunternehmer); Lackner + Raml Ziviltechniker, Villach (Tragwerksplanung); Holzforschung Austria, Wien (Bauphysik); lc buildings, Wien (Holzbau)
Bauherr: EBG Gemeinnützige Ein- und Mehrfamilienhäuser Baugenossenschaft, Wien
Fertigstellung: 2015
Standort: Maria-Tusch-Straße 6, Wien
Bildnachweis: Hertha Hurnaus und querkraft architekten, Wien
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