Recycling von Glas

Weltweit werden jährlich derzeit etwa 130 Millionen Tonnen Glas produziert. Wesentliche Anteile hieran machen mit etwa 48 Prozent die Hohl- bzw. Behälterglasherstellung und 42 Prozent die Flachglasproduktion. Die Produktion von Flachglas ist energieintensiv: Während die Schmelztemperatur von Quarzglas aus reinem Siliziumdioxid (SiO2) bei über 1700 °C liegt, kann diese für Kalk-Natron-Silikatglas durch die Beimengung sogenannter Netzwerkwandlern und Eigenscherben in das Rohstoffgemenge auf nur 1.100 °C reduziert werden. Denn Glasscherben schmelzen bei geringeren Temperaturen als die ursprünglichen Rohstoffe Sand, Soda und Kalk. In Abhängigkeit vom erzielten Reinheitsgrad der Scherben aus dem Altglasrecycling lässt sich Glas beliebig oft einschmelzen und zu neuen Produkten verarbeiten. 1 kg Scherben ersetzen dabei rund 1,2 kg Rohstoffe für die Glasherstellung.

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Dabei kann der Energieverbrauch bei der Glasherstellung um etwa 3 % gesenkt werden, wenn 10 % der natürlichen Rohstoffe durch Recyclingglas ersetzt werden. Bei einem Einsatz von 65 % Recyclingmaterial kann in der Folge eine Energieeinsparung von 20 % erreicht werden. Mit einem geringeren Energieverbrauch sinken auch die Kohlenstoffdioxid- (CO2-) Emissionen: bei einer Zugabe von 10 % Scherben zum Rohstoffmix, sinken die CO2-Emissionen bei der Glasherstellung um 5 %.

Für die Anwendung von Recyclingmaterial wird zwischen der Behälter- und der Flachglasproduktion differenziert.

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Behälterglasproduktion

Bei der Behälterglasproduktion zählt Altglas zu den wichtigsten Rohstoffen: Der Anteil bei der Grünglasproduktion beträgt 90 %, teilweise werden auch Werte von bis 95 % erreicht. Bei Braunglas wird ein Zusatz von 70 % Recyclingmaterial erreicht; Weißglas lässt in der Regel nur einen Anteil von maximal 60 % zu. Der KSP-Anteil sollte bei der Behälterglasproduktion 20 Gramm/ Tonne nicht überschreiten. Auch die Fehlfarbenanteile sind begrenzt; so sollte Weißglas nicht mehr als 0,2 % Grünglas, 0,3 % Braunglas und 0,2 % anderes Buntglas enthalten; Grünglas sollte mindestens zu 70 % aus Grün- und zu maximal aus 10 % aus Braunglas bestehen; Braunglas sollte zu mindestens 80 % aus Braunglas bestehen. Neben der Rückführung in die Glasproduktion kann das aufbereitete Recyclingmaterial auch beispielsweise zur Glaswolleproduktion genutzt werden.

Glasrecycling wird seit den 1960er-Jahren betrieben. Moderne Aufbereitungsprozesse bestehen aus mechanischen (Zerkleinern, Sieben, Metallabscheidung, usw.) und optischen Prozessstufen (Farbsortierung und Extraktion von Störstoffen wie Keramik, Steine, Kunststoffe und organische Stoffe). In modernen Recyclinganlagen können hitzebeständige Glaskeramiken oder bleioxidhaltige Gläser automatisiert aussortiert werden. Für die Aufarbeitung von Verbundglas, Drahtglas oder Gläsern aus dem Bereich der PV-Anwendung müssen diese zunächst durch spezielle Techniken in Aufbereitungsanlagen vorbearbeitet werden. Der Aufbereitungsprozess gliedert sich im Detail wie folgt:

  • Transport des in Bunkern zwischengelagerten Altglases in den Vorbrecher, wo es auf Handtellergröße gebrochen wird.
  • Im Leseraum erfolgt die Abtrennung von Kunststoff, Metallen, Steinen und Keramik per Hand.
  • Im Eisenabscheider werden Eisenteile mittels Magneten aussortiert.
  • Im Feinbrecher wird das Glas auf Korngrößen zwischen 0 mm und 40 mm zerkleinert.
  • Abscheiden von Folienrückständen und feinsten Verunreinigungen.
  • Abscheiden von Nichteisenmetallen.
  • Elektrooptische Feinsortierung.

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Flachglasproduktion

Die Anforderungen an das Recyclingmaterial in der Flachglasproduktion sind im Gegensatz zur Behälterglasproduktion deutlich höher. Produktionsscherben – auch bekannt als Eigenscherben – gelangen zurück in den Produktionskreislauf, da sie in der Regel sortenrein und frei von Verunreinigungen sind. Bei Altglas, etwa aus dem Abbruch von Gebäuden, muss die Recyclatqualität vor der Verwendung sorgfältig geprüft werden: Die meisten Glashütten akzeptieren eine Verunreinigung aus Keramik, Steinen und Porzellan – der sogenannte KSP-Anteil – von maximal fünf Gramm/Tonne. Daher findet Altglas in der Flachglasproduktion nur nach einer fachgerechten Aufbereitung Anwendung.

Ein Beispiel hierfür ist das CO2-reduzierte Glas Oraé von Saint-Gobain Glass, das seit September 2022 am Standort Torgau produziert wird. Es ist derzeit hauptsächlich für den Fassadenmarkt vorgesehen und kann so einen maßgeblichen Beitrag zur Ressourcenschonung und CO2-Reduzierung bei der Produktion von Glasfassaden beitragen. Gemäß EPD Umweltproduktdeklaration besitzt es bei 4 mm Nennglasdicke ein CO2-Äquivalent/m² von 6,64 kg. Dies entspricht einer Reduktion von 42 % im Vergleich zum europäischen Basiswert von Saint-Gobain Glass für Standard-Floatglas. Das bislang größte Glasrecyclingprojekt mit diesem Glas ist das Gate: 01 Frösundavik. Bei den Sanierungsmaßnahmen wurden 50 Tonnen Altglas abgebaut, rezykliert und zu neuen Verglasungen verarbeitet.

Optimierung der Recyclingquote am Beispiel Niederlande

Da das Recycling von Glas auf der Baustelle mit Kosten für die Trennung und Entsorgung verbunden ist und häufig nicht alles sachgemäß entsorgt wird, wurde durch die niederländische Glasindustrie ein flächendeckendes System zum Einsammeln von gebrauchtem Flachglas eingerichtet. Ziel ist, dass wertvolle Rohstoffe nicht verloren gehen. Für den dortigen nationalen Markt wurde vereinbart, dass Hersteller und Importeure von Isolierglas für die von ihnen auf dem niederländischen Markt abgesetzten Produkte einen Recyclingbeitrag von 0,30 €/m2 an den Verband Vlakglas Recycling Nederland abführen. Mit diesem Beitrag wird dann das Einsammeln sämtlicher Arten von Flachglasabfällen organisiert. Ab dem 31. Dezember 2022 ist die Zahlung dieses Beitrages auch für Nichtmitglieder des Verbandes allgemein verbindlich. Somit wird für niederländische Unternehmen, welche auch bereits verbaute (z. B. in Fensterrahmen) Isolierglasprodukte importieren, die Zahlung des Recyclingbeitrags verpflichtend.

Alternatives Konzept: Reuse von Glas

Neben dem Einschmelzen von Flachglasabfällen rücken auch die Potenziale zur Wiederverwendung und/oder Wiederaufbereitung in den Fokus. Dabei wird unter Wiederverwendung verstanden, dass ein Produkt ohne weitere Bearbeitung mehr als einmal für seinen ursprünglichen Zweck verwendet wird. Im Gegensatz dazu meint die Wiederaufbereitung die Weiterverarbeitung gebrauchter Produkte. Bedingt durch die Tatsache, dass Glasprodukte im Bauwesen in der Regel in allen Belangen (z. B. Abmessung, Beschichtungen, Glasaufbauten, Glasarten, etc.) objektspezifisch nach Maß gefertigt werden, sind die Möglichkeiten der Wiederverwendung eingeschränkt, weshalb der Prozess der Wiederaufbereitung bislang einfacher umsetzbar ist. Dafür kommen folgende Aufbereitungsverfahren in Betracht:

  • Kantenbearbeitung
  •  Zuschnitt auf kleinere Glasformate
  • Vorspannen
  •  Biegen
  • Laminieren
  • Weiterverarbeitung zu Isolierglas
  • Oberflächenbearbeitungen wie Sandstrahlen, Emaillieren, etc.
Der Fachverband Konstruktiver Glasbau (FKG) untersucht derzeit die Möglichkeiten zur Wiederverwendung bzw. Wiederaufbereitung von Flachglas (Stand: 2023). Entsprechend der ersten Erkenntnisse eignen sich hierfür insbesondere monolithische Verglasungen aus thermisch entspanntem Floatglas. Der Vorteil dieser Gläser ist, dass sie nach dem Ausbau geschnitten und weiterverarbeitet werden können. Dies gilt sowohl für einzelne Glasscheiben als auch für Verbundglas. Zudem ist die Weiterverwendung von vorgespannten Glasscheiben auch denkbar, wenn diese im selben Format weiterverarbeitet werden sollen (z. B. zu Verbundsicherheits- oder Isolierglas).

Aktuell gibt es für die direkte Wiederverwendung von Flachglas keine normative oder technische Grundlage, etwa zur Bewertung der optischen Qualität, Festigkeit, etc. Daher untersucht der FKG derzeit, ob die etablierten Produktnormen und Richtlinien angewendet werden können, oder ob abgestufte Qualitätsanforderungen definiert werden müssen.

Neben den Aspekten der optischen Qualität und Festigkeit wird außerdem untersucht, ob Verbundsicherheitsverglasungen aus Altgläsern die geforderten Sicherheitseigenschaften – vor allem die Resttragfähigkeit – erfüllen. Zudem wird evaluiert, ob die Prozesse der Glasveredelung (Zuschnitt, Kantenbearbeitung, Lamination, thermisches Vorspannen und das Aufbringen etwaiger Beschichtungen, Randverbundherstellung von Isolierverglasungen) in gewohnter Qualität durchgeführt werden können, oder ob Qualitätsklassen zur Berücksichtigung der Alterung des Glases definiert werden müssen. Neben der Fragestellung zur Übernahme der Gewährleistung ist aus baurechtlicher Sicht darüber hinaus zu klären, inwiefern Altgläser aktuelle Produktanforderungen (CE-Kennzeichnung) erfüllen und wie Bestandsglas qualifiziert werden kann.

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