Garden Folly in Leonberg
Archetypische Hausform aus Acryl-Rasterstruktur
Follies sind sonderbare Gebäude, die sich in der Regel einem klaren Nutzungsprofil entziehen. Die meisten von ihnen waren Produkte einer architektonischen Mode im 18. Jahrhundert. Diese bescherte zunächst den romantischen Landschaftsparks in Großbritannien, dann aber auch dem europäischen Festland, eine Vielzahl exzentrischer Bauwerke wie Ruinen, römische Tempel, Türme oder Grotten. Wortwörtlich als „Torheit, Unsinn" zu übersetzen, entstammen viele von ihnen der Fantasie ihrer gut betuchten Bauherren. Heutzutage sind private Gärten eher von Pflanzen, Erholungsarealen und Spielplätzen geprägt, der Platz für grüne Außenbereiche ist funktionalisiert und knapp bemessen. Dennoch beauftragte im süddeutschen Leonberg ein privater Bauherr Kawahara Krause Architects damit, eine große Lücke in der dicht bewachsenen Randbepflanzung des eigenen Gartens mit einem Folly zu füllen.
Gallerie
Das Hamburger Büro kreierte eine skulpturale, durchlässige Gitterstruktur auf neun Quadratmetern, deren Kubatur formal dem Archetypus eines Hauses mit Steildach entspricht und etwa die Größe eines Gartenhäuschens hat. Auf ein funktionstüchtiges Dach sowie auf Wände verzichtet das Objekt. Vielmehr besteht das gesamte Volumen aus einer Gitterstruktur aus Acryl-Röhren, die mit speziell entwickelten Verbindungsknoten zusammengesteckt wurden. Die Knotenpunkte bestehen aus jeweils zwei kreuzförmigen Acrylteilen, die so in einander gesteckt werden, dass ein dreidimensionales Kreuz entsteht. Die Röhren sind transparent, während die Verbindungsknoten aus weißem Acryl gelasert wurden. Dies bewirkt, abhängig von der Lichtsituation, unterschiedliche Wahrnehmungen des Baukörpers: Teilweise dominieren die sternförmigen Knoten das Bild. Dann scheint sich das Volumen aus einer schwebenden, lichten Wolke von kleinen Punkten zusammenzusetzen. Bei starkem Sonnenlicht wiederum gleißen die Acrylröhren in der Sonne und betonen so das Raster. Raffiniert ist, dass die rational-geometrische Struktur des Pavillons – je nach Blickwinkel – entweder klar definiert oder zufällig angeordnet erscheint.
Mit dem Folly wollen die Planer die Vereinigung mehrerer
konträrer Eigenschaften symbolisch darstellen: „den gefassten Raum
eines Haus-Archetyps und einen offenen, fließenden Raum, Masse und
Leichtigkeit, Außen und Innen, Struktur und Zufälligkeit, Klarheit
und Vieldeutigkeit, das Konventionelle und das Konzeptionelle“. So
fügt sich der lichte Pavillon einerseits als Objekt in die dichte,
grüne Außenwelt ein, das betrachtet und umwandert werden soll.
Andererseits lädt der Ort zum Begehen, zum Aufenthalt, denn trotz
der offenen Bauweise wird gefühlt ein „Innen“ entwickelt.
Bautafel
Architekten: Kawahara Krause Architects, Hamburg
Bauherr: privat
Standort: Leonberg
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Kawahara Krause Architects, Hamburg