Achtgeschossiger Holzbau in Bad Aibling
Feuerbeständige Holzkonstruktion
Nordwestliche von Bad Aibling entsteht auf einem ehemaligen Gelände der US-Armee eine Nullenergiestadt. Auf dem ca. 70 Hektar großen Areal im Stadtteil Mietraching ist neben einem Technologiepark und einem Hotelgelände auch eine Mustersiedlung zum energieeffizienten Bauen im Werden. Dazu gehören verschiedene Neubautypen in Holzbauweise, vom Einfamilienhaus bis zum achtgeschossigen Hochhaus. Fast 25 Meter misst ein Neubau, der nach Plänen des Münchner Büros Schankula Architekten realisiert wurde – und damit derzeit der höchste Holzbau in Deutschland ist.
Gallerie
Das nahezu Nord-Süd ausgerichtete Holzhaus mit Wohn- und Büronutzung liegt etwas zurückversetzt auf einem Eckgrundstück, das an seiner West- und Südseite von Straßen flankiert wird. Der Zugang ins Gebäude befindet sich davon abgewendet an der Ostseite. Hier ist auch ein innen liegendes Treppenhaus aus Betonfertigteilen angeordnet; von ihm aus geht es über Laubengänge zu den Wohnungen der einzelnen Geschosse, die als Zwei- oder Dreispänner mit flexibel gestalteten Grundrissen organisiert sind.
Bis auf den aus brandschutztechnischen Gründen in Beton gefertigten Treppenhauskern, besteht das Gebäude vollständig aus Holz. Die Architekten entwickelten einen bereits gebauten viergeschossigen Holzbau-Prototypen weiter und in Zusammenarbeit mit der Holzbaufirma ein massives Wand- und Tragsystem, das auch brandschutztechnisch abgesichert ist. Die massiven Holzaußenwände, die einschließlich der Fenster und Fassadenbekleidung im Werk vorgefertigt wurden, sind als Blockständer-Elemente konstruiert: Nebeneinandergestellte Vollholzstiele sind zur Aussteifung beidseitig mit Plattenwerkstoffen beplankt und mit Furnierschichtholzschwellen und Rähmen versehen. Eine Dämmung aus Steinwolle ist vor der Tragkonstruktion angeordnet, die abschließende Gebäudehülle besteht größtenteils aus einer vertikalen Holzschalung auf einer Unterkonstruktion an einigen Stellen aus Putzflächen. Dank des hohen Vorfertigungsgrades konnte das Hochhaus in nur dreieinhalb Wochen errichtet werden.
Die Innenwände sind bis auf die Schotten nicht tragend und in ähnlicher Bauweise als Blockständer-Element aus beidseitig mit Gipsfaserplatten beplankten Kanthölzern erstellt. Auch die Geschossdecken sind aus Holz: Auf die verleimten Brettstapelelemente wurde erst eine Schüttung, dann eine Trittschalldämmung aufgebracht. Ein Estrich dient als Untergrund für den Fußbodenbelag.
Brandschutz
Mit seinen knapp 25 Metern Traufhöhe zählt das Holzhaus nach der
Musterbauordnung (MBO) zur Gebäudeklasse 5. Damit wurden feuerbeständige
Konstruktionen mit zusätzlichen Anforderungen an das Brandverhalten
der Baustoffe verlangt. In enger Zusammenarbeit mit Forschern der
TU München, der Fachhochschule Rosenheim, dem ift Rosenheim und der
Holzbaufirma Huber haben die Architekten ein stimmiges Brandschutzkonzept entwickelt. Da es kaum
bauaufsichtliche Zulassungen für mehrgeschossige Bauten gab, war es
wichtig, im Vorfeld immer wieder die Bereiche Statik, Brand- und
Schallschutz zu untersuchen. Der neu entstandene Wandtyp aus
Massivholz wurde dabei hinsichtlich seiner Brandbeanspruchung durch
die Materialprüfanstalt Leipzig geprüft und zugelassen.
Alle tragenden Bauteile sind in der Feuerwiderstandsklasse F90 und K₂60 ausgeführt.
Die Anforderung an das Kapselkriterium K₂60 nach DIN EN 13501
Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem
Brandverhalten bezieht sich dabei auf die Brandschutzbekleidung der Bauteile, die den
darunter liegenden Baustoff Holz für eine Zeitdauer von mindestens
60 Minuten vor einer Entzündung schützen soll. Um einer
Brandbelastung von außen standzuhalten, wurden die tragenden
Bauteile mit nicht brennbaren Steinwolle-Dämmstoffplatten mit einem
Schmelzpunkt von > 1.000°C und Gipsfaserplatten bekleidet.
Raumseitig sind Wände und Decken ebenfalls nach der
K₂60-Klassifizierung ausgebildet, überwiegend kommen
Gipsfaserplatten der Feuerschutzklasse F120 zum Einsatz, die gemäß
DIN EN 13501 als nicht brennbarer Baustoff (Baustoffklasse A2)
klassifiziert sind. In den oft frequentierten Bereichen, wie z.B.
im Wohnzimmer, sollten die Holzunterseiten der Decken aus optischen
Gründen sichtbar bleiben und sind deshalb nicht mit
Gipsfaserplatten verkleidet. An Stellen, wo gekapselte und nicht
gekapselte Bauteile aneinanderstoßen, entsteht die Gefahr des
Einbrandes. Deshalb sind in den Bereichen, wo nur die Wände
gekapselt sind und stumpf gegen die Decke stoßen, am Anschlusspunkt
Wand/Decke Brandschutzdichtschnüre in die erste Lage
der Gipsplatten eingelegt. Alternativ wurde die erste Lage der
Gipsplatten abgestuft und der obere Abschluss mit einem
Dämmstreifen (nicht brennbare Steinwolle) gefüllt. Durch die
Auflegung der Deckenplatte wurde dieser Anschlusspunkt so
komprimiert, dass sich die Fugen dicht schließen.
Zum Brandschutzkonzept gehören auch die Ausführung des
Treppenhauskernes aus Beton sowie die zwischen den Wohnungen und
dem Treppenhaus angeordneten Laubengänge. Der Rettungsweg „Treppenhaus“ ist damit von den
Wohnungen abgekoppelt und es wird verhindert, dass aus einer
brennenden Wohneinheit Rauch oder Feuer ins Treppenhaus
gelangen.
Bautafel
Architekten: Schankula Architekten, München
Projektbeteiligte: Bauart Konstruktions Gesellschaft, München (Tragwerksplanung und Brandschutz); ift Schallschutzzentrum, Rosenheim (Schallschutz/Bauphysik); Huber und Sohn, Bachmehring (Holzbau); Deutsche Rockwool, Gladbeck (Fassadendämmung); Fermacell, Duisburg (Trockenbauelemente und Brandschutzbekleidung)
Bauherr: B&O Gruppe, Bad Aibling
Fertigstellung: 2011
Standort: Dietrich-Bonhoeffer-Straße 14, 83043 Bad Aibling
Bildnachweis: Schankula Architekten, München; Huber und Sohn, Bachmehring; Rockwool, Gladbeck; B&O Wohnungswirtschaft, Bad Aibling
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