Wohnhaus der Baugruppe 3XGrün in Berlin
Innerstädtisches Wohnen im Holzsystembau
Kann ein fünfgeschossiges Wohnhaus für 13 Parteien mitten in der Innenstadt aus Holz gebaut, individuellen Wünschen angepasst und gleichzeitig vorgefertigt sein – und dabei auch aussehen wie ein Holzbau? Und könnte man aus diesem Prototyp nicht ein Bausystem entwickeln, das auch in anderen Baulücken, als Punkthaus oder Zeilenbau funktioniert? Die Architekten des Instituts für urbanen Holzbau (IfuH) nutzten das Baugruppenprojekt 3XGrün in Berlin-Pankow, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen.
Gallerie
Ziel der Architektenpartnerschaft, die aus der Forschungsinitiative Fertighauscity5+ an der TU Braunschweig hervorging, war es, ein Holzbausystem zu entwickeln, das die Vorteile der Vorfertigung wie Zeitersparnis und flexible Produktion nicht nur für Einfamilienhäuser, sondern auch für innerstädtische Mehrfamilienhäuser nutzt. Baurechtlich ist dies inzwischen möglich. Die Landesbauordnungen erlauben Wohngebäude der Gebäudeklasse 4 aus Holz. Das heißt, die Fußbodenoberkante der obersten Nutzebene darf maximal 13 Meter über der Geländekante liegen. Damit lassen sich bis zu fünf Geschosse erreichen.
Zurückhaltend reiht sich die vordere Fassade in das gründerzeitliche Straßenbild ein. Sie ist mit anthrazitgrauen Faserzementplatten verkleidet, die Erdgeschosszone hebt sich durch eine Lärchenholzschalung ab. Statt eines geneigten Daches sitzt ein hölzerner Dachaufbau auf der gemeinsamen Dachterrasse in Traufhöhe. Prägendes Element der Straßenfassade sind schmale Balkone, die über die gesamte Breite des auf zwei zusammengelegten Grundstücken errichteten Gebäudes verlaufen. Dadurch fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass Größe und Position der großen, raumhohen Fensteröffnungen variieren. Auf der Gartenseite darf es ungeordneter zugehen. Der mittlere Teil des Gebäudes springt hier aus der Häuserflucht hervor und schafft so mehr Tiefe für die Wohnungen. Das durchgehende Balkonband fehlt. Dafür kragen einzelne, großzügige, 2,00 Meter tiefe Balkone an unterschiedlichen Stellen aus. Die auch hier verspringenden Fenster treten deutlicher in Erscheinung. Die Wohnungen im Erdgeschoss besitzen einen direkten Zugang über Holzterrassen zum gemeinschaftlich genutzten Garten.
Von der Straße aus gelangt man in ein Foyer, das die etwa 50-köpfige Bauherrengemeinschaft auch für Besprechungen und Feste nutzt. Die beiden außen liegenden Maisonettewohnungen sind direkt von der Straße aus über den schmalen Vorgarten zugänglich. Die übrigen vier Maisonette- und sieben Etagenwohnungen erreichen die Bewohner über die beiden innen liegenden Treppenhäuser. Jede der zwischen 100 und 200 Quadratmeter großen Wohnungen besitzt einen individuellen Grundriss entsprechend den Wünschen der jeweiligen Bauherren.
Brandschutz
Die Holzkonstruktion ist ein kombinierter Skelett- und
Holztafelbau. Brandwände, Keller und Erdgeschoss sowie die
Treppenhäuser bestehen jedoch aus Stahlbeton. Wegen aufwendiger
Schutzmaßnahmen gegen Feuer und Anprall wäre hier eine Ausführung
in Holz unwirtschaftlich gewesen. Außerdem dienen die Betonelemente
zur Aussteifung und als Auflager für die längs zur Fassade
spannenden Deckenunterzüge.
Die Holzstützen bestehen aus Brettschichtholz, die Unterzüge aus Furnierschichtholz. Die 189 mm dicken massiven Deckenplatten aus Brettsperrholz sind im Mittel 3,00 x 6,00 m groß und bündig mit den Unterzügen verschraubt. Dadurch ist eine durchgehende Untersicht der Holzdecke möglich. Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit von Holz kann die Decke über die Außenwand hinaus durchlaufen, ohne dass eine Wärmebrücke entsteht, und dort Balkone realisiert werden. Die technischen Installationen verlaufen oberhalb der Decke, in einer 6 cm hohen Splittschüttung, die auch die für den Schallschutz wichtige Masse liefert. Die Holzstützen liegen in den Trockenbauwänden und in der Fassade verborgen. Die Fassade selbst besteht aus 36 cm starken Holzrahmen- und großformatigen Fensterelementen. Alle Holzbauteile wurden vorgefertigt. Um auf die unterschiedlichen Wünsche der Baugruppenmitglieder einzugehen, nutzten die Architekten die dabei inzwischen mögliche flexible Gestaltung der einzelnen Bauteile.
Ein objektbezogenes Brandschutzgutachten ermöglichte eine enorme
Vereinfachung sowohl der Konstruktion als auch des Brandschutzes
gegenüber sonst üblicher Standardlösungen. Dadurch konnten die
Architekten ihr Ziel, möglichst viele konstruktive Elemente aus
Holz herzustellen und diese sichtbar zu belassen, an vielen Stellen
umsetzen. In Abweichung von der Musterholzbaurichtlinie konnten die
Deckenunterseiten holzsichtig bleiben. Dazu mussten sie lediglich
mit einer transparenten B1-Beschichtung versehen werden. Auch die
Kapselklasse der Außenwände wurde von K60 auf K30
herabgesetzt. Dadurch, dass die Balkonbänder auf der Straßenseite
als Brandschürzen wirken, konnte die Außenwand des Erdgeschosses
mit einer Holzschalung verkleidet werden.
Bautafel
Architekten: IfuH - Institut für urbanen Holzbau, Berlin/Darmstadt; Atelier PK, Berlin; Roedig Schop Architekten, Berlin; Rozynski Sturm Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: IFB Frohloff Staffa Kühl Ecker (Tragwerksplanung); Dehne Kruse Brandschutzingenieure, Gifhorn (Brandschutz); HTP Pagenkopf, Berlin (Haustechnik); A-Z Holzbau Zimmerei, Berlin (Holzbau); Finnforest Merk, Aichach (Systemhersteller Holz)
Bauherr: Baugruppe 3XGrün
Standort: Görschstraße 48/49, 13187 Berlin
Fertigstellung: 2011
Bildnachweis: IfuH, Berlin/Darmstadt; Fotos: Stefan Müller, Berlin
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Brandschutz sponsored by:
Telenot Electronic GmbH, Aalen
www.telenot.com