Neugestaltung und Sanierung Rathaus Schorndorf
Gelochte Akustikdecke und wellenförmiges Deckensegel
Zentral auf dem pittoresken Marktplatz der baden-württembergischen Stadt Schorndorf erhebt sich seit 1730 das Rathaus. Der verputzte Barockbau mit rustiziertem Sockelgeschoss, Walmdach und Glockenturm überragt die ihn umgebenden Fachwerkhäuser und gilt als Wahrzeichen der Stadt. Das hohe, zweischiffige Erdgeschoss mit aufragenden Rundbogenfenstern diente ursprünglich als Markthalle, in den beiden Etagen darüber befanden sich Amtsstuben und ein Versammlungssaal. Die Büroräume wurden ab den späten 1970er-Jahren ausgeweitet, die untere Halle umgenutzt und in diesem Zuge rustikal überformt. Rund vierzig Jahre später entschied sich die Stadt für eine denkmalgerechte Sanierung und Neugestaltung des Rathauses und beauftragte damit die Architekten und Innenarchitekten der Ippolito Fleitz Group.
Gallerie
In einer ersten Umbauphase wurden die Obergeschosse des Hauses
energetisch saniert und brandschutztechnisch ertüchtigt. Auch baute
man einen Aufzug für eine barrierefreie Erschließung ein. In der
zweiten Bauphase folgten die Neugestaltung der Fassade und der
öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss. Einen offenen, lichten und
luftigen Eindruck insbesondere der unteren Räume wiederherzustellen
war der Gestaltungsansatz der Planer. Zugleich intendierten sie,
den historischen Bestand sichtbar zu machen und die Nutzung der
öffentlichen Bereiche multifunktional und flexibel zu gestalten.
Dafür wurde das Erdgeschoss vollständig entkernt und der Grundriss
radikal neu organisiert. Wo vormals Markttreiben herrschte und dann
behördliche Vorgänge vonstattengingen, befinden sich heute ein
einladendes Foyer und die Stadtinformation sowie angrenzend der
große Sitzungssaal.
Dem schmalen, länglichen Marktplatz entsprechend ist der Grundriss des Gebäudes rechteckig und streckt sich in Nord-Süd-Richtung. Das Eingangsportal für Besucher liegt mittig an der südlichen Schmalseite, vier Stufen führen hinauf ins Foyer. Zusammen mit dem Plenarsaal nimmt es etwa die Hälfte der Fläche ein. Zwischen den beiden Nutzungen vermittelt eine verglaste Hochebene. Auf der Empore befinden sich das Trauzimmer und ein kleiner Sitzungsraum. Beide Räume sind jeweils durch eine dunkel lackierte Stahltreppe von der Eingangshalle beziehungsweise dem Plenarsaal direkt zu erreichen. Da auch die darunterliegende Wand verglast ist, bleibt das gesamte Geschoss immer als Ganzes erfassbar.
Akustik
Die ganzheitliche Raumwirkung wird durch den durchgehende Bodenbelag aus Travertin und die weiße Akustikdecke verstärkt. Um trotz der schallharten Oberflächen des Natursteinbodens, der Glaswände und großen Rundbogenfenster eine angenehme Raumakustik mit guter Sprachverständlichkeit zu erzielen, ist eine abgehängte Decke als Absorber konzipiert worden. Weiß, fugenlos verputzt und mit Lochung versehen, erstreckt sie sich über Halle und Saal. Das Muster der Perforation ist im Zentrum eng gerastert und wird zu den Rändern hin unregelmäßiger, sodass eine dynamische Wirkung entsteht.
In die akustisch wirksame Deckenfläche integriert sind runde
Einbauleuchten für eine blendfreie Allgemeinbeleuchtung. Blickfang
in der Eingangshalle ist vor allem eine skulpturale Pendelleuchte,
die über dem Geschehen zu schweben scheint: Vier unterschiedlich
große Ringe überschneiden sich und geben diffuses Licht ab. Der
größte Lichtring hat einen Durchmesser von 6,50 m bei einer Höhe
von 13,2 cm und einer Breite von nur 6 cm. Eine indirekte
Beleuchtung von oben inszeniert die freigelegten alten
Holzstützen.
Auch im Plenarsaal ist die Deckengestaltung das zentrale Entwurfselement. Ein weißes Deckensegel – ähnlich einem Schalldeckel – zieht sich geschwungen vom Trauzimmer auf der Empore bis zur zentralen Rückwand des Saals und öffnet den Raum durch die gebogenen Abschlüsse an den Rändern zu den Außenwänden. Decke und Rückwand bilden eine Einheit. Die Rückwand – hinter der die Medientechnik, ein Stuhllager und die Garderobe verborgen sind – wird von zwei Spiegelwänden flankiert. In das Deckensegel ist die Haustechnik nahezu unsichtbar integriert.
Die Positionierung der Tische wurde von der üblichen
parlamentarischen kreisrunden Sitzanordnung abgewandelt: In
Schorndorf gibt es eine offene U-Form, an die sich weitere Reihen
schmiegen, dem Podium zugewandt. Erfordert das Tagungsthema
Diskretion, können raumhohe Vorhänge vor die Glaswand zum Foyer und
vor die Fenster gezogen werden.
Bautafel
Architekten: Ippolito Fleitz Group, Stuttgart
Projektbeteiligte: Lichtwerke Köln (Lichtplanung); Ingenieurbüro Bachmann & Gedina IBG, Korb (Technische Gebäudeausrüstung)
Bauherr: Stadt Schorndorf
Fertigstellung: 2012
Standort: Marktplatz 1, 73614 Schorndorf
Bildnachweis: Zooey Braun, Stuttgart; Stadt Schorndorf