Garagenausbau in Werder an der Havel
Ein hoffnungsvoller Fall
Wenige würden auf den ersten Blick erkennen, dass der charmante Ziegelbungalow mit seiner großzügigen Verglasung und den eleganten Markisen, einst eine halb verfallene Garage war: Das Berliner Office for Ecological Architecture OFEA und das Büro undjurekbrüggen nahmen die Herausforderung an, unter größtmöglichem Materialerhalt ein Bauwerk zu sanieren, das viele gerne abgerissen hätten. Seit der Transformation bietet Luise19E lichtdurchflutete Gemeinschaftsräume für ein genossenschaftliches Wohnprojekt in Werder an der Havel.
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Der quaderförmige, längliche Baukörper ist an ein denkmalgeschütztes Wohnhaus angedockt. An der Südfassade öffnen sich anstelle von Garagentoren nun bodentiefe Fenster mit weißen Fallarmmarkisen zum großen Hof. Bauherrin ist die Genossenschaft Uferwerk, ein gemeinschaftliches und auf Nachhaltigkeit bedachtes Mehrgenerationenwohnprojekt am Großen Zernsee. Entsprechend wurde die zum Ufer gerichtete, östliche Schmalseite des Flachbaus mit verglasten Schiebeelementen großzügig geöffnet.
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Dekontaminination und statische Ertüchtigung
Das ursprüngliche Garagengebäude war nicht nur baufällig, sondern auch durch Schweröl kontaminiert. Die Ziegelwände waren instabil, das Dach marode. Trotz der Genehmigung für einen Abriss und Neubau überzeugten die Architekturschaffenden die Bauherrschaft von der Idee, das Bestehende klug zu sanieren. Der darauffolgende Planungs- und Bauprozess war partizipativ organisiert: Bei mehreren Workshops und zahlreichen Treffen konnten sich die Bewohnenden in die Erstellung von Nutzungskonzepten und in die Gestaltung einbringen.
Am Anfang der Baumaßnahmen standen die Entsorgung des durch Asbest und Holzschutzmittel belasteten Dachs und der Rückbau des fundamentlosen östlichen Teils der Garage. Dieser wurde mit den geborgenen und gereinigten Mauerziegeln wiederaufgebaut. Seine alte Kubatur ist wieder hergestellt, jedoch erhielt das Ostende zusätzliche Fensteröffnungen. Die bestehenden Außenwände wurden saniert und statisch ertüchtigt. Da sich der Untergrund als ungünstig erwies und das Gründach ein adäquates Tragwerk benötigte, bildet ein Ringanker den oberen Wandabschluss. Prominent sitzt der kräftige Betonrahmen auf dem Mauerwerk und soll die Standfestigkeit erhöhen sowie Rissen in der Gebäudehülle vorbeugen.
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Wiederverwendete und gesunde Materialien
Die neu eingezogene Holzbalkendecke trägt das mit Holzfaserdämmung versehene und extensiv begrünte Dach. Eine Photovoltaikanlage nutzt die Kraft der Sonne. Innen wurden die Wände der ehemaligen Garage weitestgehend entfernt, um einen großzügigen Raum zu schaffen, der sich in zwei Bereiche gliedert: einen größeren mit offener Küchenzeile am Ufer und einen kleineren für Sanitär- und Nutzräume.
Mit der Wiederverwendung großer Teile der massiven Bausubstanz konnten Ressourcen und Graue Energie bewahrt werden. Solch nachhaltige Ansätze durchziehen das Projekt bis ins Detail: So wurde etwa eine bestehende Fensteröffnung mit geborgenen Steinen zugemauert und dabei Nistkästen für Vögel integriert. Die Innenwände sind mit Hanfkalk gedämmt, um ein gesundes Raumklima herzustellen.
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Sonnenschutz: Außen statt innen
Auch die besonders groß dimensionierten Fallarmmarkisen sind Teil des ressourcenschonenden Ansatzes, denn sie tragen zur passiven Kühlung des Innenraums bei: Sind die weißen Stoffbanen an heißen Sommertagen ausgestellt oder ganz herabgelassen, verschatten sie die Südfenster. Außenliegender Sonnenschutz ist innenliegendem bei weitem überlegen. Durch ihn gelangen die Sonnenstrahlen gar nicht erst in den Innenraum, wo sie etwa auf Möbel treffen, die sich langsam aufheizen und die Wärme in den Raum abgeben. Kann diese nicht wieder entweichen, entsteht der sogenannte Treibhauseffekt und das Raumklima wird für Menschen zunehmend unangenehm.
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Fallarmmarkisen gehören zu den Klassikern des textilen Sonnenschutzes. Bei Luise 19E kamen puristisch anmutenden Modelle eines Schweizer Herstellers zum Einsatz, die über besonders filigran gearbeitete Fallarme aus verzinktem Stahl mit fixem Drehpunkt verfügen. Sind die Fallarme ausgestellt, fungieren die Stoffbahnen als Überkopfverschattung. Die Fensterflächen sind dann teilweise oder ganz verschattet, ohne dass der Blick nach draußen gestört ist. Lässt man die Fallarme ganz herab, ist das Innere vor Sonne wie Einblicken gleichermaßen geschützt. Das erhöht die Privatsphäre insbesondere bei bodentiefen Fensterelementen und ermöglicht – je nach gewählter Stoffqualität – eine Verdunkelung des Innenraums.
Neben den variablen Sonnenschutzeinrichtungen an der Südfassade,
sind oberhalb der Südtür sowie des großen Ostfensters auch
Überkopfverschattungen in Form von feststehenden Vordächern aus
verzinkten Wellblechplatten zu sehen. Diese dienen dem
Witterungsschutz und verhindern im Sommer den Wärmeeintrag bei
steil stehender Mittagssonne. In den Wintermonaten hingegen steht
die Sonne tief genug, dass ihre Stahlen unter dem Vordach hindurch
in den Innenraum dringen können und ihn so passiv erwärmen.
-sr
Bautafel
Architektur: Office for Ecological Architecture OFEA, Berlin; undjurekbrüggen, Berlin
Bauherrschaft: Uferwerk, Werder (Havel)
Projektbeteiligte: Jakob Wolters / Jurek Brüggen (Architekturteam); Ingenieurbüro Mathias Bobka, Werder (Tragwerksplanung); Energieberatung Herse, Werder (Energetische Planung); Ritter Bauphysik, Potsdam (Bauphysik, Akustik); Storama, Burgistein (Hersteller Sonnenschutz)
Standort: Luisenstraße 20 D, 14542 Werder (Havel)
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Hannes Heitmüller, Hamburg (Fotos); undjurekbrüggen, Berlin (Pläne)
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