Gemeindehaus und Kirche in Kehl
Puristisch, präzise und energieeffizient
Klassische Sakralbauten zeichnen sich häufig durch ihre imposante Architektur aus - ornamentierte Fassaden, Rund- und Kreuzbögen, hohe Decken und bunte Fenster. Dass es auch anders geht, beweist das neue Gemeindezentrum der Christuskirche in Kehl, einem Städtchen in der Nähe von Straßburg. Geplant wurde das puristische Ensemble vom Architekturbüro VON M; diese beinhaltete die Sanierung, Restrukturierung und Ergänzung der 1822 nach Plänen von Hans Voß erbauten Kirche.
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Aus Vier werde Eins
Grund für die Baumaßnahme war die organisatorische und wirtschaftlich bedingte Fusionierung der vier örtlichen Pfarrgemeinden zu einer Kirchengemeinschaft. Für die Herstellung des neuen Zentrums entschied man sich dazu, die älteste Kirche im Stadtteil, die Christuskirche, zum neuen Standort des Gemeindezusammenschlusses festzulegen und sie an die neuen Anforderungen anzupassen. In diesem Sinne wurde das bis dahin zweiteilige Ensemble um einen weiteren Baukörper ergänzt. Der kompakte Neubau dient als neues Gemeindezentrum und soll eine flexible, gemeinschaftliche Nutzung für die Ortschaft ermöglichen und neben Gottesdiensten auch für verschiedenste Veranstaltungen offen sein.
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Städtebauliche Neuordnung
Der neue, eingeschossige Baukörper ist zwischen der nördlichen Grundstückgrenze und der Kirche selbst positioniert. Er passt sich mit seiner trichterförmigen Kubatur an die zulaufende Form der Liegenschaft an. Dadurch entsteht ein gemeinsamer Außenplatz, der die drei Bausteine – Gemeindehaus, Kirche und Haus der Kirche – verbindet. Mit den Eingriffen in das Grundstück zwischen Friedhofstraße und Kirchgasse soll die Präsenz der Kirche im Stadtgefüge hervorgehoben und für die Öffentlichkeit zugänglicher gemacht werden. Zugleich dient der sogenannte Kirchplatz der Erschließung aller Gebäudeteile; hierzu wurde im Zuge der Sanierung und städtebaulichen Neuordnung der Westeingang der Kirche reaktiviert.
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Klassizismus trifft auf Moderne
Die Architektur des monolithischen Neubaus kennzeichnet sich durch eine klare geometrische Ordnung und fügt sich mit seinem in strahlendem Weiß verputzten und gestrichenen Außenwänden in das vorhandene klassizistisch geprägte Bestandsensemble ein. Der Innenraum des 536 Quadratmeter großen Gemeinde-Neubaus bildet eine moderne Interpretation eines Kreuzgangs ab: Der stützenfreie Veranstaltungssaal überhöht die anschließenden Gruppenräume, die mithilfe von Faltwänden abgetrennt sind. Im offenen Zustand wirken sie als Erweiterung des Raumes und lassen sich damit für unterschiedlichste Klein- und Großveranstaltungen einsetzen.
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Straßenseitig mutet die Fassade introvertiert an und weist nur
wenige Öffnungen auf, sodass der Eindruck von dunkeln und
abgeschirmten Innenräumen entsteht. Zum gemeinsamen Kirchhof hin
öffnet sich die Gebäudehülle hingegen mit einer großen
Fensterfront, die für viel Licht und klare Sichtbezüge sorgt.
Mithilfe der von außen kaum sichtbaren Überhöhung, die durch ein
umlaufendes Fensterband geöffnet wird, schaffen die Architekt*innen
eine lichtdurchflutete Gebäudemitte mit symbolischem Bezug zum
Himmel.
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Monolithisch, praktisch, gut
Besonders auffällig äußert sich die Materialwahl im Innenraum. Die teilweise mit Kalk geschlämmten Mauerwerkswände bestehen nicht etwas aus regulärem Sichtmauerwerk, sondern aus mineralisch gedämmten Hochlochziegeln Poroton T7-MW der Firma Wienerberger, dessen geriffelte Oberfläche sichtbar bleibt und nur in Teilen glatt gespachtelt wurde. Der Baustein wurde in einer Wandstärke von 42,5 Zentimetern verbaut und ermöglicht durch seine Wärmeleitfähigkeit von 0,07 W/mK die monolithische Bauweise des Gebäudes ohne große Konstruktionsflächen oder den Einsatz eines WDVS. Der Innenausbau wurde in Holzbauweise hergestellt. Wie das Mauerwerk wurden auch die Holzelemente aus Brettsperrholz weiß lasiert. Die Struktur des Holzes bleibt weiterhin sichtbar.
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Der 840 Quadratmeter große Sakralbau wurde in seiner ursprünglichen Gestalt und Farbe wiederhergestellt und mit einem Durchgang zum Gemeindezentrum versehen. Im Innenraum sorgen eine filigrane Holzwand und neue Holzmöbel für eine warme und moderne Atmosphäre.
Bautafel
Architektur: VON M, Stuttgart
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro für Bauwesen Seiler, Stuttgart (Tragwerksplanung); IGP, Pforzheim (Gebäudetechnik); Hüttinger Ingenieurgesellschaft für Bauphysik, Lehrensteinsfeld (Bauphysik); Toni Petschl Möbelwerkstätten, Weissenburg (Tischlerarbeten); Kletterer Holzbau, Herbolzheim-Tutschfelden (Zimmerei und Ingenieurholzbau); Klaus Adam Bauunternehmung, Willstädt (Rohbau); Eble Ausbau + Fassaden, Hohberg (Putz und Stuck); Wienerberger, Hannover (Hochlochziegeln Poroton T7-MW)
Bauherr*in: Evangelische Kirchengemeinde Kehl
Standort: Friedhofstraße 1, 77694 Kehl
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Zooey Braun (Fotos); VON M, Stuttgart (Pläne)