Rathaus in Zeitlarn
Die neue Mitte
Die Ortszentren kleinerer Städte scheinen derzeit wieder
vermehrt in den Fokus städtebaulicher Maßnahmen zu rücken – so wie
in Zeitlarn, aber auch in Großkarolinenfeld oder Garath. Trotz oder vielleicht gerade durch das
Sterben des Einzelhandels versuchen viele Gemeinde offenbar ihre
Mitten wiederzubeleben – nicht durch überdimensionierte
Einkaufszentren oder vermeintliche „Erlebniswelten“, sondern durch
gut geplante Rat- und Gemeindehäuser, die gemeinsam mit dem Bestand
und gestalteten, öffentlichen Plätzen die einstigen Ortskerne
wieder als solche erkennbar machen, zum Aufenthalt und
Zusammenkommen animieren und identifikationsstiftend
wirken.
Gallerie
In Zeitlarn, etwa zehn Kilometer nördlich von Regensburg am Fluss Regen, wurde im Zuge der Planungen für einen Rathausneubau durch Schretzenmayr Architekten auch die Neugestaltung eines zentralen Platzes entwickelt. Entsprechend ist das neue Rathaus so platziert, dass zusammen mit dem Bestand – Kirche, Friedhof, Pfarrhof und Wirtshaus – ein neues Ortszentrum entsteht. Die Kubatur des Neubaus sucht dabei den Schulterschluss zwischen dem Vorgängerbau, einem Holzstadel, und der aktuellen städtebaulichen Situation. Die Gebäudetechnik ist so konfiguriert, dass sie hohen Wärme- und Raumluftkomfort bietet, der individuell justiert werden kann.
Die neue Mitte
Die Positionierung des Baukörpers im Südwesten des Grundstücks gliedert den städtischen Raum und rückt die Kirche, die sich bisher in zweiter Reihe befand, wieder ins Blickfeld, da es nun eine Sichtachse von der Hauptstraße bis zum Flussufer gibt. Mehr noch leitet die besonders im Obergeschoss horizontale Gliederung der Rathaus-Fassade den Blick auf das Gotteshaus mit dem markanten Kirchturm. Der neue Platz erhielt ein helles Kopfsteinpflaster, eine mit jungen Bäume bepflanze Kiesfläche und ein Wasserspiel aus weißem Sichtbeton sowie minimalistische Fahrradbügel aus Cortenstahl. An der Nordwestseite wird er vom Kirchhof gefasst. Eine niedrige Hecke und Blumenbeete markieren die Grenze zwischen beiden. Dem Platz zugewandt befindet sich der Haupteingang des Rathauses. Für die Mitarbeitenden gibt es einen separaten Eingang mit einigen Pkw-Stellplätzen auf der Rückseite des Gebäudes.
Klar gegliedert
Im Inneren ist das Gebäude recht konventionell gegliedert. Links
und rechts der Längsachse befinden sich im Erdgeschoss die Büros
und Ämter sowie einige Nebenräume. Auch die Technikräume sind hier
angeordnet, da es kein Untergeschoss gibt. Das Gebäude liegt in
einer Hochwasserschutzzone, weshalb die Fensterbrüstungen im
Erdgeschoss eine bestimmte Höhe haben mussten und die Eingangstüren
im Notfall über mobile Elemente verschlossen werden können. Eine
Treppe oder wahlweise ein Aufzug führen hinauf ins Obergeschoss, wo
sich das Trauzimmer, ein Besprechungsraum sowie das Büro der
Hauptverwaltung und des Bürgermeisters mit Vorzimmer befinden.
Durch ein großzügiges Oberlicht, das im Schrägdach Richtung
Südwesten angeordnet ist, fällt viel natürliches Licht in den Flur
des Obergeschosses. Dem Trauzimmer vorgelagert ist ein Wartebereich
mit Blick hinaus auf den Vorplatz. Das Archiv und die Registratur
sind schließlich im Dachgeschoss untergebracht.
Gallerie
Passive Wärmeschutzmaßnahmen und reduzierte Raumgestaltung
Das Gebäude ist als Massivbau konzipiert, mit Außenwänden aus Stahlbeton und außenseitiger Dämmung. Die Fassade im Erdgeschoss ist mit hinterlüfteten, vertikalen Holzeisten bekleidet, das Obergeschoss hat eine cremefarbene Putzfassade erhalten. Die Innenwände bestehen aus Stahlbeton und Mauerwerk. Fenster, Türen und Zargen sind aus Eichenholz gefertigt, bei den Fassadengläser handelt es sich um 3-fach-Wärmeschutzverglasungen. Somit weist die Hülle Werte auf, welche die zum Zeitpunkt der Planung geltende EnEV um rund vierzig Prozent unterschritten. Die Verkehrsflächen haben einen robusten Natursteinboden aus Solnhofer Plattenkalk erhalten. In den Büroräumen kam Auslegeware zur Anwendung und in den Technik- sowie Lagerräumen Linoleum, wodurch eine leichte Reinigung und ein günstiger Unterhalt gewährleistet werden sollen. Ziel der Innenraumgestaltung war es, eine einladende, aber reduzierte und wertige Atmosphäre zu schaffen.
Bedarfsgerechte Gebäudetechnik
Die Heizlast des Gebäudes von 22 kW wird über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe gedeckt. Um einen möglichst effizienten Betrieb zu gewährleisten, sind Niedertemperaturstrahlungsheizungen, in diesem Fall Fußbodenheizungen, installiert. Geregelt wird die Raumtemperatur individuell über Thermostate in jedem Raum. Die Fenster lassen sich teilweise zwar öffnen, was jedoch nicht unbedingt nötig ist, denn für die Be- und Entlüftung sorgt eine zentrale Belüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die achtzig Prozent der Wärme aus der Abluft der Zuluft wieder zuführt. Obwohl es eine Anlage für die gesamte Belüftung gibt, erfolgt der Luftvolumenstrom in den Räumen personenbezogen und in Abhängigkeit des zulässigen CO₂-Gehalts im Raum sowie der Außenluftqualität. Die Zu- und Abluftleitungen sind größtenteils in den Stahlbetondecken und oberhalb der Rohfußböden angeordnet. Auch beim Warmwasser ist ein suffizientes Maß gefunden: Die Warmwasserversorgung erfolgt aus hygienischen Gründen dezentral mittels elektrischer Durchlauferhitzer, was nicht nur den Vorteil hat, dass die Warmwasserbereitung bedarfsgerecht gesteuert werden kann, sondern auch den Aufwand für die Trinkwasserleitungen im Gebäude nahezu halbiert. -tg
Bautafel
Architektur: Schretzenmayr Architekten, Regensburg
Projektbeteiligte: Wamsler Rohloff Wirzmüller FreiRaumArchitekten, Regensburg (Landschaftsarchitektur); Team für Technik Regensburg, Regensburg (Gebäudetechnik)
Bauherr/in: Gemeinde Zeitlarn
Fertigstellung: 2019
Standort: Hauptstraße 30, 93197 Zeitlarn
Bildnachweis: Erich Spahn, Regensburg; Schretzenmayr Architekten, Regensburg
Fachwissen zum Thema
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